Kommentar
08:59 Uhr, 25.02.2013

DAX-Vorstand: Euro kann das Vermögen der Deutschen kosten

Wenn es um den Euro geht, dann scheinen Deutschlands Topmanager gleichgeschaltet zu sein: Die Gemeinschaftswährung ist gut, die Politik sollte alles tun, um sie zu erhalten, so lautet in der Regel das Credo, das von den Unternehmensführern zu hören ist. Wenn der Euro zerbreche, dann drohten der deutschen Wirtschaft aufgrund der starken Aufwertung der eigenen Währung eine Depression und ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit. Umso bemerkenswerter ist, dass sich Linde-Chef Wolfgang Reitzle nun offen auf die Seite der Euro-Kritiker stellt und Töne anschlägt, die man so von einem DAX-Vorstandschef noch nie gehört hat.

In einem bemerkenswerten Interview bei Phoenix positioniert sich Reitzle als Eurokritiker. Mehrfach widerspricht er der mittlerweile legendären Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Dieses Statement sei „fatal“. Der Euro sei eine Fehlkonstruktion, so Reitzle, die nicht um jeden Preis erhalten werden sollte. Wenn ein großes Land wie Italien in Schwierigkeiten gerate, dann könnte diese bedingungslose Treue zum Euro einen Großteil des Vermögens der Deutschen kosten. Es könne nicht sein, sagt Reitzle, dass Deutschland der alleinige Zahlmeister sei und seinen gesamten Wohlstand aufs Spiel setze.

Letztlich sei der Euro eine falsch konstruierte Währung, die krampfhaft versuche, Länder zu überspannen, die in ihrer Mentalität, Einstellung und Leistungsfähigkeit zu weit auseinander liegen. Der Euro war als Integrationsprojekt gedacht. Dies habe nicht funktioniert, Verwerfungen seien die Folge. Nun gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder die schwachen Länder könnten austreten – oder derjenige, der zu stark ist für diesen Währungsraum.

Reitzle kann sich diese Aussagen wohl als einer der wenigen deutschen Topmanager leisten. Nicht nur, weil er Linde in den vergangenen Jahren zu einer der größten Erfolgsgeschichten im DAX gemacht (der Aktienkurs hat sich in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht), sondern auch, weil sein Vorstandsvertrag im kommenden Jahr endet und er dann in Ruhestand geht. Allerdings zeigt er Verständnis für seine Kollegen an der Spitze der deutschen Großunternehmen. Es sei normal, dass man sich bei politischen Themen „wegduckt“, um nicht anzuecken. Unter vier Augen jedoch, so sagt Reitzle, würden ihm die meisten Vorstände recht geben.

Dieses mutige Interview, das bereits im Dezember auf Phoenix ausgestrahlt wurde, ist von den meisten anderen Medien weitgehend totgeschwiegen worden und wurde erst jüngst auf einigen Webseiten entsprechend gewürdigt. Es bleibt zu hoffen, dass nun auch andere deutsche Topmanager nicht nur den Hut vor Wolfgang Reitzle ziehen und ihm im Stillen recht geben, sondern ebenfalls den Mut finden, ihre Meinung zu äußern.

Über den Autor:

Roland Klausarbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist aktiver Investor. Für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von der Frankfurter Börse. In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de

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