Kommentar
15:40 Uhr, 20.05.2021

Die Zinsen sollen steigen - aber wie?

Es klingt paradox, doch das Ziel der ultralockeren Geldpolitik sind steigende Zinsen. Nur: Wie soll das langfristig funktionieren?

Notenbanken, die vor Beginn der Coronakrise die Zinsen anheben konnten, darunter die US-Notenbank Fed, machten immer wieder klar, weshalb sie höhere Zinsen favorisieren. Die Zinsen sollten möglichst hoch steigen, damit sie im Ernstfall tief fallen können. Das Mandat, Vollbeschäftigung und Inflation von durchschnittlich 2 %, muss natürlich auch erfüllt werden. Notenbanker müssen entscheiden, wie hoch die Zinsen sein können, um das Mandat nicht zu gefährden. Mit der Krise ist der ganze Zyklus wieder zurückgesetzt worden. Notenbanken wollen, dass die Wirtschaft möglichst schnell wieder Tritt fasst, damit die Zinsen wieder steigen können. Zinsen sind und bleiben das wichtigste geldpolitische Instrument. Anleihekäufe sind zwar beliebt, aber je nach Umständen wirkungslos. Das unbegrenzte QE-Programm der Bank of Japan läuft und läuft und bewegt außer dem Aktienmarkt nichts. Das Mandat der Notenbank wird deswegen jedenfalls nicht besser oder schneller erfüllt.

QE hilft, den Markt zu stabilisieren oder wie jetzt Staaten zu finanzieren. Läuft die Wirtschaft selbstständig einigermaßen rund, ist QE realwirtschaftlich ziemlich wirkungslos. Auch einer zyklischen Wachstumsverlangsamung wie 2019 kann QE nichts entgegenstellen. Zinssenkungen sind effektiver, wenn sie denn möglich sind.

Um den Konjunkturzyklus zu managen braucht es positive Leitzinsen, die materiell über 0 % sind. Dorthin wollen alle Notenbanken. Die Frage ist nur, ob das gelingen wird. Viele gehen davon aus, dass die Zinsen nicht steigen können, weil die Verschuldung hoch ist. Das ist nicht ganz richtig. Nominalzinsen wie der Leitzins können bei jeder Verschuldung steigen, solange der Realzins nicht zunimmt.

Langfristig sind Zinsen eng mit der Altersstruktur der Bevölkerung verknüpft. Das ist auch aktuell zu sehen (Grafik 1). Dort, wo der Anteil der über 65-jährigen hoch ist, sind die Zinsen niedrig. Dort, wo er tief ist, sind die Zinsen hoch.


In den kommenden Jahrzehnten ändert sich das Bild kaum. Tendenziell steigt der Anteil der über 65-jährigen. In Japan könnte der Anteil ab 2060 wieder minimal sinken. Bis dorthin steigt der Anteil überall auf der Welt. Der Druck auf die Zinsen aufgrund der Demographie wird nicht abnehmen, sondern bis 2060 global massiv zunehmen, geradezu einen Sprung nach oben erleben.

Das heißt nicht, dass die Zinsen überhaupt nicht mehr steigen können. Notenbanken kämpfen allerdings gegen eine enorme Kraft, die die Zinsen nach unten zieht. Die Form der Kurve bleibt bestehen, sie kann sich aber nach oben oder unten bewegen (Grafik 3), wenn die Inflation steigt. Mit der Zeit wandern alle Länder entlang der Kurve immer weiter nach rechts und nach unten. Ein Umfeld, in dem die Zinsen systematisch wieder für Jahrzehnte steigen, ist sehr unwahrscheinlich.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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