„Die relative Schwäche der Schwellenländer neigt sich dem Ende zu“
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Frankfurt (BoerseGo.de) – Schwellenländeraktien werden für Anleger wieder attraktiv, denn nach der jüngsten Korrektur sind sie günstig bewertet. Allerdings müssen Anleger differenzieren. „Das Ende der expansiven US-Geldpolitik wird die Schwellenländer unterschiedlich treffen“, erklärt Erdinç Benli, Leiter Emerging Market Equities und Fondsmanager des JB Global Emerging Markets Stock Fund von Swiss & Global. „Anleger sollten Länder wie die Türkei, Südafrika oder Brasilien, die in hohem Maße von ausländischem Geld abhängig sind, derzeit meiden.“ Dagegen dürften sich vor allem Länder mit soliden Finanzen wie China oder Russland weiter erholen.
Rückläufige Wachstumsraten und steigende längerfristige Zinsen haben zu kräftigen Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern geführt, Aktienmärkte und Währungen dieser Länder gerieten stark unter Druck. Doch auch weiterhin werden die Schwellenländer den Löwenanteil des weltweiten Wachstums erwirtschaften. Fondsmanager Benli sieht deshalb langfristig großes Potenzial in den dortigen Aktienmärkten. „Die kurzfristige Positionierung an den Kapitalmärkten hat sich von den Wachstumserwartungen abgekoppelt“, bewertet Benli die derzeitige Situation. „Doch die relative Schwäche der Schwellenländer neigt sich dem Ende zu.“ In den nächsten zehn Jahren, so schätzt er, dürfte ihr Anteil an der weltweiten Marktkapitalisierung von derzeit gut einem Zehntel auf ein Fünftel ansteigen. Bereits in letzter Zeit ist Kapital in die Aktienmärkte der Schwellenländer zurückgeflossen. Kurstreiber waren dabei überraschend gute Indikatoren aus China sowie die steigende Nachfrage aus den Industrienationen.
„Jetzt gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen“, sagt Erdinç Benli. Denn in Ländern wie der Türkei, Südafrika und Brasilien wurde das hohe Wachstum in der Vergangenheit hauptsächlich durch Fremdfinanzierung angetrieben. „Vor allem Staaten mit einem Zwillingsdefizit in Haushalt und Leistungsbilanz könnten Schwierigkeiten haben, Fremdkapital anzuziehen“, so der Fondsmanager. Anzeichen einer möglichen Krise wie 1997/98 in Asien sieht Benli jedoch auch in diesen Ländern nicht. So sei etwa die private Gesamtverschuldung dort noch immer deutlich niedriger als in den Industrienationen. In der Türkei etwa lag sie per Ende 2012 gemäß Weltbank bei 55 Prozent des Bruttoinlandproduktes – während es in Deutschland 102 Prozent, im Vereinigten Königreich 179 Prozent und in den USA 193 Prozent sind. Solange die Einlagen die Kredite überstiegen, seien die Banken in der Lage, ihr Kreditwachstum selbst zu finanzieren, so der Experte.
Auch bei der Auswahl der einzelnen Aktien müssten Anleger genau hinsehen, denn die Kurskorrektur hat nicht alle Sektoren in gleichem Maße getroffen. So seien etwa die Hersteller zyklischer Konsumgüter in den Emerging Markets ähnlich profitabel wie in den Industrienationen, handelten allerdings mit einem Abschlag von fast 20 Prozent. Aktien von Produzenten nicht-zyklischer Konsumgüter hingegen seien sogar teurer bewertet als ihre Mitbewerber in den Industrienationen, obwohl diese dort deutlich höhere Margen erzielten. „Die Zeiten, in denen Anleger mit marktbreiten Strategien vom Aufstieg der Schwellenländer profitieren konnten, sind vorerst vorbei“, erklärt Erdinç Benli. „Jetzt kommt es für Investoren mehr denn je auf eine aktive Selektion nach Ländern und Sektoren an.“
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