Kommentar
13:42 Uhr, 05.01.2015

„Die Mär vom richtigen Market Timing“

Einstiegszeitpunkte beim Aktienkauf werden überbewertet, argumentiert Dr. Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH in München.

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  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 9.697,40 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

An den Finanzmärkten ist der Blick in die Zukunft immer ein Blick im Zorn. Nichts wird einem geschenkt werden, so zeichnet es sich ab für jeden, der in den Markt einsteigen möchte. Ganz im Gegenteil: vermutlich wird man sein Geld verlieren, denn, so lautet die Erfahrung, immer wenn man kauft, fällt der Markt anschließend um mindestens ein Viertel. Jeder macht diese Erfahrung. Jedes Mal, so scheint es.

Die Kursschwankungen im Oktober dieses Jahres und das darauf folgende erneute Überschreiten der 10.000er-Marke im DAX haben nicht eben dazu beigetragen, Anlegern die Entscheidung für die Anlage ihres Vermögens zu erleichtern: War das nun eine leichte Korrektur im DAX? Oder haben wir doch eine Trendwende gesehen? Und sind das noch Kaufkurse? Wohl kaum ein Thema wird in Anlegerkreisen so intensiv und zugleich kontrovers diskutiert wie das richtige Market Timing. Wir wollten genau wissen, ob sich all die Mühe wirklich lohnt und haben nachgerechnet – bis zurück zu den Ursprüngen des Deutschen Aktienindex (DAX) vor 55 Jahren. Das Ergebnis dürfte zumindest für Börsenenthusiasten ernüchternd klingen.

55 Jahre DAX – was Anleger daraus hätten machen können

Angenommen, wir hätten im letzten Quartal 1959 begonnen, zunächst 25 Jahre lang 1.000 Euro je Monat (bzw. das damalige DM-Äquivalent) und in den folgenden 30 Jahren 2.000 Euro je Monat unter unserer Matratze anzusparen – wir blickten heute auf eine stolze Million Euro. Dem „schlauen Anleger“ mit Zug zur Aktie wäre das sicherlich nicht genug. Er hätte abgewartet und Geld angespart, bis der DAX um mindestens ein Viertel gefallen wäre, um genau zum auf den Sturz folgenden Tiefpunkt zu kaufen – so zuletzt im September 2011, bei einem Stand von 5.502 Punkten. Nach 55 Jahren hätten auskömmliche 8,3 Millionen Euro auf seinem Depotauszug gestanden – wohlgemerkt bei stetiger Aufmerksamkeit für das Börsengeschehen. Nun wissen wir aber alle, dass niemand immer den richtigen Zeitpunkt erwischen wird. In der Realität fühlt es sich eher so an, als wären wir das Gegenteil: die stets „Dummen“.

Jene „dummen Anleger“ hätten ihr Geld gespart und sich immer erst zum Kauf durchgerungen, wenn der Markt auf einem Höhepunkt vor einem mindestens fünfundzwanzigprozentigen Absturz gestanden hätte. Erstaunlicherweise hätten aber auch diese nach 55 Jahren immerhin 5,2 Millionen Euro verdient – was nur daran liegt, dass sie überhaupt investiert waren. Denn auch wenn sie immer nur zu den ungünstigsten Zeitpunkten gekauft hätten, im Nachhinein betrachtet waren auch diese Zeitpunkte noch günstig. So hätten sie erstmals am 30. September 1960 bei einem DAX-Stand von 551 Punkten gekauft und dann zugesehen, wie dieser über die nächsten zwei Jahre zunächst auf 354 Punkte gefallen ist. Aus heutiger Sicht, wo wir uns mittlerweile im Bereich der 10.000 Punkte bewegen, erscheint sogar der letzte Kaufzeitpunkt, der Juni 2011 bei 7.376 Indexpunkten, nicht so katastrophal wie ein Quartal später. Hauptsache, man hat überhaupt gekauft und sich nicht immer nur gefragt, ob es ein guter Zeitpunkt ist. Alles Weitere erledigt der Zinseszinseffekt.

Kontinuität übertrifft den besten Market Timer

Nun das eigentlich Überraschende: Hätten wir quartalsweise und unabhängig vom jeweiligen Zustand des Marktes angelegt, würde unser Depot nach 55 Jahren DAX ganze 8,5 Millionen Euro ausweisen, also gut 200.000 Euro mehr als das des Anlegers mit dem perfekten Timing. Wie aber ist es möglich, besser zu sein als der beste Market Timer? Nun, statt sein Geld arbeiten zu lassen, hortet der vermeintlich „Schlaue“ es und wartet – je nach Marktphase auch mal länger – auf seine Gelegenheit. Für den kontinuierlichen Anleger arbeitet desweilen der schon erwähnte Zinseszins – von dem Albert Einstein angeblich mal behauptet hat, der sei die größte Erfindung des menschlichen Geistes.

Wer als Anleger einen langen Zeithorizont mitbringt und es lieber bequem mag, sollte also nicht zu viel Zeit daran verschwenden, über das Market Timing nachzudenken. Wer sich darüber hinaus auch den Gedanken über das Wie und Wo des Anlegens ersparen möchte, dem sei ein vermögensverwaltender Fonds ans Herz gelegt, der sich zudem um eine ausbalancierte Mischung der Anlageklassen und Anlageregionen im Portfolio kümmert.

Autor: Dr. Georg Graf von Wallwitz

Dr. Georg Graf von Wallwitz ist Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH in München und Fondsmanager der Phaidros Funds. Von Wallwitz studierte Mathematik und Philosophie in Deutschland und England, war Visiting Fellow in Princeton/USA und ist Chartered Financial Analyst (CFA). Als Autor veröffentlicht er regelmäßig das Börsenblatt für die gebildeten Stände. Im Berenberg Verlag sind zudem die Finanzbücher „Odysseus und die Wiesel. Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte.“ (2011) und „Mr. Smith und das Paradies. Die Erfindung des Wohlstands.“ (2013) erschienen. www.eybwallwitz.de/www.phaidrosfunds.com

Dieser Artikel ist in der aktuellen Sonderpublikation der BörseGo AG "Asset Allocation" erschienen. Sie können die Publikation hier kostenlos abonnieren.

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