Kommentar
08:37 Uhr, 11.05.2021

Die Pandemie war ein Glücksfall für den Aktienmarkt

Gesellschaftlich ist die Pandemie eine Katastrophe. Für den Aktienmarkt hingegen war sie ein Glücksfall.

Vor Pandemiebeginn stagnierten die Gewinne von US-Unternehmen fast zwei Jahre lang. Zu Beginn der Pandemie fiel der durchschnittliche Gewinn je Aktie (gemessen am S&P 500) von 35 Dollar auf 12 Dollar. Das konnte man damals kaum als Glücksfall bezeichnen. Ein Jahr später sieht es anders aus. Das erste Quartal 2021 war richtig gut. Generell übertreffen im langfristigen Mittel zwei Drittel der Unternehmen die Erwartungen. Aktuell sind es 85 % (Grafik 1). Das ist ein Rekordwert. Die Kassen klingeln. Knapp 90 % der S&P 500 Unternehmen haben bisher ihre Quartalsberichte vorgelegt. Der Gewinn je Aktie stieg auf 47 Dollar und erreicht damit den bisher höchsten jemals gemessenen Wert (Grafik 2). Aus diesem Grund liest man auch teilweise, dass Unternehmen inzwischen mehr verdienen als vor der Krise.


Auf Basis des Quartalsgewinns ist das richtig. In der Summe der letzten 12 Monate ist der Gewinn jedoch noch immer 7 % tiefer. Blickt man jedoch in die Zukunft und summiert die erwarteten Gewinne in diesem Jahr auf, ergibt sich ein Plus von 26 % gegenüber dem Vorkrisenniveau.

Das ist ein stattliches Wachstum und bei aller Unsicherheit ist es sehr wahrscheinlich, dass Unternehmen Ende 2021 deutlich mehr verdienen als vor der Krise. Es ist gleichzeitig unwahrscheinlich, dass das Wachstum ohne Krise so hoch gewesen wäre.


Das Wachstum dürfte bis Ende 2022 anhalten (Grafik 2). Die Pandemie hat die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen mit hohen Margen befeuert. Technologieunternehmen wie Apple und Microsoft haben sehr hohe Margen und gerade diese Unternehmen profitierten. Das hievt den Gewinn des Gesamtmarktes nach oben.

Branchen, die unter der Pandemie litten, hatten auch vor der Pandemie kleine Margen. Hier ist wenig Gewinn verlorengegangen. In den kommenden Quartalen verschiebt sich die Nachfrage der Wirtschaft allerdings wieder hin zu diesen Unternehmen. Der Quartalsgewinn von 47 Dollar Anfang 2021 wird bis September 2022 vermutlich nicht mehr erreicht.

Die Pandemie hat die Nachfrage zunächst verschoben. Das hat die Gewinne in Sektoren mit hohen Margen regelrecht explodieren lassen. Regierungen haben die Wirtschaft gestützt. Vor allem in den USA sitzen Konsumenten auf mehreren Billionen an Erspartem. Dieses Geld wird zu großen Teilen in den Konsum fließen. Die hohe Nachfrage erlaubt Preissteigerungen. So werden auch Dienstleister, die bisher gelitten haben, in den kommenden Quartalen einen Boom erleben.

Rechtfertigt das aber weitere Kursgewinne? Nein. Selbst auf Basis der Ende 2022 erwarteten Gewinne ist das KGV noch hoch (Grafik 4). Das KGV würde Ende 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen, wenn die Kurse ab jetzt stagnieren. Mit anderen Worten: alles ist bereits eingepreist. Zinsen sind auch kein Argument mehr. In den USA stehen die Marktzinsen wieder dort, wo sie im Herbst 2019 standen.


Dass Kurse aus fundamentaler Sicht nun nicht mehr steigen sollten, trübt die vergangenen Kursgewinne nicht. Der S&P 500 steht fast ein Drittel über dem Vorkrisenniveau. Dank eines Gewinnwachstums, das es ohne Pandemie so wohl nicht gegeben hätte, wäre das undenkbar.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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