Der Zertifikatemarkt 2011 – was erwarten die Produktmacher?
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So schnell können sich die Zeiten ändern. Die institutionellen Investoren überschlagen sich derzeit im Gegenzug zu den noch eher vorsichtigen Privatanlegern geradezu mit Lobeshymnen auf den Aktienmarkt 2011 und blasen vehement zum Einstieg in das gewinnbringende „Sachkapital". Fast könnte man meinen, man würde rund zwei Jahre nach der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit schon wieder in der besten aller Welten leben, in der die gravierenden Probleme tatsächlich angepackt und nicht in Form eines gigantischen Verschiebebahnhofs auf den Sankt-Nimmerleinstag vertagt würden. Dabei sollten doch allein schon die beiden katastrophalen Crashs des gerade zu Ende gehenden Jahrzehnts zur Vorsicht mahnen. Aber wie man weiß, ist diesmal bestimmt alles anders und die stattliche Aufholbewegung seit März 2009 nach der Vollbremsung im Jahr zuvor nur der Beginn einer wunderbaren, über viele Jahre andauernden Hausse-Phase, wie man von vielen „Experten" jetzt wieder vermehrt zu hören bekommt. Man wird sehen, wo die Reise hingeht und die Börse selbst ist ja bekanntlich der beste Lehrmeister.
So ganz still und leise hat sich auch der Zertifikatemarkt in diesem Jahr wieder auf hohem Niveau stabilisiert und blickt man allein auf die gerade veröffentlichten Börsenumsätze für November mit einem Plus zum Vormonat von sage und schreibe 18,8 Prozent erkennt man schnell, dass sich die Branche zumindest tendenziell immer mehr zu einem Spielplatz für Kurzfristinvestoren entwickelt, die die Chancen nicht mehr allein nur bei den Aktien, sondern auch zunehmend bei Renten, Währungen und Rohstoffen suchen. Zwar wurde die interessante Frage nach der Fristigkeit der Anleger bei der diesjährigen Zertifikateerhebung des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) an immerhin 24 Emittenten, die mehr als 95 Prozent des Marktes repräsentieren, nicht explizit gestellt, doch wurden auch sonst wieder zahlreiche Themenfelder beleuchtet, darunter ganz obligatorisch auch die Geschäftsentwicklung für das fast schon zurückliegende zweite Halbjahr 2010 und die ersten sechs Monate 2011. Auch hier natürlich vorherrschend ein starker Optimismus, der sich zurückblickend mit einem Votum von fast 60 Prozent und vorausschauend mit sogar 75 Prozent ausdrückt, wenn gleich bei der Befragung vor einem Jahr noch 90 Prozent der Emittenten für das nächste Jahr von einem anziehenden Geschäft ausgingen.
Nachdem vor ein paar Monaten auch die 500.000-Produkte-Schallmauer geknackt wurde und Ende November bereits 548.784 Papiere an den Börsen in Frankfurt und Stuttgart gehandelt wurden, betraf eine weitere Frage die Anzahl der Ende 2011 gelisteten Zertifikate und Hebel-Papiere. Dabei wurde die Vorgabe mit 500.000 bereits von der rasanten Entwicklung überholt, so dass sich kaum verwunderlich über die Hälfte der befragten Häuser für eine Zahl deutlich über dieser Marke aussprachen, während der überwiegende Rest zumindest nicht mit signifikant weniger Produkten rechnet. Zum Vergleich belief sich die tatsächliche Anzahl Ende 2009 noch auf „bescheidene" 390.000. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch die Meinung der von der Emissionsflut „betroffenen" Anleger zu erfahren.
Eine beliebte Frage auch diesmal wieder gestellt nach der Komplexität der Struktur. Dass bei diesem heiklen Thema natürlich kein Anbieter nach komplizierteren Strukturen ruft, war klar, so dass sich eine klare 2/3- zu 1/3-Mehrheit für noch einfachere gegenüber gleichbleibenden Strukturen herausbildete.
Deutlich heterogener dagegen schon eher die Ergebnisse zu der Frage nach den bei Anlegern im nächsten Jahr beliebtesten Produkttypen. Zur Wahl standen Kapitalschutz-Papiere, das Zwillingspaar Aktienanleihen und Discounter, sowie Express- und Bonus-Zertifikate. Umso interessanter dafür die Antworten, die sich „nur" noch mit einem Drittel auf das Garantie-Segment (2009: 50 Prozent!), zu jeweils rund 20 Prozent auf Bonus-Produkte und Aktienanleihen, sowie zu je 12,5 Prozent auf Rabatt- und Express-Papiere verteilten. Dies mag aber noch nicht viel heißen, wurden doch gerade die Entwicklungschancen der „schnellen Truppe", der in diesem Jahr immerhin zweiten Kraft im Zertifikateland, schon bei der Vorjahresbefragung deutlich unterschätzt.
Bezeichnend für die diesjährige Entwicklung der Sieg der Aktienanleihen über den großen Bruder Discount-Zertifikate, was für den Wunsch der Investoren nach festen Kuponzahlungen spricht, auch wenn diese im Endeffekt keinen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber dem Einstiegsrabatt erbringen. Keinerlei Überraschung dagegen bei den beliebtesten Basiswerten, bei denen das Motto auch 2011 eindeutig „Indizes gegen den Rest der Welt" heißen dürfte. Ebenso stabil der 50-prozentige Anteil der Selbstentscheider unter den Anlegern aus Emittentensicht mit einem Votum von fast 92 Prozent.
Obwohl sich der Wettbewerb unter den Anbietern 2010 nach Aussage von zwei Dritteln der Befragten verschärft hat, rechnet nur jeder sechste damit, dass 2011 Konkurrenten tatsächlich auf der Strecke bleiben. Ein Drittel glaubt sogar an eine weitere Zunahme der Emittentenzahl. Als „Schlachtfeld" erweist sich dabei immer mehr der Servicebereich (50 Prozent) und die Produktqualität (33,33 Prozent). Der Möglichkeit, sich durch den Preis zu unterscheiden, wird dagegen nur eine untergeordnete Bedeutung eingeräumt.
Was 2011 anbelangt, dürfte sich der Zertifikatemarkt, von Bonitätsrisiken einmal abgesehen, aufgrund seiner Flexibilität gegenüber möglichen Kurseinbrüchen deutlich resistenter erweisen als beispielsweise der Aktienmarkt. Man denke nur an die inzwischen vorhandene Vielzahl sogenannter Reverse-Produkte, mit denen schon jetzt mutige Anleger auf fallende Notierungen setzen bzw. vorhandene Kursgewinne absichern können.
Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/Zertifikate
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