Kommentar
19:43 Uhr, 23.09.2020

Deflation: Die Notenbanken haben keine Chance

Notenbanker sind sich so uneinig wie lange nicht. Die einen haben immer noch Angst vor Inflation, die anderen vor Deflation. Wer hat Recht?

Neel Kashkari, Notenbankchef der Regionalen Federal Reserve von Minneapolis, stimmte gegen den letzten Entscheid. Er war nicht alleine. Auch Robert Kaplan stimmte dagegen, allerdings aus anderen Gründen. Kashkari ist die Über-Taube unter den Notenbankern. Er befürwortet ganz klar eine noch lockerere Geldpolitik.

Notenbanker einigten sich in ihrem Entscheid darauf, die Zinsen nicht anzuheben, bevor die Inflationsrate 2 % erreicht und erwartet wird, dass 2 % übertroffen werden. Das ist Kashkari zu restriktiv. Er will, dass die Notenbank wartet, bis die Inflationsrate für längere Zeit über 2 % ist.

Sein Hauptargument sind Lehren aus dem letzten Zinszyklus. Die Zinsen wurden erstmals angehoben als die Notenbank glaubte, dass Vollbeschäftigung erreicht ist. Ist Vollbeschäftigung erreicht, so die Theorie, sollte die Inflation ansteigen. Damit sie nicht außer Kontrolle gerät, müssen die Zinsen steigen.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass 5 % Arbeitslosigkeit alles andere als Vollbeschäftigung war. Selbst bei einer Arbeitslosenquote von 3,5 % kam es zu keinem Inflationsanstieg. Die Fehleinschätzung darüber, welches Arbeitslosenniveau erreicht werden muss, um Inflation zu erzeugen, war für Kashkari der ausschlaggebende Punkt.



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Nach Rezession heben Ökonomen ihre Schätzungen an. Vor einer Rezession gehen sie z.B. davon aus, dass ab einer Arbeitslosenquote von 5 % Inflation entsteht. Während einer Rezession wird dieses Niveau angehoben, z.B. auf 5,5 %. Dies geschieht, weil man davon ausgeht, dass einige Arbeitslose keine Job mehr finden werden, etwa weil ihre Qualifikationen nicht ausreichend sind.

Das natürliche Niveau der Arbeitslosenrate (jenes Niveau, das bei Unterschreiten zu Inflation führt) sinkt seit Jahrzehnten. Nach Rezessionen sinkt es langsamer (Grafik 1). Das entspricht dem Effekt, dass man annimmt, dass eine Rezession das Niveau anhebt. Das tatsächliche Niveau ist vermutlich viel niedriger als Notenbanker derzeit glauben. Daher haben sie zu früh mit Zinsanhebungen begonnen.


Das war auch einem weiteren Umstand geschuldet. Früher führte eine Arbeitslosenquote von 5 % und weniger zu höherem Lohnwachstum. Höheres Lohnwachstum ist eng mit der Inflationsrate korreliert. Wenn Vollbeschäftigung herrscht und Unternehmen keine qualifizierten Mitarbeiter mehr finden, müssen sie die Löhne anheben. Höhere Löhne führen zu höherem Konsum und damit mehr Inflation (Grafik 2).

Nach der Finanzkrise hat das nicht funktioniert, obwohl Unternehmen ab 2018 von Arbeitskräftemangel sprachen. Das Problem: Unternehmen fanden keine qualifizierten Mitarbeiter mehr, aber unterließen das, was sie früher taten. Sie hoben die Löhne einfach nicht an.

Das ist sehr bedenklich. Wenn sich Unternehmen schlichtweg weigern die Löhne anzuheben ist das Ausdruck einer Erwartung, die die Notenbank nicht gerne sieht. Man zahlt nur höhere Löhne, wenn man glaubt, dass man die höheren Kosten an Konsumenten weitergeben kann. Daran glauben Unternehmen nicht mehr, sprich, die Inflationserwartungen sind bereits zu tief verankert und an einem Ort, der zum Teufelskreis führt.

Kashkaris Überlegungen führen genau dorthin. Beweise gibt es nicht. Es ist eine Theorie. Spiegelt sie die Realität wider, hat die Notenbank bereits verloren.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • my shorts are too short
    my shorts are too short

    Dann sollte man doch die Hauspreise mit in den Warenkorb aufnehmen, dann haben die Volkswirte schon ne höhere Inflationsrate, die Arbeitslosenquote ist doch praktisch auch systematisch "geschönt" ... - sorry, aber wenn ich mir das Geldmengenwachstum anschaue, wird mir schlichtweg übel (!).

    21:57 Uhr, 23.09.2020
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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