Fundamentale Nachricht
08:40 Uhr, 16.01.2018

Die Warnleuchten gehen an

Investoren sollten MFS-Chefinvestmentstratege James Swanson zufolge jetzt über Kapitalschutzstrategien nachdenken.

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  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 25.803,19 Pkt (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Boston (GodmodeTrader.de) - Wenn ich um die Welt reise und Kunden besuche, werde ich oft gefragt, was mir nachts den Schlaf raubt. Die Antwort: der Versuch, den Zeitpunkt der nächsten Rezession zu prognostizieren. Zwar wächst die Weltkonjunktur weiter synchron, aber die eine oder andere Entwicklung hält mich bisweilen wach, wie MFS-Chefinvestmentstratege James Swanson in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Warum Rezessionen so beunruhigend seien? Weil sie die Kurse risikobehafteter Wertpapiere einbrechen ließen. Laut Ned Davis Research sei der S&P 500 Index in den Rezessionen der Nachkriegszeit, vom Höchststand bis zum Tiefststand, im Schnitt um fast 28 Prozent eingebrochen. Natürlich lieferten Aktien und High-Yield-Anleihen langfristig meist Erträge über dem Wirtschaftswachstum. Aber der durchschnittliche Investor realisiere solche Gewinne oft nicht. Warum? Es liege an der menschlichen Natur. Sie sorge dafür, dass Rezessionen Ihr Portfolio ruinieren könnten. Oft trennten sich Anleger von ihren Investments, wenn die Märkte schon gefallen seien – und damit zum allerschlechtesten Zeitpunkt. Und dann zögerten sie mit dem Wiedereinstieg, um lange nach Beginn der Erholung schließlich doch noch zu investieren. Wenn Investoren einmal Angst hätten, bleibe es dabei. Die Märkte erholten sich oft wesentlich schneller als die Stimmung der Anleger. Umso wichtiger sei es, für die Portfoliopositionierung die Rezessionswahrscheinlichkeit zu kennen, heißt es weiter.

„Da niemand eine Kristallkugel hat, braucht man einen Analyserahmen, mit dem man zukünftige Risiken einschätzen kann. Meiner ist die Rezessions-Checkliste. Ich nutze sie seit Jahren. Damit kann man zwar keine unmittelbar drohende Rezession vorhersagen, aber drei beunruhigende Anzeichen sollte man genauer betrachten“, so Swanson.

Die Märkte stünden auf Rekordhochs, die Investoren seien guter Dinge. Die Finanzbedingungen seien locker, die Zinsen niedrig. Warum sollten sich Unternehmen und Verbraucher da nicht mehr Geld leihen? Der Schuldendienst sei in einem derart günstigen Umfeld kein Problem – oder doch? Da überrasche es nicht, dass die Verschuldung von Unternehmen und Haushalten auf Werte deutlich über den letzten beiden Höchstständen gestiegen sei, heißt es weiter.

„Nach meiner Erfahrung verschuldet man sich dann zu stark, wenn man sich zu sicher ist; und übertriebene Selbst-sicherheit ist niemals gut. Der Schuldendienst ist zurzeit durchaus handhabbar, aber im Dezember hat die Fed die Zinsen erneut angehoben – und meiner Ansicht nach wird sie auch 2018 die Zinsen häufiger anheben, als man an den Märkten erwartet. Gegen Ende eines Konjunkturzyklus steigen die Zinsen meist, und der aktuelle Zyklus ist einer der längsten der Geschichte“, so Swanson.

Mehr Fusionen und Übernahmen und höhere Preise für die übernommenen Unternehmen seien typisch für das Ende eines Konjunkturzyklus. Hier gebe es zurzeit klare Übertreibungen. Gegen Ende des Konjunkturzyklus bezweifelten Unternehmen oft, dass sie Gewinn und Umsatz ausreichend steigern könnten, um die Investoren zufriedenzustellen. Stattdessen kauften sie andere Unternehmen, um durch Synergieeffekte die Gewinne je Aktie zu steigern. Aber oft kauften sie zu teuer ein, heißt es weiter. Swansons Eindruck ist, dass die Übernahmen zulegen und die Übernahmeprämien in Richtung der Höchststände steigen, die man aus früheren Zyklen kennt.

„Ein anderes Thema sind fremdfinanzierte Wertpapierkäufe. Viele sehen in mehr fremdfinanzierten Wertpapierkäufen einen Hinweis auf eine bessere Marktstimmung. Aber man kann ebenso gut von übertriebener Selbstsicherheit sprechen. Ende Oktober betrugen die Margin-Verpflichtungen an der New Yorker Börse 561 Milliarden US-Dollar. Das ist ein neuer Höchststand. Einige Investoren beleihen ihre Portfolios, um mehr Aktien zu kaufen, was die Gewinne bei einem weiteren Kursanstieg vervielfachen kann. Aber leider gilt das auch für die Verluste, wenn die Kurse fallen. Andere Investoren nutzen Margin-Kredite als günstige kurzfristige Finanzierungsmöglichkeit. Problematisch könnte es werden, wenn die Investoren Wertpapierkredite ähnlich nutzen wie Immobilienkredite vor der internationalen Finanzkrise. Wer sein Portfolio beleiht, gibt einen Puffer auf. Bei fallenden Märkten könnten die Kreditnehmer dann zu Aktienverkäufen gezwungen sein, um ihre Kredite zu bedienen“, so Swanson.

Seiner Meinung nach ist der Anteil der Unternehmensgewinne am BIP einer der besten Indikatoren dafür, wo die US-Wirtschaft im Konjunkturzyklus steht. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des US Bureau of Economic Analysis erfasse alle in den USA erwirtschafteten Gewinne – von der Pizzeria oder dem Schönheitssalon an der Ecke bis zu Apple und Netflix. Anschließend könne man sie durch das Bruttoinlandsprodukt dividieren, die Summe aller im Land produzierten Güter und Dienstleistungen. Der Quotient sei die Gewinnquote. Wenn sie steige, kämen meist gute Zeiten für Aktien. Man gehe davon aus, dass Unternehmen mehr investierten und mehr neue Mitarbeiter einstellten, wenn die Aktienkurse stiegen. Wenn die Gewinne fielen, würden Neueinstellungen und Investitionen zurückgefahren. In der Vergangenheit sei ein Rückgang der Gewinnquote, wenn er länger als ein Jahr gedauert habe, meist ein Vorbote für schwierige Zeiten gewesen. Im aktuellen Konjunkturzyklus sei die Gewinnquote auf Allzeithochs gestiegen, aber heute sei sie niedriger als vor einem Jahr. Meist falle sie zwölf bis 18 Monate lang, bevor eine Rezession beginne, und mittlerweile gehe der Anteil der Gewinne am BIP schon fast ein Jahr lang leicht zurück – auch wenn er absolut gesehen im Vergangenheitsvergleich noch immer recht hoch sei, heißt es weiter.

„Wenn Wirtschaft und Märkte aus allen Rohren zu feuern scheinen, kommt mir dies vor wie die Warnleuchten auf dem Armaturenbrett eines Autos. Manche Fahrer sehen die Kontrolllampe, die eine Motorinspektion anmahnt und denken: ‚Ach, es läuft doch alles gut‘. Aber ich finde, dass Warnleuchten einen Sinn haben. Sie sollen Sie vor größeren Schwierigkeiten bewahren. Ich finde, dass Investoren durchaus über Kapitalschutzstrategien nachdenken sollten. Sie sind eine Möglichkeit, in dieser Phase des Konjunkturzyklus die Bodenhaftung zu behalten“, so Swanson abschließend.

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4 Kommentare

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  • Arktishecht
    Arktishecht

    Ich habe mir jetzt eine neue Glaskugel gegönnt................die alte war angelaufen.

    09:49 Uhr, 17.01. 2018
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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