Die letzte Bastion im E-Commerce fällt
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Brüssel (GodmodeTrader.de) - Frischprodukte, wie Obst, Salat, Milch und Joghurt sind für die meisten Menschen unverzichtbare Lebensmittel des täglichen Bedarfs. Ebenso selbstverständlich ist der Einkauf dieser leicht verderblichen Produkte im nächstgelegenen Supermarkt. Doch mit dem Siegeszug des Onlinehandels fällt nun auch diese letzte stationäre Bastion im Einzelhandel, wie Antoine Ruotte, Buyside-Credit Analyst bei Degroof Petercam Asset Management (DPAM), in einem aktuellen Marktkommentar schreibt. „Frische Lebensmittel per Mausklick bestellen und nach Hause geliefert zu bekommen, wird schon bald flächendeckend zur Realität werden und dem Filial-Lebensmitteleinzelhandel deutliche Marktanteile abnehmen“, so Ruotte.
Auch Amazon sei nun in dieses Marktsegment vorgestoßen. Der E-Commerce-Gigant habe dafür im Juni den US-amerikanischen Lebensmittelkonzern Whole Foods Markets (WFM) zu einem Kaufpreis von fast 14 Milliarden US-Dollar übernommen. WFM sei in den USA ein sehr trendiger Einzelhändler mit moderner Aufmachung der Filialen, der auch stark auf den Bio-Trend setze. Darüber hinaus verfüge WFM über eine effiziente Versorgungslogistik für die Distribution von frischen Lebensmitteln. Die größte Hürde habe für Onlineanbieter bislang in der Lieferkette gelegen. Gerade bei Frischwaren entscheide die Schnelligkeit auch über die Qualität, heißt es weiter.
„Die Transaktion hilft Amazon dabei, durch WFMs bestehende Infrastruktur, seine hochwertigen Frischprodukte, weitläufig bekannte Hausmarken und enormen Datenmengen über Lebensmittel-Endkunden die Online-Marktführerschaft zu beschleunigen und in den USA noch erfolgreicher zu werden. WFM ist unserer Einschätzung nach Dreh- und Angelpunkt für Amazons Strategie, sich zu einer One-Stop-Shopping-Plattform zu entwickeln. Zudem ist dies ein guter Weg, um mehr Kunden dazu zu bewegen, sich für ‚Amazon Prime‘ anzumelden - eine wichtige Rentabilitätsquelle für den Online-Giganten“, erklärt Ruotte.
Innerhalb weniger Minuten nach der Bekanntgabe der Übernahme am 16. Juni seien die Aktienkurse zahlreicher großer Lebensmitteleinzelhändler eingebrochen, während Amazons Marktkapitalisierung um mehr als den Kaufwert von WFM angestiegen sei. Einzelhändler wie Ahold Delhaize, Wal-Mart und Tesco hätten bis zu neun Prozent eingebüßt, heißt es weiter.
„Der Kursrutsch unterstreicht die Sorgen der Anleger hinsichtlich des Lebensmitteleinzelhandelsmarkts, da die Transaktion den Vorstoß Amazons in den Lebensmittelmarkt beschleunigt und den Preiswettbewerb aller Wahrscheinlichkeit nach verschärfen dürfte. Unserer Ansicht nach war der Abverkauf aber überzogen. So weisen einige Lebensmitteleinzelhändler bereits die erforderliche Größe auf, um mit Amazon mitzuhalten. Darüber hinaus konzentrieren sich viele Einzelhändler bereits seit geraumer Zeit auf vielfältige Vertriebswege, wie etwa Wal-Mart mit der 2016 abgeschlossenen Übernahme von Jet.com. Die Übernahme von WFM durch Amazon könnte kurzfristig dennoch zu Verwerfungen im Lebensmitteleinzelhandelsmarkt führen und eine preisliche Neubewertung auslösen. Es könnten die Margen des gesamten Sektors unter Druck kommen und eine neuerliche Welle der Marktkonsolidierung nach sich ziehen“, kommentiert Ruotte.
Aus den enormen Mengen an Daten über die Gewohnheiten der Endverbraucher würde Amazon äußerst nützliche Informationen ziehen. Solche Daten dürfte die weltweite Nummer eins im Onlinehandel aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur nutzen, um sein Lebensmittelangebot zu optimieren, sondern vor allem, um sein Angebot an Hausmarken anzupassen und drastisch auszuweiten, heißt es weiter.
„Die künstliche Intelligenz ‚Alexa‘ würde die Speerspitze dieser Strategie darstellen und die bequemste, schnellste und günstigste Möglichkeit für den Einkauf von Lebensmitteln bieten. Der sich noch in einer recht frühen Entwicklungsphase befindende persönliche Heimassistent, für den man nicht mehr benötigt als lediglich den Klang der eigenen Stimme, könnte im Laufe der Zeit viele Haushaltsaktivitäten übernehmen. Und zwar, indem er Einkaufslisten online bestellt und daran erinnert, dass bald wieder Milch, Kaffee oder Äpfel gebraucht werden. Und warum sollte er in diesem Fall nicht die Marken Amazons vorschlagen, die rein zufällig auch die günstigsten wären?“, fragt Ruotte.
Auch in Europa würden immer mehr Verbraucher die Waren des täglichen Bedarfs online einkaufen, wenngleich zum Beispiel in Deutschland der Anteil am gesamten Einzelhandel erst ein Prozent betrage. Marktforscher gingen davon aus, dass aber schon in ein paar Jahren dieser Anteil bis auf zehn Prozent ansteigen könnte. Im Frühsommer sei Amazon auch in Deutschland in den Markt der Lebensmittellieferdienste eingestiegen. Testweise in Berlin habe der US-Riese mit ‚Amazon Fresh‘ Wurst, Käse, Obst und vieles mehr an die Kunden ausgeliefert. Doch die Konkurrenz schlafe nicht: Supermarkt-Platzhirsche wie REWE, Edeka und Kaufland mischten bereits im Online-Handel kräftig mit, heißt es weiter. „Im Moment ist der Markt zwar noch im Aufbau. Es bleibt deshalb, spannend wie sich das Segment weiterentwickelt“, so Ruotte.
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