Kommentar
11:00 Uhr, 04.03.2010

Der Albtraum jedes Bankberaters

In mehreren Erhebungen zu den Trends 2010 sprach sich die Zertifikate-Branche fast einhellig für eine Vereinfachung der Strukturenvielfalt aus. Eher mit nein dürfte bei den Befragungen wohl die WestLB gestimmt haben, die im Rahmen ihres aktuellen Zeichnungskalenders wieder einmal zeigt, dass es Trend hin oder her auch noch anders geht. Dabei will man nicht einmal von Produkten wie dem aktuellen Top7-Bond Deutschland (WLB3JE) sprechen, der im Stile längst vergangener Tage eine gestaffelte Kupon-Struktur in Abhängigkeit von der Einhaltung einer definierten Verlustschwelle auf einen riesigen Aktienkorb loslässt. Nein, auch eine etwas andere Form eines Equity-Basket-Bonds dürfte bei den Beratern an den Bankschaltern so manches graue Haar etwas früher zum Vorschein bringen. Die Rede ist von der neuen sechsjährigen „Memory"-Anleihe, die nach der ersten Emission im Juli 2009 jetzt bereits in der zweiten Auflage erscheint. Als Basiswert fungiert diesmal ein Korb bestehend aus 12 DAX-Titeln.

Bei dem Papier, das mit den inzwischen unter diversen Bezeichnungen bestens eingeführten „Memory"-Express-Zertifikaten außer dem Namen wenig gemein hat, kann sich der Anleger von vornherein auf eines verlassen, die vollständige Kapitalgarantie zum Laufzeitende, wobei die Einbindung der WestLB in das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe sicherlich von Nutzen sein könnte.

Für die Rendite-Komponente sollte man sich aber auf jeden Fall schon einmal den Taschenrechner zurechtlegen, da man hier in Bezug auf die Nachvollziehbarkeit sonst schnell an seine Grenzen stößt und das, obwohl sich die Wertentwicklung bei diesem Produkt zunächst auf die Gesamt-Performance des gleichgewichteten Baskets und nicht wie bei so manchem anderen Produkt auf jede Einzelaktie nach dem „Worst-of"-Prinzip bezieht. Dabei wird in den ersten fünf Jahren der Laufzeit maximal ein Kupon von sieben Prozent ausgezahlt, je nachdem wie sich der Basiswert seit dem Emissionszeitpunkt entwickelt hat. Von der aktuellen Performance am betreffenden Stichtag werden korrekterweise die bereits ausgeschütteten „Zinsen" abgezogen. Sollte darüber hinaus einmal eine Restrendite gegenüber dem Ausgangsniveau übrig bleiben, kommt der „Memory"-Aspekt ins Spiel, wobei der „Überschuss" automatisch in einen zusätzlichen „Zinsspeicher" wandert, der in weniger guten Folgejahren den Kupon bei Bedarf wieder bis zur Zielmarke von sieben Prozent auffüllen kann. Diese Begrenzung fällt im sechsten Jahr weg. Die mögliche letzte Ausschüttung berechnet sich dann aus der Differenz zwischen der höchsten an einem Stichtag festgestellten Wertentwicklung des Baskets im Vergleich zu dessen Startniveau, abzüglich aller bereits erstatteten Zinsen, wodurch auch die noch im Zinsspeicher vorhandenen Renditen vollständig erfasst werden.

Als wenn es noch nicht schwierig genug wäre, gilt es bei der jeweiligen Berechnung des Basketwertes einen weiteren Punkt zu beachten, der wegen der Komplexität des Kuponzahlungs-Mechanismus bisher noch gar nicht in die Erklärung miteinbezogen werden konnte. So geht jede Einzelaktie nicht wie eingangs beschrieben jedes Jahr mit ihrer tatsächlichen Kursentwicklung in die Korb-Performance ein, sondern es werden jährlich die zwei besten Titel herausgepickt und deren Wertentwicklung auch für die weiteren Jahre festgeschrieben. Sollte es in den ersten beiden Jahren nur Verlierer geben, wird bei diesen für die Zukunft zumindest ein unverändertes Niveau unterstellt. Durch dieses Prinzip wird das Entwicklungspotential des Aktienkorbes von Jahr zu Jahr immer starrer und für den Anleger weniger nachvollziehbar. Wie gut, dass der Emittent deshalb auf seiner Internetseite für das Start-Produkt, bei dem im Juli der erste Zahlungstermin ansteht, bereits eine Kupon-Prognose abgibt. Infolge der überwiegend positiven Börsenentwicklung im vergangenen halben Jahr fällt diese wie kaum verwunderlich positiv aus, d.h. es werden aus heutiger Sicht wohl die vollen sieben Prozent ausgeschüttet.

Der BörseGo Tipp:
Aufgrund der notwendigerweise sehr ausführlichen Darstellungsweise kann sich jeder Anleger fast schon selbst einen Reim auf die neuen „Memories" machen, die geschickt auf der Erfolgswelle der gleichnamigen Express-Papiere reiten. Für die typischen Retailkunden am Banktresen und wohl auch für viele ihrer dabei um ihren Job nicht gerade zu beneidenden Berater wird diese Form von Kapitalschutz-Produkten wohl allzu oft „ein Buch mit sieben Siegeln" bleiben. Der vielzitierte Satz „man solle nur das kaufen, was man wirklich versteht", wird hier geradezu ad absurdum geführt.

Memory-Anleihe

Emittent/WKN:

WestLB / WLB3JH

Laufzeit:

06.04.2016

Preis: (in Zeichnung: 01.03.10–26.03.10)

Ausgabepreis: 100 % (zzgl. 2 % Agio)

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

Wir würden uns freuen, wenn auch Sie sich an unserer wöchentlichen Zertifikate-Umfrage auf unseren beiden Internet-Portalen http://www.godmode-trader.de/Zertifikate bzw. http://www.boerse-go.de/ beteiligen würden.

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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