Die Märkte werden irrationaler
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- FTSE 100Kursstand: 7.279,00 Pkt (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
London (GodmodeTrader.de) – Investmententscheidungen und insbesondere die Analyse von Unternehmensbewertungen werden zunehmend von verhaltensökonomischen Faktoren beeinflusst. Das verstärkt den Herdentrieb an den Märkten. „Der Einfluss des menschlichen Verhaltens auf die Märkte ist so hoch wie selten zuvor. Immer mehr Investoren laufen Gefahr, ihren eigenen irrationalen Entscheidungen zum Opfer zu fallen“, schreibt Sacha El Khoury, Fondsmanagerin und Expertin für europäische Aktien bei BMO Global Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar. Besonders besorgniserregend sei ein immer stärker werdender Trend zum sogenannten „anchoring“, bei dem Entscheidungsprozesse von irrelevanten Informationen beeinflusst würden.
Gerade in der alltäglichen Arbeit vieler Analysten sei diese Vorgehensweise fest verankert. Denn um Prognosen über zukünftige Unternehmenswerte zu erstellen, stützten sie sich auf Hochrechnungen. Diese Praxis berge grundliegende Schwächen: So würden nicht nur fundamentale Branchenentwicklungen ignoriert, sondern auch irrationale Marktbewegungen gefördert. „In übermäßig euphorischen Phasen steigen so die Erwartungen, was die Kurse künstlich in die Höhe treibt. Gleichzeitig nehme damit auch die Fallhöhe für potentielle Rückschläge zu“, erklärt El Khoury. In stark pessimistischen Phasen hingegen würden sich Analysten auf einen Strom sensationalistischer Negativnachrichten fixieren, wodurch die Erwartungen auf ein unrealistisch tiefes Level gedrückt würden. El Khoury rät, bei der Titelauswahl nicht zu viel auf das aktuelle Marktsentiment zu geben. „Sektoren, die von einem Großteil der Anleger übersehen oder sogar bewusst gemieden werden, weisen häufig hochqualitative Titel auf, deren niedrige Bewertungen exzellente Chancen bieten“, so die Expertin.
Ein passendes Beispiel für die Auswirkungen des „anchoring“ sei die Baisse am Markt für Luxusgüter, der sich eigentlich durch liquiditätsstarke Unternehmen mit unglaublich hoher Preissetzungsmacht und hohen Gewinnen auszeichne. Der Boom dieses Sektors habe 2013ein abruptes Ende gefunden, als China seinen Anti-Korruptionskurs verschärft habe und härter gegen vermeintliche „Zuwendungen“ vorgegangen sei. Die Folge: Rund ein Drittel des Marktvolumens sei vernichtet worden – vermutlich permanent. Die Branche habe bis dahin von einem rapiden Wachstum im Einzelhandel und exzessiver Nachfrage auf dem chinesischen Markt profitiert. Aufgrund dieser langfristigen Wachstumsperiode hätten sich die Prognosen auf die zum damaligen Zeitpunkt konstant zweistelligen Wachstumsraten gestützt. Nicht wenige Marktteilnehmer seien so in ihren hohen Erwartungen enttäuscht worden, heißt es weiter.
„Die Langzeitfolgen zeigen sich beispielsweise am Schweizer Uhrenhersteller Swatch. In 2016 wurden 26,5 Prozent der sich im Streubesitz befindlichen Aktien leerverkauft. Noch im Januar 2017 war die Aktie der am vierthäufigsten leerverkaufte Titel im STOXX Euro 600. Das Unternehmen verlor in den vergangenen Jahren fast 45 Prozent seines Börsenwertes. Ein unglaublicher Tiefflug, insbesondere für ein Unternehmen mit so starken Wettbewerbsvorteilen: Preissetzungskraft, ein Quasi-Monopol am Schweizer Uhrenmarkt, ein exzellentes Management und eine starke Liquiditätsrate. Trotz dieser komfortablen Ausgangslage könnte Swatch zu seinem derzeitigen Marktvolumen nicht einmal seine Kapitalkosten für die kommenden fünf Jahre decken. Mit seinen starken Wettbewerbsvorteilen dürfte Swatch diese zyklische Schwäche hinter sich lassen und zurück zu strukturell verbesserter Profitabilität finden können. Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese positiven Aussichten allerdings nicht eingepreist“, so El Khoury.
Benjamin Graham, der gemeinhin als Vater des Value Investing gelte, habe sinngemäß zu verstehen gegeben, dass man keine Information über das exakte Gewicht einer Person benötige, um einschätzen zu können, ob diese über- oder untergewichtig sei. Genauso scheine es naheliegend, dass Prognosen und Analysen zu Einzeltiteln aussichtslos und nicht zielführend sein könnten: Der Gewinn eines Investments hänge in erster Linie vom Preis ab, der zu Beginn bezahlt worden sei. Um verhaltensökonomische Fallen zu vermeiden, bietet sich ein fundamentales Bottom-up Stock-Picking an: Dabei sollten Investoren den Fokus auf qualitative Unternehmen mit effektivem Management legen. El Khoury und ihr Team sind davon überzeugt, dass solche Titel auf lange Sicht die bessere Performance liefern werden.
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