Kommentar
07:31 Uhr, 26.01.2018

Die EZB hat ein Glaubwürdigkeitsproblem

Jede Notenbank hat ihre eigenen Probleme. Die EZB hat ein ganz besonderes. Das zeigte sich heute wieder eindrucksvoll. Die EZB bleibt ultralocker, aber Anleger reagieren, als ob die Zinsen bald durch die Decke gehen würden.

Anleger sind unglaublich bullisch, wenn es um die Geldpolitik der EZB geht. Das spiegelt sich vor allem beim Euro wider. Noch nie waren Anleger so stark long positioniert. Diese sehr einseitige Positionierung kommt nicht von ungefähr. Es wird nicht nur der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik erwartet, sondern auch gleich eine gehörige Straffung.

Aufgrund der vorherrschenden Realzinsdifferenz macht der aktuelle Euro/Dollar Kurs überhaupt keinen Sinn. Der Euro müsste zum Dollar vielmehr bei 1 als bei 1,20 stehen. Da nun aber ein radikaler Wandel der Geldpolitik erwartet wird, wird der Euro eben gekauft.

Inzwischen gehen Anleger soweit, einen ersten Zinsschritt in diesem Jahr zu erwarten. Dabei geht es nicht unbedingt um den Leitzins. Dieser steht bei 0 % und wird in diesem Jahr auch noch dort bleiben. Der Leitzins oder Hauptrefinanzierungssatz ist allerdings nicht der einzige Zinssatz, mit dem die EZB aufwartet.

Im Zentrum steht vor allem der Einlagesatz. Dieser liegt bei -0,4 %. Banken beschweren sich seit langem, dass diese Negativzinsen ihre Margen massiv schmälern. Bevor dieser Satz steigt, muss erst einmal das Wertpapierkaufprogramm beendet werden. Dies ist aktuell im September zu erwarten.

Wie Anleger auf die Idee kommen, dass dann bereits im Dezember der Einlagesatz angehoben wird, ist mir persönlich ein Rätsel. Auch wenn die EZB – wie es offiziell so schön heißt – keine Wechselkurspolitik betreibt, ist der starke Euro ein Problem und kann die Wirtschaft wieder abwürgen.

Persönlich erwarte ich nach dem Ende von QE nicht sofort einen Zinsanstieg. Die Mehrheit sieht das jedoch anders. Genau deswegen ist auch der Euro so stark. Zudem steigen auch die Langfristzinsen im Zuge dieser Erwartungen. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen verläuft parallel zur Zinserwartung. Die Anleihezinsen steigen, wenn Anleger den ersten Schritt in näherer Zukunft erwarten.

Interessanterweise haben diese Erwartungen nur bei Langfristzinsen einen Effekt. Kurzfristzinsen lassen sich kaum beeindrucken. Die Rendite einjähriger Anleihen bewegt sich trotz sich verändernder Erwartung fast gar nicht. Eigentlich sollten es die kurzfristigen Zinsen sein, die am stärksten reagieren. Das ist nicht der Fall.

Die EZB hat in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass sie die Zinsen auch nach dem Ende von QE weiterhin sehr tief lassen wird. Der Markt eilt der EZB massiv voraus. Keiner glaubt der Notenbank, dass die Zinswende so langsam sein wird wie von den Notenbankern behauptet.

Bei der US-Notenbank ist es genau umgekehrt. Hier glaubte niemand an die Zinswende. Es dauerte fast zwei Jahre bis der Markt der Notenbank abkaufte, dass es nun wirklich soweit ist. Die Fed musste Anleger praktisch zum Glauben prügeln. Die EZB hat im Gegensatz dazu alle Hände voll zu tun, um den Markt von einer sehr langsamen Zinswende zu überzeugen.

Clemens Schmale

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14 Kommentare

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  • Zukunft21
    Zukunft21

    wer glaubt den dem Draghi überhaupt noch irgend was.

    Wir zahlen die Zeche für die Südländer und alles andere ist lächerlich !

    17:36 Uhr, 26.01. 2018
  • netzadler
    netzadler

    übrigens passt der Inhalt nicht so ganz. die EZB ist zur zeit kein Thema und der euro hat sich auch nicht bewegt. die Bewegung geht vom Dollar aus.

    13:40 Uhr, 26.01. 2018
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Traue keinem Italiener nicht :-)

    10:10 Uhr, 26.01. 2018
  • netzadler
    netzadler

    die target2 Salden sind auf rekordhoch, aber über den boom der Eurozone wird frohlockt.

    das passt zwar nicht zusammen, wird aber nicht thematisiert, weil es eben doch keinen plan gibt. der spass geht mit steigendem Eurokurs jetzt nochmal richtig los.

    und es zeigt sich wieder, das Probleme nicht von den leuten gelöst werden können, welche sie verursacht haben.

    09:35 Uhr, 26.01. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    die euro käufer erkennen eher die wahrheit, durch die noch höhere verschuldung der usa durch die steuersenkung ohne gegenfinanzierung wird die wahrscheinlichkeit dass die usa aus ihren schulden herauswachsen können immer geringer.

    in der eu wird im gegensatz zur usa durch die niedrigzinspolitik der ezb und der besseren haushaltsführung die eu staatsverschuldung im verhältnisß zum bip jedoch langsam aber stetig weniger und nicht wie in den usa ungezügelt mehr.

    selbst wenn die ezb im september die ausweitung der staatsanleihekäufe um 30 mrd€ pro monat zurückfährt, werden durch die aufrechterhaltung des bestands monatlich mehr als 20 mrd€ wieder reinvestiert.

    09:28 Uhr, 26.01. 2018
  • GillBross
    GillBross

    Sorry aber, wieso sollten die kurzfristigen Zinsen stärker reagieren als die langfristigen? Mach Null Sinn und ist mal wieder ein Beweis für die Hobby-Analysten-Komune hier.

    Schönes Wochenende!

    09:17 Uhr, 26.01. 2018
  • bembes
    bembes

    wenn Draghi sagt, die Zinsen werden nicht steigen, dann werden Sie noch lange Zeit nicht steigen, da sonst Italien Pleite wäre !!!!!!

    07:36 Uhr, 26.01. 2018
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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