Kommentar
14:24 Uhr, 13.11.2020

Der größte Momentum-Crash der Geschichte

Am Montag ist etwas passiert, das eigentlich so unwahrscheinlich ist, dass es statistisch gesehen in vielen Milliarden Jahren nicht ein einziges Mal hätte auftreten dürfen...

Am Montag meldeten Pfizer und BioNTech, dass ihr Covid-Impfstoff eine Wirksamkeitsrate von mehr als 90 Prozent habe. Der Markt reagierte sofort: Nicht nur schossen der DAX und andere Indizes um mehrere Prozentpunkte nach oben, sondern es kam auf Basis der Einzeltitel auch zu einer dramatischen Rotation: Die "Gewinneraktien" der Vormonate, größtenteils Profiteure der Corona-Pandemie und der "Stay-at-Home Economy", brachen deutlich ein. Die "Verliereraktien", zum Beispiel aus den Bereichen Luftfahrt, Touristik oder Entertainment, sprangen binnen Minuten oft um 20 oder 30 Prozent in die Höhe.

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Momentum-Crash. Kurstrends der Vergangenheit kehren sich plötzlich in ihr Gegenteil um. Was Monate lang gestiegen ist, das fällt plötzlich. Und was gefallen ist, das steigt.

Solche Momentum-Crashes gibt es zwar immer wieder, der Momentum-Crash am Montag war aber der größte aller Zeiten, wenn man einzelne Tage betrachtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des JPMorgan-Quants Marko Kolanovic. Die Kursbewegungen bei Einzeltiteln am Montag waren demnach ein sogenanntes 15-Sigma-Event. Das bedeutet, dass die Bewegungen so extrem unwahrscheinlich sind, dass sie statistisch gesehen eigentlich nur in 10 hoch 48 Jahren einmal durchschnittlich auftreten dürften. Das ist etliche Zehnerpotenzen höher als die Zeit in Jahren, Tagen oder auch Sekunden seit dem Urknall.

Tatsächlich sind extrem unwahrscheinliche Entwicklungen allein in den vergangenen Jahren immer wieder aufgetreten, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzkrise von 2008 und der Corona-Pandemie. Allein im Zuge des Corona-Crashs gab es etliche dieser "High-Sigma-Events", für die die Wahrscheinlichkeit so gering ist, dass sie auch in Milliarden Jahren eigentlich nicht auftreten sollten, und schon gar nicht gehäuft.

Das zeigt, dass an der Art und Weise, wie Kursbewegungen aus wissenschaftlich-statistischer Perspektive betrachtet werden, offenkundig etwas faul ist. Kursbewegungen halten sich eben in der Realität nicht an die Normalverteilung, die zum Beispiel auch Grundlage der Effizienzmarkthypothese ist, die lange Zeit die wissenschaftliche Diskussion beherrscht hat. Das ist zwar schon lange bekannt, wurde von Theoretikern aber lange ignoriert.

Ein empfehlenswertes Buch im Zusammenhang mit diesen extrem unwahrscheinlichen Kursbewegungen ist "The Black Swan" von Nassim Nicholas Taleb. Taleb wies am Vorabend der Finanzkrise darauf hin, dass an den Märkten ständig Dinge passieren, die aus statistischer Perspektive so unwahrscheinlich sind, dass sie eigentlich überhaupt nie auftreten dürften und dass deshalb auch die meisten Risikomodelle, die bei Banken und Versicherungen zum Einsatz kommen, keine Relevanz für die Realität haben. Ein weiterer Mahner, der schon seit Jahrzehnten auf diesen Umstand hinweist, ist der Mathematiker Benoît Mandelbrot, dessen Buch "The (Mis)behaviour of markets" ebenfalls sehr lesenswert ist, wenn man sich für diese Fragestellungen interessiert.

Um eine Erklärung für die Widersprüche zwischen wissenschaftlichen Modellen und der Realität zu finden, muss man nicht unbedingt über hohen statistisch-mathematischen Sachverstand verfügen. Es reicht völlig aus, sich klar zu machen, dass die Märkte zu einem großen Teil eben auch von menschlichen Emotionen getrieben werden. Und menschliche Emotionen halten sich an keine Normalverteilung.


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21 Kommentare

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  • MC500
    MC500

    Das waren ja keine menschlichen Emotionen, sondern auf bestimmte Signalworte (z.B. „Impfstoff“) programmierte Computerprogramme, die in Windeseile umschichten. Die komplette Bewegung fand in ein paar Minuten statt. In den folgenden Tagen haben dann Menschen sie zum Teil rückabgewickelt.

    09:30 Uhr, 14.11. 2020
  • DiNase
    DiNase

    >29500. Nice.

    21:38 Uhr, 13.11. 2020
  • Dirk69
    Dirk69

    Die Börsen haben sich von der Realwirtschaft sowieso völlig abgekoppelt, daher kann man mit Statistiken und mathematischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen gar nichts mehr vernünftig erklären. Aus meiner Sicht liegt die Ursache im Finanzsozialismus, der sich von Krise zu Krise mit Hebeleffekt verschärft. Mit Finanzsozialismus meine ich das Fluten der Märkte mit neu gedrucktem Geld, da die Notenbanken kein anderes Pulver wie Zinssenkungen o.ä. nicht mehr haben, außer Negativzinsen. Das ganze wird in naher Zukunft eskalieren und mit einem riesen Knall uns allen um die Ohren fliegen. Was dann passieren wird, daran mag ich nicht denken, jedoch kann und sollte man sich so langsam drauf vorbereiten. Aus dieser Spirale gibt es jetzt keinen Ausweg mehr, der Knall wird unweigerlich kommen, da bin ich mir relativ sicher. Jetzt werden einige denken: "was für ein Verschwörungstheoretiker", der bin ich aber nicht. Hierbei geht es nicht um eine Verschwörungstheorie, sondern um Tatsachen, wenn man sich die Maßnahmen der Notenbanken anschaut und diese mit vorherigen Krisen vergleicht. In unserem gesamten Finanzsystem gibt es ein immer größer werdendes Krebsgeschwür, das nicht mehr therapierbar ist und unweigerlich zum Exitus führen wird. Besonders betroffen ist aus meiner Sicht der Euro. Der USD wird noch etwas länger durchhalten. Meine Meinung

    17:17 Uhr, 13.11. 2020
    3 Antworten anzeigen
  • DiNase
    DiNase

    Et voila: Sommer-Urlaub 2021 nur mit Corona-Impfung? Finnlands Pseudo-Mutti stößt Debatte an. >>> Welcome to the New Wealth Order/ New Health Order.

    16:20 Uhr, 13.11. 2020
  • 8193
    8193

    Ist die Liste nicht schon ein bißchen lang für lauter so "extrem seltene" Ereignisse...

    16:12 Uhr, 13.11. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • torus
    torus

    Die (Un)wahrscheinlichkeit, die hier vorausgesetzt wird, scheint nicht die starke Verflechtung der Werte und die damit zwangsläufige Korrelation in Betracht zu ziehen. Wer die Flugbahn eines einzelnen Vogels als atomare Untersuchungseinheit heranzieht, dem muss das ästhetisch koordinierte Schwarmverhalten einer Starenwolke wie eine Jahrmilliarden-Ereignis anmuten. Dem Auge scheint es aber durchaus schlüssig zu sein.

    16:02 Uhr, 13.11. 2020
  • LukiLuke
    LukiLuke

    "..für eine "Krankheit", die man in aller Regel überhaupt nur bemerkt, wenn man sich darauf testen lässt und bei der die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, nahe 0 ist."

    Ich kann ihnen mit persönlichen erfahrungen sagen, dass diese Informationen so nicht stimmen

    15:52 Uhr, 13.11. 2020
  • DiNase
    DiNase

    Prepare for another 15 Sigma event

    https://twitter.com/Gerald Celente...

    15:01 Uhr, 13.11. 2020
  • DiNase
    DiNase

    Sachen gibts, die gibts gar nicht ... Aktien rauschen hoch wegen eines Impfstoffs für eine "Krankheit", die man in aller Regel überhaupt nur bemerkt, wenn man sich darauf testen lässt und bei der die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, nahe 0 ist. 😎.

    14:48 Uhr, 13.11. 2020
    3 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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