Kommentar
17:36 Uhr, 23.09.2015

Das Ende der goldenen Dekade der Zentralbanken

  • Die Entscheidung der amerikanischen Notenbank in der letzten Woche war nicht nur ein kurzfristiger Schock. Sie hat auch längerfristige Auswirkungen.
  • Die Ereignisse sind ein schlechtes Omen für die Zeit, wenn die Inflation wirklich ansteigt und die Geldpolitik dann gegensteuern muss.
  • Das alles gilt bisher nur für die Federal Reserve. Es strahlt aber auch auf andere Notenbanken aus.

In der letzten Woche wurde in der Geldpolitik der Nach­krisenzeit eine neue Phase eingeleitet. Die Notenbanken wurden von dem Sockel gestoßen, auf dem sie viele Jah­re gestanden hatten. Auslöser war der Beschluss der amerikanischen Notenbank, in der Frage der Leitzinsen vorerst noch keine Entscheidung zu fällen. Das hat viele enttäuscht. Er führte zu einem regelrechten Absturz der Aktienindizes. So abgestraft wurde eine Zentralbank noch selten. Glücklich nur, wer Bonds hatte. Deren Kur­se legten zu.

Absturz des DAX nach der Entscheidung
der Federal Reserve

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Quelle: Bloomberg

Bei den Ereignissen ging es in erster Linie nicht um die Sachfrage, ob die Zinsen angehoben werden sollen oder nicht. Für beides gibt es gute Gründe. Für beides hätte der Markt Verständnis gehabt. Niemand hätte auch kriti­siert, wenn die Amerikaner mit Hinweis auf die prekäre Lage in China und in den anderen Schwellen- und Ent­wicklungsländern ihren Beschluss zurückgestellt hätten. Keiner will einen Parforce-Ritt um jeden Preis. Schon gar niemand will eine Weltrezession riskieren. Freilich sind die Risiken der internationalen Konjunktur nicht erst in den letzten Tagen aufgetaucht. Darauf hätte man die Märkte schon in den Wochen davor vorbereiten können. Man hätte sie gar nicht erst in dem Glauben belassen müssen, im September werde eine Entscheidung getrof­fen.

Was die Märkte wirklich getroffen hat, war das Zögern der Notenbank. Die Chefin der Federal Reserve Janet Yellen erklärte in ihrer Pressekonferenz ausdrücklich, dass die wirtschaftliche Entwicklung eigentlich für hö­here Leitzinsen spräche. Die Notenbank wolle aber, so formulierte sie, gleichwohl noch etwas warten, um "noch mehr Sicherheit" für ihre Entscheidung zu bekommen.

Das zeigte, dass sie nicht den Mut hat, "Leadership" in der Geldpolitik zu übernehmen und die Märkte auf dem schwierigen Weg aus der Nullzinspolitik heraus zu füh­ren. Nicht sie gibt der Wirtschaft und den Märkten die Richtung vor. Ihre Politik hängt vielmehr davon ab, wie sich die weitere Entwicklung bei der Beschäftigung und der Inflation vollzieht. Statt "Forward Guidance" gibt es "Forward Guessing" (statt Orientierung über den künfti­gen Kurs der Politik Rätsel über die Zukunft). Dazu braucht man aber keine hochbezahlte Notenbank. Sich so in die Abhängigkeit von den Märkten zu begeben ist gerade in einem Land wie den USA, wo Leadership eine so große Rolle spielt, ein schwer wieder gut zu machen­des Manko.

Es ist auch kein gutes Omen für die Zukunft. Wenn sich die Zentralbank schon bei dem ersten kleinen Schritt zur Zinserhöhung so schwer tut, wie soll das erst werden, wenn es in der Gesamtwirtschaft wirklich brenzlig wird und die Inflation bekämpft werden muss?

Warum ist Leadership so wichtig? Konjunktur und Wachstum in einer Volkswirtschaft hängen in monetären Dingen von zwei Faktoren ab. Der eine ist die rein quantitative Geldpolitik. Wenn die Zinsen steigen, dann bremst das die wirtschaftliche Entwicklung. Das ist un­mittelbar einsichtig.

Allerdings hat sich dieser Zusammenhang durch die vielen Jahre ultralockerer Geldpolitik abgenutzt. Die niedrigen Zinsen wirken nicht mehr oder besser: Sie wirken nicht mehr so wie früher. Manche führen die In­vestitions- und Wachstumsschwäche der letzten Jahre auch darauf zurück, dass die Unternehmen durch Null­zinsen und überschießende Liquidität unsicherer ge­worden sind. Sie fürchten, dass sich Blasen entwickeln könnten, die das Ergebnis ihrer Investitionen konterka­rieren könnten.

Umso wichtiger ist der zweite Faktor, die Psychologie. Jeder kennt den Spruch, dass Konjunktur zu "50 % Psychologie" ist. Die Notenbanken müssen durch ihr Handeln und durch ihre Worte den Investoren das Zu­kunftsvertrauen wieder geben, das sie in den letzten Jahren verloren haben.

Dass sie das können, haben sie in der Vergangenheit gezeigt. Sie sind in den letzten Jahren zu Stars der Wirtschaftspolitik aufgestiegen. Sie haben sich viel Ver­trauenskapital aufgebaut. Ohne sie wäre der Weg aus der Krise schwerer gewesen. Jetzt müssen sie ihr Kön­nen auch in der umgekehrten Richtung beweisen. Wenn sie da schon beim ersten Schritt keine Verantwortung übernehmen und keine Richtung geben, dann ist das ein schlechtes Omen. Es verunsichert die Investoren und die Märkte und bremst das Wachstum.

Das bezieht sich bisher nur auf die amerikanische Fe­deral Reserve. Die Europäische Zentralbank hat bisher Leadership gezeigt, auch wenn ihr Kurs umstritten ist. Das gilt vor allem für eine Ausweitung des Wertpapierankaufsprogramms, das sie jetzt zu erwägen scheint. Mit dem Problem einer Normalisierung der Geldpolitik war sie bisher nicht konfrontiert. Es ist zu hoffen, dass sie aus den Erfahrungen der Amerikaner lernt und, wenn es auch hier so weit ist, dann nicht so wie die Fed "ein­knickt".

Für den Anleger

Es hat sich gezeigt, dass auch Zentralbanken keine "si­chere Bank" mehr sind, auf die man sich verlassen kann. Freilich muss man die Kirche im Dorf lassen. Die Märkte werden sich nach dem Schock des 17. Septem­bers wieder erholen und werden auch wieder nach oben gehen. Dies insbesondere, wenn die Fed die Zinsen im Oktober oder Dezember doch noch erhöhen sollte. Es wird jedoch lange dauern, bis die Notenbank den Re­putationsschaden wieder gut gemacht hat. Ich vermute, dass dies der Wirtschaft und den Märkten noch gerau-me Zeit anhängen wird – in den USA aber auch in den anderen Industrieländern. Sie werden sich insgesamt schlechter entwickeln als bisher erwartet.

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§ Die Entscheidung der amerikanischen No­tenbank in der letzten Woche war nicht nur ein kurzfristiger Schock. Sie hat auch län­gerfristige Auswirkungen.

§ Die Ereignisse sind ein schlechtes Omen
für die Zeit, wenn die Inflation wirklich an­steigt und die Geldpolitik dann gegensteu-ern muss.

§ Das alles gilt bisher nur für die Federal Re­serve. Es strahlt aber auch auf andere No­tenbanken aus.

1 Kommentar

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Hallo Herr Hüfner,

    na, trauen Sie sich mal wieder mit einem Kommentar aus der Deckung ... ???

    Zu Ihrem letzten Kommentar vom 09.09: Konjunkturprogramm für Deutschland

    Was ich Ihnen hoch anrechne ist folgendes:

    Sobald kritische Kommentare unter Ihrem Beitrag standen, (kaum jemand teilte Ihren Lobgesang auf die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge) wurde gleich ZENSUR geübt und alle Kommentare gelöscht bzw. sie waren nicht mehr lesbar.

    Es ist schön zu wissen, dass wir in einem Land leben, in dem Meinungsfreiheit groß geschrieben wird.

    Ein HOCH auf unsere Demokratie und die gelebte Meinungsfreiheit, die nur genehme Meinungen zulässt.

    Danke nochmal für Ihren überaus verlogenen Beitrag ...

    22:13 Uhr, 23.09. 2015