Fundamentale Nachricht
16:38 Uhr, 25.11.2015

Der Abbau der Staatsschulden

  • Deutschland hat unerwartet große Fortschritte bei der Verringerung seiner Staats­schulden gemacht.
  • Wenn nicht etwas Unvorhergesehenes passiert, wird das Schuldenstandskriterium des Maastricht-Vertrages (60 % des BIP) in den nächsten Jahren wieder erreicht.
  • Die Erfolge haben aber einen Preis. Das Wachstum war niedriger, Investitionen und Reformpolitik wurden vernachlässigt. Das hat auch Konsequenzen für den Anleger.

Lange Zeit dachte ich, dass wir von der hohen Staatsver­schuldung nie wieder herunterkommen würden. Das Maas­tricht-Kriterium, nach dem der Staat nicht mehr Kredite als 60 % des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen darf, gehöre endgültig der Vergangenheit an. Wann hat es das je gege­ben, dass der Staat Schulden zurückzahlt?

Umso mehr war ich überrascht, als ich jetzt auf eine Statis­tik stieß, die das Gegenteil belegt. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand in Deutschland, die im Jahre 2010 nach der großen Finanzkrise auf über 80 % gestiegen war, liegt in diesem Jahr nur noch bei 71 %. In den nächsten vier Jahren wird sie nach der Projektion der Bundesregierung auf 61 % zurückgehen. Das ist nicht mehr weit von den 60 % entfernt. Natürlich ist die Prognose mit Risiken ver­bunden, vor allem, wenn die Flüchtlingszahlen weiter an­stei­gen. Aber ganz unplausibel ist sie nicht.

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Quelle: BMF

Diese Entwicklung ist in der Europäischen Währungsunion einmalig. Es gibt kein großes Mitgliedsland, das einen sol­chen Erfolg aufzuweisen hat. Im Euroraum insgesamt sind die Schulden sogar gestiegen, zuletzt auf 94 %.

Wie kam es zu diesem Rückgang? Jeder denkt dabei zu-erst an sparsame Haushaltspolitik. Sie spielte in der Tat eine wichtige Rolle. Die öffentlichen Defizite sind von 100 Milliarden Euro im Jahre 2010 auf die berühmte "schwarze Null" zu­rückgeführt worden. Das war freilich nicht allein der Spar­samkeit des Finanzministers zu danken. Hinzu kam der Rückgang der Zinsen, der die Zinsausgaben verringerte. Zudem sind die Steuern stärker als das Sozialprodukt ge­stiegen. Deutschland hat heute eine der höchsten Steuer­quoten der Nachkriegszeit.

Aber Sparen ist nicht alles. Ein zweiter Grund ist das Wirt­schaftswachstum. Der Staat hat per Saldo nicht Kredite zu­rückgezahlt. Er hat nur nicht mehr so viel neues Geld aufge­nommen. Die Verschuldung ist langsamer gewachsen als das Bruttoinlandsprodukt. Derzeit betragen die Schulden der öffentlichen Hand immer noch über zwei Billionen Euro.

Ein dritter Grund ist, dass sich die Altlasten aus der Banken­sanierung in der Finanzkrise verringerten. Die Bad Banks, mit denen die Regierung nach der Lehman-Pleite einige Banken rettete, haben Forderungen verkauft. Damit verrin­gerten sich ihre Verbindlichkeiten und die Schuldenquote ging zurück.

»Der Rückgang der Schuldenquote ist ein beachtlicher Erfolg … Er hat aber seinen Preis.«

Insgesamt ist der Rückgang der Schuldenquote ein beacht­licher wirtschaftspolitischer Erfolg. Er beweist, dass hohe Staatsschulden nicht gottgegeben sind. Sie können, wenn man nur will und es entschlossen angeht, reduziert werden. Das ist auch ein Beispiel für andere Länder in der Wäh­rungsunion. Maastricht ist nicht unerreichbar. Es kann nach wie vor als Maßstab gelten.

Zudem: Eine solche Entwicklung stärkt das Vertrauen der Bürger in die Regierung. Das Standing des Landes an den internationalen Kapitalmärkten wird verbessert. Die Finanz­politik hat bei niedrigeren Schulden mehr Spielraum, um
auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können. Das kommt uns gerade jetzt bei der Flüchtlingskrise zugute.

Andererseits hat die Rückführung der Staatsquote einen Preis. Wenn der Staat seine Haushalte in Ordnung bringt, dann verringert sich dadurch das Wirtschaftswachstum. Das war für Deutschland in den letzten Jahren tragbar. In ande­ren Ländern mit niedrigerem Wachstum und höhe-rer Ar­beitslosigkeit wäre das ungleich schwieriger gewesen. Hinzu kommt, dass Sparen leicht zu Lasten der Investitio­nen geht. Es ist der Bereich, wo man die Ausgaben am leich­testen reduzieren kann. In Deutschland hat sich die Infra­struktur zuletzt spürbar verschlechtert. Straßen und Brücken wurden nicht mehr richtig in Stand gehalten. Die Bahn hat ständig Verspätung. An den Schulen fehlt es überall. Das verschlechtert die Lebensqualität.

Das heißt: Sparen und Rückführung der Schulden sind gut, sie sind aber für ein Land nicht alles. Es werden auch Inves­ti­tionen gebraucht. Institutionen müssen reformiert, das Re­gelwerk der Gesellschaft an die veränderten Notwendigkei­ten angepasst werden. Das wurde in Deutschland bei allem Fokus auf das Sparen vernachlässigt. Die letzte große Re­form fand hier vor mehr als zehn Jahren statt. Spanien und Italien haben in den vergangenen Jahren mehr zur Moderni­sierung ihrer Strukturen getan. Deutschland ist international zurückgefallen.

So etwas kann man sich eine gewisse Zeit leisten. Aber wenn man nicht rechtzeitig umsteuert, kann es eines Tages kritisch werden. Deutschland war nach der Wiedervereini­gung schon einmal in ein tiefes Loch gefallen. Es hat Jahre gedauert und war mit schmerzhaften Anpassungen verbun­den. Das sollten wir vermeiden. Die britische "Financial Times" schrieb in der letzten Woche "Das deutsche ökono­mische Modell braucht ein Upgrade".

Für den Anleger

Der Rückgang der Staatsverschuldung ist eine gute Nach­richt für die Bonität deutscher Staatspapiere. Für Aktien ist das Fehlen von Investitionen und Reformen dagegen nega­tiv. Anleger müssten sich eigentlich nach anderen Märkten in Europa umsehen. Andererseits ist der DAX aufgrund sei­ner Größe und Liquidität nach wie vor der bedeutendste Markt in Europa. Er profitiert auch von den Verbesserungen in anderen Ländern der Gemeinschaft. Man braucht sich al­so noch nicht aus dem DAX zurückziehen.

6 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Ich sehe nur, dass Linke und Grüne in Gemeinden, Städten, Kreisen und Ländern darauf brennen, Geld auszugeben, das vorgeblich nicht da ist (weil es sich die öffentliche Hand als Gehalt ausbezahlt hat). Sollte also eine Tendenz nach links anhalten, muss man nicht lange überlegen, wo das hin führen wird.

    11:46 Uhr, 26.11.2015
  • kingkong007
    kingkong007

    Das einzige was hier abgebaut wird, sind die Arbeitsplätze.

    Die großen Konzerne verschlingen Milliarden an Fördergeldern,

    und zum Dank werden Arbeitsplätze abgebaut.

    08:55 Uhr, 26.11.2015
  • Mitdenker
    Mitdenker

    :-) ja wenn ich immer nur nach hinten schaue sehe ich nicht, dass vor mir ein Abgrund kommt. Dass die Zahlen sowieso gefaked sind, sieht man wenn man sich mal das BIP in DE anschaut.. 0,4 ist nun wirklich nicht der Rede wert. Aber wehe China hat nicht 6,5 dann ist Weltuntergang :-)

    Sei es drumm die Schulden werden über die Notenpresse finanziert bis es peng macht... Also alle tief Luft holen und pusten

    07:28 Uhr, 26.11.2015
  • lusche
    lusche

    Genial, viel weniger Schulden, weil DE sich ja nicht zusätzlich neu verschuldet hat. Super, hoffe meine Bank sieht das bei mir auch so ! Im Übrigen werden die Ausgaben für die Asylbewerber und wahrscheinlich auch noch mal Griechenland dafür sorgen, daß die Verschuldungsfrage neu zu bewerten sein wird. Kommt mir alles so vor wie bei K+S wo irgendein Börsenbrief ohne fundamentale Nachrichten von einem möglichen neuen Übernahmeangebot berichtet und die Aktie dann kräftig gekauft wird. It´s a mad world....

    17:55 Uhr, 25.11.2015
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