Kommentar
13:19 Uhr, 30.08.2016

Das Ende der Geldpolitik

Die Wirksamkeit der Geldpolitik muss man inzwischen mit der Lupe suchen. Wenn die Geldpolitik allerdings jegliche Wirkung verfehlt, ist das nicht automatisch das Ende der Geldpolitik?

Kritik an der derzeitigen Geldpolitik gibt es genug. Selbst Notenbanken sind sich nicht mehr einig darüber, was sie überhaupt noch tun können oder sollen. Auch die Flut an unkonventionellen Maßnahmen hat kaum Wirkung gezeigt. Inzwischen äußern sich Notenbanker daher schon fast etwas geläutert und denken laut über Alternativen nach. Bei diesen Alternativen geht es nur zum Teil um noch experimentellere Instrumente. Größtenteils reift die Erkenntnis, dass Geldpolitik ein Limit erreicht hat.

Das Limit gilt insbesondere dann als erreicht, wenn es darum geht, die Wirtschaft in Gang zu bringen. Im Gegenteiligen Fall – Überhitzung der Wirtschaft – hat die Geldpolitik nach wie vor geeignete Mittel, um für eine Abkühlung zu sorgen. Die Zinsen kann sie im Notfall immer und theoretisch unbegrenzt anheben. Einer Überhitzung und hoher Inflation entgegenzutreten ist sehr viel einfacher als eine lahmende und stagnierende Wirtschaft in Fahrt zu bringen.

Wie schwierig es ist die Wirtschaft aus der Stagnation zu reißen, zeigen Japan und die Eurozone. Japans Wirtschaft siecht seit vielen Jahren dahin und selbst das aggressivste Lockerungsprogramm, welches die japanische Notenbank jemals lanciert hat, hilft wenig. In der Eurozone ist die Lage weniger eindeutig. Die einzelnen Länder befinden sich in sehr unterschiedlichen Situationen. Zum Beispiel Italien kommt nicht vom Fleck, obwohl die Zinsen noch nie niedriger waren.

Niedrige Zinsen sind ganz offenbar nicht die Lösung für die Probleme. In der Vergangenheit haben Zinssenkungen sehr gut funktioniert. Kam eine Rezession, wurden die Zinsen gesenkt und die Wirtschaft kam für gewöhnlich innerhalb weniger Quartale wieder auf den Wachstumspfad zurück. Dieses Mal ist alles anders.

Dass sich das Wirtschaftswachstum so beharrlich jeglicher Lockerung widersetzt, stimmt viele skeptisch. Sie sehen die Grenzen der Geldpolitik erreicht. Tatsächlich gibt es nicht mehr viel, was die Notenbanken tun können. Aber wieso eigentlich?

Alles hängt mit dem Gleichgewichtszinssatz zusammen. Dieser Zinssatz (es handelt sich dabei um den Realzinssatz) wird gebraucht, um in einer wachsenden Wirtschaft mit Vollbeschäftigung weder expansiv noch restriktiv zu sein. Wie die Abbildung zeigt, sinkt der Gleichgewichtszinssatz schon seit Jahrzehnten. In den USA oszillierte dieser in den vergangenen fünf Jahren um die Market von 0 %.

Die USA stehen im Vergleich noch relativ komfortabel da. In der Eurozone dürfte der Gleichgewichtszinssatz in der Nähe von -1 % liegen. In Japan könnten es sogar -1,5 % bis -2 % sein. Das sind Werte, die selbst bei der aggressivsten Geldpolitik kaum noch erreicht werden können.

Notenbanken können die Zinsen in den negativen Bereich senken. Das haben wir in mehreren Ländern gesehen. Wesentlich tiefer als jetzt dürfte es jedoch kaum noch gehen können. Einerseits sinkt die Profitabilität der Banken, sodass sie die niedrigeren Zinsen nicht effektiv in die Wirtschaft weiterleiten; andererseits führen Negativzinsen teilweise zu einem Sparreflex und nicht zu einem Ausgabenreflex. Beides ist kontraproduktiv.

Notenbanken können über die Geldpolitik nur noch zwei Dinge tun, um die bisherige untere Zinsgrenze zu durchbrechen. Eines dieser Instrumente hat nichts mehr mit Zinsen zu tun. Dabei handelt es sich um das vieldiskutierte Helikoptergeld. Wenn man die Zinsen nicht mehr senken kann, um die Wirtschaft zu stimulieren, dann erzeugt man direkt Nachfrage durch Geldgeschenke.

Von vielen wird Helikoptergeld abgelehnt. Die Gefahren sind zu groß. Wird das Instrument erst einmal eingesetzt, könnten Regierungen davon zu viel Gebrauch machen und dies würde letztlich zu Hyperinflation führen. Helikoptergeld löst auch das Grundproblem nicht wirklich. Es kann es nur kaschieren.

Eine andere Möglichkeit, die Notenbanken noch haben, ist die Senkung des Leitzinses, also jenem Zinssatz, den Banken zahlen müssen, wenn sie sich Geld bei der Notenbank besorgen. Bisher sind nur die Einlagenzinsen negativ. Banken zahlen nun dafür, wenn sie Geld bei der Notenbank parken und auch dann, wenn sie sich Geld leihen. Solange es diese Asymmetrie gibt, können die Zinsen nicht weiter sinken.

Notenbanken müssten den Schritt wagen und es ermöglichen, dass Zinsen gezahlt werden, wenn man Schulden macht. Das ist natürlich genauso gefährlich wie Helikoptergeld, doch die einzige Möglichkeit, wenn man über Zinspolitik die Wirtschaft noch steuern möchte.

Solange die Gleichgewichtszinssätze so niedrig sind, können Notenbanken nichts tun. Geldpolitik ist so gut wie wirkungslos. Zu den zwei möglichen Alternativen konnte sich noch keine Notenbank durchringen. Dafür gibt es gute Gründe.

Ob Helikoptergeld oder negative Zinsen auf Schulden, beides kommt aufs Gleiche heraus: es werden Geldgeschenke verteilt. Will man diesen Weg nicht beschreiten, dann müssen andere Maßnahmen her. Diese sind dann nicht mehr bei der Notenbank angesiedelt, sondern vielmehr in der Politik. Konkret muss der Gleichgewichtszinssatz über Fiskalpolitik angehoben werden. Das geschieht, indem der Staat Nachfrage kreiert, insbesondere über Investitionen, die eine hohe Rendite bringen (produktivitätssteigernde Investitionen).

Die Geldpolitik ist im aktuellen Regime negativer Gleichgewichtszinssätze fast machtlos. Das Ende muss damit noch nicht erreicht sein. Will man jedoch Helikoptergeld nicht verwenden, dann ist das Ende praktisch erreicht. Geldpolitik funktioniert nicht mehr. Fiskalpolitik ist in diesem Fall die bessere Geldpolitik.

Clemens Schmale

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13 Kommentare

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  • MMeier2
    MMeier2

    Da könnte man soweit zustimmen, bis auf die Sache mit den Vorlksvertretern. Das sind arme schweine, die genau dafür bezahlt werden, was sie tun: Gesetze im Sinne der Kapitalbesitzer zu beschließen.

    https://www.freitag.de/autoren/felix-werdermann/sp...

    11:47 Uhr, 31.08. 2016
  • Market Impact
    Market Impact

    alles quatsch. wir haben kein finanzproblem!

    wir haben ein verteilungsproblem!!

    wenn die menschen immer weniger verdienen (lohndumping) müssen die preise sinken das überhaupt noch konsumiert und somit produziert werden kann.

    zu verdanken haben wir das den schmarotzern die sich auch noch volksvertreter nennen dürfen!!!

    21:39 Uhr, 30.08. 2016
  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    So so...Japan siecht also dahin. Kann man angesichts einer Arbeitslosenquote von 3% so sehen.

    17:47 Uhr, 30.08. 2016
  • Manfred Riedl
    Manfred Riedl

    Das Problem sind die Lohnerhöhungen !!! Wenn der Bäcker 2% Lohnerhöhung bekommtt muss wegen der Lohnnebenkosten das Brot um 4% teurer werden. Das selbe gilt für den Doktor .... Der Scheiß ist (Entschuldigung aber man muss es beim Namen nennen) das unsere Politiker nur mehr für die Konzerne da sind. Für Manager die in Krisenzeiten den Staat um Hilfe anpumpen (Abwrackprämie, Zuschuß für Banken) Aber wenn es gut geht werden Millionen Abgezogen. VW Chef 15 Mio. Einkommen. Es gehören endlich die Reichen, die Spekulanten die im sekundentakt handeln und die Märkt manipulieren zur Kasse gebeten. Sie sollen sich Jachten, Villen um Millionen aber dafür 50% Luxussteuer bezaheln. Der Arbeiter arbeitet bis August nur für Steuern. Der Reiche bis März.

    Die Politiker bauen nur mehr Scheisse. Ich fordere die Politiker zu einer Diskussion aber Sie trauen sich nicht. Hosenscheisser.

    Bitte entschuldigen Sie meine vulgeren Ausdrücke aber bei so viel unqualifizierter Arbeit kann mann einfach nicht mehr anders.

    17:40 Uhr, 30.08. 2016
    3 Antworten anzeigen
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Ich bin mir immer unsicher, ob die Experten der EZB die höhere Inflation wünschen, weil sie ein Indikator für gestiegene Wirtschaftsaktivität ist - oder - ob der damit einhergehende Kaufkraftverlust im Vordergund deren Interesses steht. Es heißt immer häufiger, die Geldpolitik sei am Ende, die Experten wüßten keinen Rat mehr. Also wenn man aus welchen Gründen auch immer, die Inflation nicht administrieren möchte, dann gäbe es doch auch noch die Möglichkeit, direkt an den Märkten für Waren zu operieren. Stellen Sie Sich doch mal vor, die EZB würde statt Anleihen Weizen kaufen (Brot wäre das perfekte Asset). Oder Strom!

    17:05 Uhr, 30.08. 2016
  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Von Anfang an hätte die Geldpolitik von Steuersenkungen begleitet werden sollen (Mwst., Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer). Genau das Gegenteil wird systematisch praktiziert und temporäre Steuererhöhungen werden zu definitiven (überall ausser Deutschland). Der positive Effekt der niedrigeren Zinsen wird durch höhere Steuern verzehrt.

    Insbesondere bei der Befriedigung der "Grundbedürfnisse (Brot/ Strom/ Mineralwasser/ Benzin/ Girokontogebühren/ Waschmittel/ Grund-und Mindestgebühren für alles usw) ist der Inflationsanteil in den letzten 15 Jahren besonders hoch, einen Fernseher, eine neue Hose oder ein Auto kauft man nicht jeden Tag. Der Überschuss für Konsumgüter in Privathaushalten hat sich systematisch verringert.

    Verfehlte EU-Korrekturpolitik: systematisch wurde versucht die Staatseinnahmen zu erhöhen oder bei sinkendem Bruttosozialprodukt auf demselben Niveau zu halten - bei gleichzeitiger Kürzung der Sozialausgaben, das kann nie klappen, hat historisch auch nie geklappt. Verfehlt wurden effektive Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das Geld wird stattdessen europaweit zur Stützung und Rettung der Banken eingesetzt.

    Verzerrte Kreditvergabepolitik: Banken gewähren einem Millionär Kredit i.H. von 100.000,- wenn er eine Million hinterlegt, die EZB unterstützt die "sicheren" Länder und die "sicheren" Banken die Überschüsse erwirtschaften. Das Geld fliesst nicht dorthin wo es benötigt wird, sondern dorthin wo es sowieso schon ist.

    16:57 Uhr, 30.08. 2016
  • Flash Trade
    Flash Trade

    Ja aber ... wurde in den vergangenen Jahren nicht vertärkt Geldpolitik gemacht, weil die fiskalpolitische Karte schon gespielt war, siehe hohe Verschuldung der Länder, freilich dummerweise in Form von staatlichem Konsum, nicht als renditeträchtige staatliche Investitionen. Die Verschuldung zog ja dann die Austeritätspolitik und die Forderung nach der schwarzen Null nach sich, diese müssen dann also begraben werden? Iwie drehen wir uns im Kreis ...

    14:44 Uhr, 30.08. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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