Fundamentale Nachricht
14:16 Uhr, 15.02.2018

Der Dollar-Blues

Der US-Dollar dürfte nach Einschätzung von Didier Saint-Georges, Managing Director und Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac, eher einem Abwertungstrend folgen, auch wenn er sich nicht so leicht geschlagen geben werde.

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  • EUR/USD
    ISIN: EU0009652759Kopiert
    Kursstand: 1,24920 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Paris (GodmodeTrader.de) - Selbst die angesehensten Ökonomen der Welt haben bei ihren Versuchen, die Wechselkurse vorherzusagen, fast nur schlechte Erfahrungen gemacht. Es müssen zig Parameter in Betracht gezogen werden, die alle unbeständig, miteinander verknüpft und von unterschiedlicher Bedeutung sind. Insofern werden Vorhersagen im Währungsbereich oftmals zu einer fortwährenden Übung in Demut, wie Didier Saint-Georges, Managing Director und Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Trotz dieser Schwierigkeiten bei der Vorhersage komme man nicht umhin, zu versuchen zu verstehen, was vor sich gehe. Vor allem heute, da die Trends von 2017 sich zu Beginn dieses Jahres fortzusetzen schienen. Die kurzfristige Stärke des US-Dollar Ende 2016 nach der Wahl von Donald Trump habe einer ziemlich einfachen und wörtlichen Auslegung des Versprechens des republikanischen Präsidentschaftskandidaten entsprochen: der Stärkung der Leistungsfähigkeit der US-Wirtschaft in allen Bereichen, heißt es weiter.

„Dies steigerte die Attraktivität der in der US-Währung getätigten Investitionen. 2017 kam es aber zu einer grundlegenden Trendumkehr, die näher betrachtet werden sollte. In diesem Jahr, wertete der Dollar gegenüber sämtlichen Währungen stark ab. Spiegelbildlich zu dieser Entwicklung wertete der Euro stark auf, und dies auf aufsehenerregende Weise gegenüber dem Dollar (plus 14 Prozent), aber auch gegenüber den wichtigsten Währungen der Welt (plus zehn Prozent). Die Untersuchung muss demnach auf beiden Seiten des Atlantiks erfolgen“, so Saint-Georges.

Erste Spur: der Bumerang-Effekt. Das Jahr 2016 sei ein Fingerzeig auf alle Gefahren für die Eurozone gewesen. Seien der Brexit-Entscheid und die Wahl Donald Trumps ein Vorgeschmack auf eine Woge des Populismus bei den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden gewesen, die für die Einheitswährung fatal wäre? Dem sei nicht so gewesen, und der Abgesang auf den Euro habe sich als stark übertrieben erwiesen, heißt es weiter.

„Zweite Spur: das Wirtschaftswachstum. Nicht nur ist das politische Risiko in der Eurozone verschwunden, sondern die Aufhellung der Konjunktur in Europa hat selbst die größten Optimisten überrascht. Vermutlich hatte ein wahrgenommenes politisches Risiko die Erholung der Investitionen und das Vertrauen der Verbraucher gehemmt. Gleichzeitig ließen die wiederholten Misserfolge der Trump-Regierung bei der Umsetzung ihres Wirtschaftsprogramms Zweifel aufkommen, ob das Vertrauen der amerikanischen Verbraucher und Unternehmen sich in einem deutlichen Anstieg der Aktivität niederschlagen würde. Tatsächlich übertraf das Wachstum der Eurozone 2017 erstmals seit 2008 leicht das Wachstum in den USA“, so Saint-Georges.

Dritte Spur: der Außenhandel. Der Wert einer Währung werde logischerweise durch die Außenhandelsbilanzen eines Landes beeinflusst. Ein Land oder eine Zone mit Überschüssen in der Handelsbilanz (genauer gesagt der Leistungsbilanz) löse automatisch Käufe seiner Währung durch die Kundenländer aus, um die Einfuhren zu bezahlen. In der Folge entstehe für diese Währung ein Aufwärtsdruck. So weise die Eurozone, hauptsächlich dank Deutschland, einen Leistungsbilanzüberschuss von mehr als drei Prozent gegenüber einem Defizit von über zwei Prozent für die USA auf. Diese Situation sei jedoch nicht neu und habe den Euro nicht daran gehindert, von 2014 bis 2016 abzuwerten. Sie stelle lediglich einen stützenden Faktor für die Einheitswährung dar. Denn die wesentlichen Gründe lägen vermutlich woanders: im „Status“ der Währung selbst, heißt es weiter.

„Diese vierte Spur lässt sich nur schwer beziffern, ist jedoch entscheidend. In den Jahren nach seiner Einführung gewann der Euro an Akzeptanz und Glaubwürdigkeit als neue internationale Reservewährung. Dies wurde jedoch 2008 im Zuge der großen Finanzkrise jäh zunichtegemacht. Infolgedessen konnte die noch wackelige Konstruktion der Eurozone und ihrer Währung nicht mit der US-Währung mithalten. Das galt umso mehr, als sich die Eurozone in den Jahren 2010-2011 dem wirtschaftlichen und 2016 dem politischen Abgrund näherte. Während dieser langen, schwierigen Phase wurde der Anteil des Euro an den Währungsreserven der großen Zentralbanken der Welt unaufhaltsam bis auf ein Niveau zurückgefahren, das dem Ausgangsniveau nach der Einführung der Einheitswährung vor 18 Jahren entsprach“, so Saint-Georges.

Gleiches gelte für den Anteil des Euro in den Portfolios der großen internationalen Kapitalanleger. Mittlerweile stellten sich diese Kapitalanleger Fragen über die politischen und wirtschaftlichen Erfolgschancen einer neuen deutsch-französischen Achse. Sie hätten ihr langfristiges Vertrauen in den Euro noch nicht wiedergefunden. Aber der Euro stelle wieder zunehmend eine Perspektive dar. Und er habe umso mehr Potenzial, als die Alternative aus den USA derzeit fragwürdig erscheine. Die bewusste Verringerung des wirtschaftlichen und geopolitischen Engagements der USA rund um den Globus (von der Transpazifischen Partnerschaft über das internationale Klimaabkommen bis hin zur Gefährdung des NAFTA und zum Nuklearabkommen mit dem Iran) schwäche den globalen Status des Dollar. Und diese Schwäche sei in höchstem Maße vereinbar mit den wirtschaftlichen Prioritäten der Trump-Regierung, die bekanntlich auf eine schwächere Währung setze, um für das heiß diskutierte „Problem“ einer sehr negativen Außenhandelsbilanz Abhilfe zu schaffen, heißt es weiter.

„Insgesamt dürfte der Dollar eher einem Abwertungstrend folgen, auch wenn er sich nicht so leicht geschlagen geben wird. Der Euro wird in diesem Fall als eine der ersten Währungen profitieren können, falls die politische und wirtschaftliche Dynamik seinen Aufschwung bestätigen kann“, so Saint-Georges.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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