Kommentar
06:24 Uhr, 02.08.2016

Der späte Brexit-Schock

Nun kommen sie doch, die Nachwirkungen des Brexit. Ganz besonders ist dies bei den Bürgern zu erkennen.

Konsumentenvertrauen bricht ein

Es ist schon abstrus. Die Mehrheit der Bürger hat für den Brexit gestimmt. Eigentlich sollten sie sich doch nun freuen, dass sich der Wille der Mehrheit durchgesetzt hat. Die Laune müsste entsprechend gut sein und die Stimmung ausgelassen, doch Fehlanzeige. Das Konsumentenvertrauen ist im Juli so stark eingebrochen wie zuletzt vor 26 Jahren.

Die Absurdität dieser Entwicklung macht einen fast sprachlos. Viele haben für den Brexit gestimmt, weil sie sich dadurch eine bessere Perspektive erhofften. Werden die Grenzen wieder dichtgemacht, dann sollten nach einfacher Milchmädchenrechnung mehr Jobs für Briten vorhanden sein.

Pro-Brexit Politiker versprachen dem Wahlvolk „blühende Wiesen“ nach dem Austritt aus der EU. Alles sollte besser werden, so wie damals, vor dem Beitritt vor über 40 Jahren. Und nun das! Keiner ist mehr begeistert, spricht von blühenden Wiesen. Gefeiert wurde bereits vor dem Referendum. Jetzt kommt der Kater.

Die Grafik zeigt die Entwicklung des Konsumentenvertrauens. Der Einbruch im Juli ist historisch fast einmalig und zeigt wie besorgt die Bürger nun auf einmal sind. Von Freude über den Wahlerfolg kann man da wohl nicht sprechen.

Fairerweise muss man sagen, dass das Sentiment noch immer auf einem soliden Niveau notiert. Für das Wirtschaftswachstum bedeutet der Einbruch derzeit noch nicht viel. Der Vergleich mit dem Wachstum zeigt, dass es einen länger anhaltenden Trend braucht, um auch die Wirtschaft wirklich zu kippen. Dazu fehlt der Trend ebenso wie das Ausmaß der schlechten Stimmung.
Konsumenten sind nun zwar verunsichert und blicken mit Sorge in die Zukunft, doch mehr als die Konsumausgaben auf sehr kurzfristige Sicht zu begrenzen, ist nicht zu erwarten. Der Konsum dürfte über den Sommer einen Dämpfer erhalten, doch sofern sich die Stimmung bis Oktober nicht weiter eintrübt, muss mehr als ein kleiner Rückgang des Wachstums nicht befürchtet werden.


Die Stimmung wird sich vor allem dann wieder aufhellen...

...wenn die meisten bemerken, dass erst einmal gar nichts geschehen wird. Auf Sicht mehrerer Jahre wird sich an den Verpflichtungen und Rechten Großbritanniens wenig ändern. Unternehmen werden zweifelsohne abwarten, wie sich die Verhandlungen gestalten und entsprechend mit Investitionen zurückhaltender sein. Unterm Strich reicht das jedoch nicht für eine ausgewachsene Rezession.

Anleger sehen das anscheinend ähnlich. Der FTSE 100 steht heute höher als vor dem Referendum. Der Index beinhaltet viele internationale Konzerne, die an der Londoner Börse notieren, aber wenig Geschäft in Großbritannien haben. Dazu gehört eine ganze Reihe an Rohstoffunternehmen. Hier ist die Rally vor allem mit der Abwertung des Pfund zu begründen. Die Unternehmen erzielen ihre Einnahmen in Dollar und können so in der Berichtswährung mehr Umsatz und Gewinn ausweisen.

Lesen Sie dazu auch: Großbritannien schafft es auch ohne die EU

Der stärker von britischen Unternehmen geprägte FTSE 250 konnte sich noch nicht wieder komplett freischaufeln, aber auch dieser Index steht in etwa auf dem Niveau, welches vor dem Referendum erreicht wurde. Weder Großbritannien noch der EU droht die ganz große Krise. Ein Dämpfer wird kommen, aber nicht mehr.

Es scheint sich trotzdem immer mehr herauszustellen, dass der Ausgang des Referendums irgendwie ein Unfall war. Wenn diejenigen, die für den Austritt gestimmt haben, plötzlich in ein Stimmungsloch fallen, dann stimmt da doch etwas nicht. Von Freude über das Ergebnis kann man jedenfalls nicht reden.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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