Der Weg zur weltwirtschaftlichen "Normalität" verläuft holprig
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Die anhaltend lockere Geldpolitik der Notenbanken sowie die Erholung der Wirtschaft wirkten im ersten Halbjahr 2014 unterstützend auf die Kapitalmärkte. Vor diesem Hintergrund sehen die Experten von J.P. Morgan Asset Management die weitere wirtschaftliche Entwicklung positiv.
Rückblickend war das erste Halbjahr 2014 gekennzeichnet von einer Outperformance risikoreicherer Anlageklassen. So konnten fast alle Anlageklassen das erste Halbjahr mit attraktiven Erträgen abschließen. Begleitet wurde diese Entwicklung von vergleichsweise geringen Kursschwankungen: Der Volatilitätsindex (VIX) notierte im Juni 2014 seinen tiefsten Stand seit 2007. Tilmann Galler, Kundenportfoliomanager und Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt weist jedoch darauf hin, dass die Schwankungsintensität im Jahresverlauf wieder anziehen sollte. „Die Weltwirtschaft bleibt im zweiten Halbjahr auf Erholungskurs. Allerdings sollte der Weg zur wirtschaftlichen ‚Normalität‘ stellenweise holprig verlaufen“, sagt Galler. Dies liege nicht zuletzt an möglichen anziehenden Zinssätzen in den USA, zudem gelte es, die geopolitischen Risiken nicht aus den Augenwinkeln zu verlieren. Mit Blick auf die USA verweist er darauf, dass dort die Arbeitslosenquote mit 6,1 Prozent nunmehr schneller unter den von der US-Notenbank (Fed) wichtigen Schwellenwert von 6,5 Prozent gesunken sei, als von den Zentralbankverantwortlichen erwartet wurde. Sollten die guten Nachrichten aus der Realwirtschaft weiter anhalten, könnte eine für im Sommer 2015 erwartete Zinsanhebung durch die Fed schon im Frühjahr des nächsten Jahres erfolgen. Anders sieht es in der Eurozone aus. Hier hat sich die Europäische Zentralbank dazu verpflichtet, alles Erforderliche zu tun, um dem Deflationsrisiko zu begegnen.
Europa: Aktien sind nicht mehr billig, allerdings stellen Unternehmen höheres Gewinnwachstum in Aussicht
Zwar hat sich die wirtschaftliche Erholung in einigen Ländern Europas – wie beispielsweise Frankreich – in den vergangenen Monaten verlangsamt, allerdings weist das europäische Bruttoinlandsprodukt der letzten vier aufeinander folgenden Quartale positive Wachstumsraten auf und deutet somit auf eine deutliche Erholung hin. „Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum auf moderatem Niveau im Jahr 2015 fortsetzen wird“, so Experte Galler.
Auch wenn das nominale Wachstum einiger Peripherieländer noch moderat ist, sollte die wirtschaftliche Erholung positive Impulse für die europäischen Unternehmen liefern. Zwar liegt der Gewinn pro Aktie nach wie vor unter historischen Höchstwerten, allerdings gibt es schon erste erfreuliche Anzeichen für anziehende Gewinnmargen. „Die weitere Entwicklung wird davon abhängen, ob die europäischen Unternehmen von der anziehenden Konjunktur profitieren und die Umsätze steigern können. Wenn die Unternehmen gleichzeitig in der Lage sind, ihre Kosten zu kontrollieren, werden die Gewinnmargen wieder steigen. Dies würde dem Gewinnwachstum einen weiteren Schub verleihen“ so Galler. Exportorientierte Unternehmen aus Europa leiden aktuell an der nachlassenden Wachstumsdynamik in den Schwellenländern und dem starken Euro. „Diese Widerstände werden jedoch schwächer“, sagt der Experte. Insgesamt seien Aktien aus Europa mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,3 nicht mehr billig und notieren damit leicht über ihrem 15-jährigen Durchschnitt (13,7), allerdings ergeben sich auf Sektorebene Chancen für Investoren. Auch die durchschnittliche Dividendenrendite spreche mit 3,2 Prozent derzeit für europäische Aktien, liegt diese doch deutlich über der Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen. Da für europäische Unternehmen mit steigenden Gewinnen zu rechnen sei, sollte noch ausreichend Spielraum für Dividendenerhöhungen vorhanden sein.
Schwellenländer-Aktien: Volatil, aber im historischen Vergleich fundamental günstig bewertet
Da sich das Wachstum in den Schwellenländern in den vergangenen drei Jahren verlangsamt hat, sind die Unternehmensergebnisse unter Druck geraten, was zu einer Eintrübung der Marktstimmung und zu einer erheblichen Underperformance der Aktien aus Schwellenländern führte. Daraus folgten Bewertungen, die augenscheinlich attraktive Einstiegsmöglichkeiten für langfristig orientierte Anleger bieten. „Aktien aus Schwellenländern werden derzeit beinahe zum 1,5fachen Kurs-Buchwert gehandelt – ein Niveau, das auf eine pessimistische Einstellung bezüglich der Aussichten auf eine Gewinnsteigerung hindeutet“, stellt Galler dar. Fest steht, dass das Marktwachstum der Schwellenländer seit Anfang 2011 vom Wachstum der Industriemärkte entkoppelt ist. Diese Situation ist jedoch in einer globalisierten Welt gleichermaßen selten wie unhaltbar. „Wir erwarten, dass die aktuellen Preise einen attraktiven Einstieg für langfristig orientierte Anleger darstellen. Ferner beobachten wir drei Faktoren, die unsere Erwartung einer nachhaltigeren Erholung der Unternehmensergebnisse und der relativen Performance in den Schwellenländern stützen“, so der Experte. Die Währungen der Schwellenländer verlieren seit 2011 an Wert. Den Tiefpunkt bildeten dabei starke Verluste im Sommer 2013. Die derzeit vorherrschenden schwankenden Wechselkurse in den Schwellenländern – eines der wichtigsten Ergebnisse vorangegangener Krisen – haben jedoch eine Verbesserung der Außenbilanzen in den schwächsten Ländern möglich gemacht und so den Verfall der Währungen der Schwellenländer aufgehalten. Die Verbesserung der Schwellenlandexporte aufgrund der Währungsschwäche und die schrittweise Erholung in den Industrieländern bilden den ersten Schritt, um die Märkte der Schwellenländer und der Industrieländer wieder in Einklang zu bringen. „Wir gehen davon aus, dass die Binnennachfrage folgen wird. Der letzte und wichtigste Faktor für einen Stimmungswechsel und eine Neubewertung der Anlageklasse ist eine Wende bei den Gewinnerwartungen. Dies dürfte im weiteren Verlauf des Jahres deutlicher zutage treten“, zeigt Galler auf.
Divergierende Notenbankpolitik – Unterschiedliche Geldpolitik stellt mögliche Volatilitätsquellen dar
Anders als von vielen Experten erwartet, entwickelten sich die internationalen Anleihemärkte seit Jahresanfang überraschend gut. Schwache BIP-Zahlen aufgrund des harten Winters aus den USA und technische Aspekte führten zu einer Rally der US-Treasuries. Beide Effekte sind nach Ansicht der Experten von J.P. Morgan Asset Management temporärer Natur und sollten sich im weiteren Verlauf des Jahres wieder umkehren. Zwar rechnen Investoren noch damit, dass die Zinsanhebung in den USA und Großbritannien erst in der zweiten Jahreshälfte 2015 erfolgen, „sollten die guten Nachrichten aus der Realwirtschaft anhalten, dürften aber sowohl die Zentralbanken als auch die Anleger ihre Einschätzung revidieren“, so Galler. Die Konsequenz einer Neubeurteilung der geldpolitischen Entwicklung wäre eine kurzfristig zunehmende Marktvolatilität. „Steigende Zinsen per se stellen für Aktien keine grundsätzliche Gefahr dar“, beruhigt der Experte. Entscheidend ist von welchem Niveau die Zinsen ansteigen. Beginnt der Zinsanstieg von einem niedrigen Niveau und stellt dies das Ergebnis einer wirtschaftlichen Erholung und einer besseren Auslastung der Volkswirtschaft dar, können Aktien nach bisherigen Erfahrungen sehr gut mit dieser Situation umgehen. Der Grund: Die Kurse werden durch steigende Unternehmensgewinne gestützt. Dieses Verhältnis kippt jedoch ins Negative, wenn das Ausgangsniveau des Zinsanstiegs höher liegt und die Ursache primär die Inflationsbekämpfung einer überhitzten Volkswirtschaft ist.
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