Kommentar
07:15 Uhr, 08.12.2016

Die Inflation kommt: Wie schlimm wird es?

Spät, aber doch hat der Markt begriffen: Die Inflation kommt. Doch wie viel Teuerung kommt nun wirklich?

Man kann dem Markt nicht vorwerfen, dass er die nahende Inflation komplett ignoriert hätte. Seit Anfang Juli kam es global zu einem Zinsanstieg. Dieser wurde vor allem durch steigende Inflationserwartungen getragen. Der Anstieg war jedoch eher homöopathisch. Erst mit der Wahl Trumps ist der Markt so richtig aufgewacht. Das wurde auch Zeit.

Die Inflation wurde in den vergangenen zwei Jahren vor allem von einem Faktor nach unten gedrückt: dem Ölpreis. Die Zeiten, in denen der Ölpreis bei 100 Dollar lag, ist lange vorüber und sie werden so schnell nicht wiederkommen. Dafür fällt der Ölpreis wenigstens nicht mehr. Allein das bringt einen positiven Effekt.

Nun hat sich die OPEC nach langem Ringen für eine Förderkürzung entschieden. Ob sie dann auch durchgesetzt wird, muss man abwarten. Kurzfristig unterstützt die Einigung den Ölpreis, was auf Jahressicht zu einem merklichen Anstieg führt.

Vor einem Jahr stand der Ölpreis bei gut 40 Dollar. Heute sind es über 20 % mehr. In einem Monat wird es noch sehr viel pikanter. Im Januar 2016 lag der Ölpreis zeitweise unter 30 Dollar. Bleibt der Ölpreis dort, wo er gerade ist, dann entspricht dies auf Jahressicht einem Anstieg von 80 %. Das wird der Inflation ganz schön auf die Sprünge helfen.

Ein Geheimnis ist dieses Phänomen nicht. Grafik 1 zeigt den Vergleich der Inflationsrate in der Eurozone und den USA zur Ölpreisveränderung auf Jahressicht. Steigt der Ölpreis auf Jahressicht an, dann tut das auch die Inflation. Fällt der Ölpreis auf Jahressicht, dann zieht es die Inflation mit nach unten.

Mit dem Anstieg der Ölpreise in den letzten Wochen sehen wir eine radikale Veränderung des Basiseffekts. Der Basiseffekt beschreibt die relative Veränderung gegenüber dem Vorjahr. Zwischen Ende 2014 und Oktober 2016 hatten wir einen negativen Effekt, weil der Ölpreis im Vergleich zum Vorjahr tiefer stand. Nun haben wir den gegenteiligen Effekt. Der Ölpreis steigt gegenüber dem Vorjahr.
Nun hat der Ölpreis einen hohen Anteil am Warenkorb, aus dem die Inflationsrate berechnet wird. In den meisten entwickelten Ländern liegt der Anteil der Energiekomponente bei 10 %. Einer Milchmädchenrechnung nach würde die Inflation demnach um 1 % ansteigen, wenn der Ölpreis um 10 % steigt (10 % Preisanstieg multipliziert mit der Gewichtung von 10 % im Warenkorb).

Dass die Sache so einfach nicht ist, kann man intuitiv aus Grafik 1 erkennen. Als die Ölpreise Ende der 90er Jahre auf Jahressicht um 170 % stiegen, kam es nicht zu einer Inflationsrate von 17 %. Das liegt daran, dass nicht 100 % der Ölpreisschwankung beim Endprodukt und Endverbraucher ankommen.

In den meisten Ländern liegt der Prozentsatz, der wirklich im Warenkorb ankommt, bei 30 %. Steigt der Ölpreis um 10 %, dann kommt nicht 1 % im Warenkorb an, sondern lediglich 0,3 %. Bei einem möglichen Anstieg der Preise um 80 % auf Jahressicht würde der Effekt dann 2,4 % betragen. Die Inflation müsste also innerhalb der nächsten Monate rasant ansteigen. In den USA könnte sie 4 % erreichen und in der Eurozone 2 %.

Soweit wird es vermutlich nicht kommen. Je größer der Preisausschlag, desto geringer fällt der Übertragungssatz aus. Im Durchschnitt mag er bei 30 % liegen, doch in Extremfällen liegt er niedriger. Halbiert er sich etwa, dann steigt die Inflation in den USA auf 3 % und in der Eurozone auf 1,8 %.

Die Notenbanken wird das in Erklärungsnot bringen. Sie reden ja seit Jahren davon, dass die Inflation zu niedrig ist. Nun kommt sie plötzlich mit Gewalt zurück. Heben sie deswegen die Zinsen rasch an? Wohl kaum.

Die Kerninflation, die Nahrungsmittel und Energie ausschließt, ist nach wie vor stabil (Grafik 2) und unterhalb der Zielmarke von 2 %. Genauso wie der Ölpreis die Inflation vorübergehend nach unten drückte, drückt er sie jetzt nach oben. Notenbanker wird das nicht aus der Ruhe bringen. Sie haben noch viel Zeit, bis sich höhere Rohstoffpreise auch in der Kernrate widerspiegeln. Vor Ende 2017 ist nicht mit einem solchen Zweitrundeneffekt zu rechnen. Kommt dieser, darf man sich auch kein Wunderwerk erwarten. Der Zweitrundeneffekt des Ölpreises ist relativ gering.

Zusammengefasst kann man sagen, dass es Anfang 2017 zu einem recht großen Inflationsschub kommen wird. Die Zielmarke von 2 % kann übertroffen werden. Es ist jedoch ein vorrübergehendes Phänomen. Ende 2017 oder 2018 sieht die Sache schon wieder anders aus. Die Inflation wird sich dann vermutlich in der Nähe ihres aktuellen Niveaus einpendeln.

Clemens Schmale

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9 Kommentare

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  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Heutige Notenbankpolitik (in der BRD war es einmal anders) trägt ungefähr genausoviel zur Inflationssteuerung bei wie Klimaschutz zum Klimawandel. Die gefühlte Inflation in Deutschland seit 2002 ist so, dass die Pizza die 6 DEM kostete jetzt 9,90 Euro kostet und der Preis des Feta-Käse und Uzo in Griechenland sich im selben Zeitraum versechsfacht hat. Im europäischen Schnitt waren das dann einmal 2,2% pro Jahr und sind es heute weniger. Dafür haben 1.000 USD Waren auf Amazon dann vorher 750 Euro gekostet und kosten heute 980 Euro. In geschätzten 20 Jahren fliessen die Zahlen dann ja sogar einmal in die amtliche Statistik mit ein, von der Halbierung des Preises für das Barrel Öl habe ich leider weder an der Tankstelle noch auf der Stromrechnung viel gemerkt, aber wenn nun Das Barrel sich um 10% verteuert werden das an der Tankstelle sicher 20% mehr.

    06:57 Uhr, 09.12. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Blaeschen noch ein wenig pumpen und dann.......buff.;-)))

    10:59 Uhr, 08.12. 2016
  • Gast1
    Gast1

    Die Staaten und Notenbänker wollen doch Inflation. Außer Währungsreform und Reset gibt es doch gar keine "milde" Methode zur Entschuldung: Beispiel USA ca. 20 Tausend Milliaren

    ( http://www.usdebtclock.org/ ) !!! Japan noch schlimmer. Nur die Geschichte hat gezeigt das der Grat zwischen erhöhter Inflation und Hyperinflation schmal und gefährlich ist. Wir werden Erleben wie dieses Experiment ausgeht.

    10:02 Uhr, 08.12. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • plungeboy
    plungeboy

    Sie analysieren das Phänomen Inflation hier ziemlich eindimensional (Auswirkung der Ölpreisentwicklung auf die Inflationsrate). Völlig außer Acht gelassen wird dabei die noch nie dagewesene globale Ausweitung der Geldmengen durch die Zentralbanken, ohne dass diese durch geschaffene Werte der Volkswirtschaften abgedeckt wären. Alleine dieser Umstand wird mittelfristig zu heftig anziehenden Inflationsraten führen (zB über Abwertungen von Währungen). Ungehemmtes Gelddrucken führt zu Inflation.

    08:50 Uhr, 08.12. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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