Kommentar
11:36 Uhr, 17.12.2013

Das Ende der ultralockeren Geldpolitik: Signal für hohe Zinsen?

Im kommenden Jahr und besonders 2015 dürften die Märkte mit einer geldpolitischen Normalisierung konfrontiert werden. Die Rückkehr zu alten Zinsveaus aus der Vorkrisenzeit ist aber unwahrscheinlich.

Seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 herrscht der Ausnahmezustand in den wichtigsten Zentralbanken weltweit. In einem zeitgleichen Kampf gegen drohende Bankenpleiten, deflationäre Tendenzen und um Exportchancen unterboten sich die Währungshüter aus den USA, Europa und Japan gegenseitig, was die Leitzinsen und geldpolitische Lockerung angeht. 2012/13 hat sich die Entwicklung nochmal beschleunigt: EZB-Chef Mario Draghi beteuerte glaubhaft, alles zu tun, um den Euro zu retten. Japans Premier Abe sorgte dafür, dass die Notenbank seine keynesianistische Wirtschaftspolitik („Abenomics“) mit noch mehr billigem Geld als zuvor unterstützte. Und parallel lief in den USA ein gigantisches Anleihenkaufprogramm der Fed im Volumen von 80 Mrd. USD monatlich an.

Der heute in den Medien vielzitierte und von bullischen Marktteilnehmern gefürchtete Begriff „Tapering“ bezeichnet das in Aussicht stehende Zurückfahren eben dieser Anleihenkäufe. Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus den USA sind durchaus ermutigend, so dass tatsächlich schon bald mit einer „Lockerung der geldpolitischen Lockerung“ gerechnet werden kann. Es sollte aber nicht übersehen werden, dass die Geldbasis (also Zentralbankgeldmenge) weiter jeden Monat aufgepumpt wird und die Zinsen auf einem historisch einmalig niedrigen Niveau notieren. Im Konsumgüterbereich führt dieser Vorgang derzeit noch nicht zu einer hohen Teuerung. Die offizielle Inflationsrate bezieht sich auf einen definierten Warenkorb. Nach Meinung der führenden Notenbanken ist die Welt nur dann in Ordnung, wenn dieser Warenkorb sich jedes Jahr um ca. 2% verteuert. Erst dann spricht man heutzutage von Geldwertstabilität, was man doch als sanften Euphemismus bezeichnen kann, ohne polemisch zu werden. Inflationsraten unter 1% sind sogar mehr oder weniger des Teufels. Jedenfalls wird vor allem die EZB nicht müde zu betonen, die Geldwertstabilität „in beide Richtungen“ verteidigen zu wollen. Das heißt nichts anderes, als dass Inflationsraten deutlich unter 2% nicht und unter 1% erst recht nicht akzeptiert werden. Also wird weiter getüftelt, wie man die Preise anheizen könnte. Die EZB hat dabei nur das Problem, dass sie nicht über ein gleichwertiges geldpolitisches Waffenarsenal wie die US-Fed verfügt. Während das Primärziel der EZB die Geldwertstabilität ist, verfügt ihr US-Pendant über ein duales Mandat – sie darf auch Wirtschaftsförderung betreiben und hat dabei vor allem die Arbeitslosenquote im Blick. Und sie kann dafür aus dem Vollen schöpfen – die bisherigen „Quantitative Easing“-Maßnahmen, sprich Anleihenkäufe, haben historische Ausmaße angenommen. Die EZB darf derzeit schlicht nicht so vorgehen, jedenfalls ist das die vorherrschende juristische Meinung. Sollten Inflation bzw. Konjunktur der Eurozone in 2014 nicht ordentlich anspringen, darf man aber mit weiteren kreativen Maßnahmen der europäischen Währungshüter rechnen.

Zurück zur Geldwertstabilität: Während Joghurt, Chips und Smartphones im Preis einigermaßen stabil sind oder sogar teilweise fallen, findet die eigentliche Inflation bei den Vermögensgütern statt. Immobilien und Aktien sind hoch im Kurs – das ist auch verständlich, die riesigen Geldmengen zu niedrigen Zinsen fließen natürlich eher nicht in Konsumgüter. Dafür entstehen an den Kapitalmärkten neue Blasen, die natürlich wie immer negiert werden. Auch 2007 war ja angeblich alles in bester Ordnung am US-Häusermarkt…man muss also auf der Hut sein, denn diese Entwicklung kann auch 2014 wieder gefährlich werden.

Die wichtigste Story an den Kapital-und Devisenmärkten der Jahre 2014 und 2015 wird vermutlich der Ausstieg der Notenbanken aus ihrer ultralockeren Politik. Dabei wird sicher behutsam vorgegangen, und es ist auch unwahrscheinlich, dass die alten Zinsniveaus auch nur annähernd wieder erreicht werden. Das heißt die Zinsen werden wohl steigen, aber nicht dramatisch stark. Der Hauptgrund dafür, auch auf lange Sicht, dürfte eine anhaltende Wachstumsschwäche in den entwickelten Ländern sein. Der Basiseffekt (die Ökonomien haben schon sehr beachtliche Größen erreicht) in Kombination mit der Alterung der Gesellschaft spricht dafür, dass Wachstumsraten vergangener Jahrzehnte illusorisch sind. Das ist auch eine zwingende Notwendigkeit, denn exponentielles Wachstum lässt sich mit begrenzten Ressourcen nicht dauerhaft erreichen und ist auch gar nicht erforderlich. Genau diesem Umstand wird durch ein im historischen Vergleich dauerhaft niedrigeres Zinsniveau Rechnung getragen. Dieser neue „normale Zins“ liegt aber deutlich über dem aktuellen Niveau - soviel ist sicher.

Ihr

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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