Kommentar
09:35 Uhr, 24.11.2010

Das ist eine chronische Krankheit der Weltwirtschaft

Die europäische Schuldenkrise (was rede ich da, die Weltschuldenkrise!) nimmt dramatische Ausmaße an. Portugal und Irland sind natürlich nur Atome im ökonomischen Kosmos, aber die Problematik ist ja überall die gleiche: Praktisch alle Staaten der Welt geben mehr aus, als sie einnehmen. Das ist eine chronische Krankheit der Weltwirtschaft.

Es ist ein Märchen anzunehmen, dass dies eine Notwendigkeit sei. Tatsache ist, dass zumindest das Erwirtschaften eines Primärüberschusses – das ist der Saldo aus Einnahmen und Ausgaben ohne Zinsaufwand – kein Zaubertrick ist. Zumindest die Bundesrepublik hat dies oft geschafft, seit der Deutschen Einheit allerdings erst 2006 das erste mal wieder. Und dann kam die Finanzkrise...

Woher aber kommt der Zinsaufwand? Natürlich vom früheren Schuldenmachen. Wenn aber Primärüberschüsse (bzw. zumindest ausgeglichene Haushalte) machbar sind, die Zinsen von früheren Schulden stammen, und die Verschuldungsproblematik dauerhaft Krisen auslösen wird, kann es nur einen Schluss geben:

Staaten dürfen keine Schulden machen! Das zieht natürlich mehrere Konsequenzen nach sich. Zuallererst müssen die Länder ihr Selbstverständnis überdenken. Der Rückzug des Staates auf das, was er unbedingt leisten MUSS, ist die wichtigste Folge dieser Überlegungen. Was MUSS der Staat seinen Bürgern bieten?

Er muss sie nach außen verteidigen (Armee), vor Übergriffen schützen (Polizei), Eigentumsrechte garantieren (Justiz), für eine gute Infrastruktur sorgen (Investitionen), Schulen und Universitäten betreiben (Bildung), und unschuldig in Not geratenen Bürgern Überlebenshilfe leisten (Rumpfsozialstaat). Was muss der Staat nicht, bzw. sollte er nicht? Subventionen verteilen. Eine eigene Rentenversicherung anbieten bzw. aufzwingen. Beamte beschäftigen (außer bei der Polizei). Einen Sozialstaat aktueller Form betreiben. Steuernd in die Wirtschaft eingreifen. Und und und...

Etwas positives hat die Schuldenkrise ja ohne Zweifel, und das sieht man deutlich an Irland und auch Großbritannien: Sie wirkt disziplinierend. Die Briten sind einen Beschneidungskurs bei den Staatsausgaben gefahren, der selbst Maggie Thatcher rot werden lässt. Auch die Iren überdenken die Rolle des Staates neu.

ALLE brauchen diesen Druck! Deswegen ist es schädlich, wenn Rettungspakete geschnürt werden (richtig waren die Rettungsmaßnahmen nur in der akuten Krise 2008) und die Notenbanken künstlich die Zinsen unten halten. Der Zins ist der Preis für das Geld. Es ist ein Webfehler unserer Marktwirtschaft, dass gerade dieser Preis nicht den Marktkräften überlassen wird.

Daniel Kühn

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Über den Experten

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Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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