Fundamentale Nachricht
11:56 Uhr, 25.11.2019

Corporate Governance in den Schwellenländern: Den Wind der Veränderung nutzen

Im Laufe der Jahre haben sich manche Schwellenländer nach Meinung von Chetan Sehgal und Andrew Ness von Franklin Templeton Emerging Markets Equity schneller entwickelt als andere, um ihre Governance-Defizite zu beheben.

Die Schwellenländer bieten zahlreiche potenzielle Anlagechancen, ihre Defizite bei der Corporate Governance können jedoch Herausforderungen darstellen. Im Laufe der Jahre haben sich manche Länder schneller entwickelt als andere, um ihre Governance-Defizite zu beheben. Im ersten Teil dieser zweiteiligen Serie stellen Chetan Sehgal und Andrew Ness von Franklin Templeton Emerging Markets Equity dar, was genau unter Corporate Governance zu verstehen ist und wie die Schwellenländer Verbesserungen in diesem Bereich erzielen.

Corporate Governance ist ein Begriff, der leichter zu verstehen als zu definieren ist. Es ist ein weit verbreitetes Thema, dessen Definition je nach Anleger variieren kann. Allerdings neigt die akademische und industrielle Forschung dazu, Corporate Governance auf Länder- und Unternehmensebene zu betrachten.

Land: Das Anlageumfeld wird in der Regel durch Gesetze, Vorschriften und Richtlinien geprägt. Anleger schauen auf die Qualität der öffentlichen Institutionen eines Marktes, die sich in der Stärke seiner Eigentumsrechte, Offenlegungsstandards und anderer Merkmale widerspiegelt, um festzustellen, inwieweit sie dem Markt ihr Kapital anvertrauen können. Diese Merkmale bilden auch den institutionellen Rahmen, in dem Unternehmen tätig sind.
Unternehmen: Hier kommt es auf die Kontrolle und das Gleichgewicht zwischen Vorstand, Management und Anteilsinhabern an. Wir sind überzeugt, dass interne Systeme, die dem Vorstand helfen, das Management effektiv zu überwachen, Anreize für Manager zu schaffen, im besten Interesse aller Anteilsinhaber zu handeln, oder es den Anteilsinhabern zu ermöglichen, den Vorstand zur Rechenschaft zu ziehen, zu einer soliden Governance beitragen sollten.

Wir denken im Kern, dass Corporate Governance bestimmt, wie gut Unternehmen in der Lage sind, im längerfristigen Interesse aller Anteilsinhaber zu handeln. Die folgende Definition ist einer Studie entnommen: „Corporate Governance beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie sich Finanzdienstleister von Unternehmen selbst vergewissern, dass eine Rendite auf ihre Anlage erzielt wird.“

Die Suche nach dem Alpha

Warum ist eine gute Corporate Governance so wichtig? Zunächst einmal ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Nachhaltigkeit eines Unternehmens. Ein gesundes System von Kontrollen, Anreizen und Werten, das sich in Merkmalen wie einem mehrheitsunabhängigen Vorstand, einem gut durchdachten Vergütungssystem für Führungskräfte und einem vernünftigen Verfahren der Kapitalallokation widerspiegelt, sollte das Management disziplinieren, um das Unternehmen langfristig zu steuern.

Auffällig sind auch die Auswirkungen, die Governance oft auf Aktienbewertungen hat. Bei Unternehmen mit mangelhaftem Verhalten oder einer Politik, die Anleger benachteiligt, wird dies in der Regel vom Markt in die Kurse eingepreist. Verbesserungen der Governance geben diesen Unternehmen die Möglichkeit, ein neues Rating zu erzielen.

Insgesamt haben Studien weitgehend eine Korrelation zwischen besserer Governance und verbessertem Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, niedrigeren Kapitalkosten, stärkerer operativer Leistung und höheren Bewertungen für Unternehmen gefunden.

Um es aber klarzustellen: Corporate Governance ist nur einer von vielen Faktoren, die die Perspektiven und den Aktienkurs eines Unternehmens beeinflussen können. Wir sind der Meinung, dass Anleger die Governance eines Unternehmens neben traditionellen Finanzmaßnahmen bewerten sollten, um sich einen umfassenden Überblick über die potenziellen Anlageerträge und -risiken zu verschaffen.

Governance im Kontext der Schwellenländer

Die Corporate Governance in den Schwellenländern steht im Mittelpunkt des Interesses, da sie auf der globalen Finanzbühne zunehmend an Bedeutung gewinnen. In den letzten ca. 20 Jahren hat sich der Anteil der Schwellenländer an der globalen Börsenkapitalisierung mehr als verdoppelt und lag im Juni 2019 bei 30,0 %. Ihre Governance-Standards liegen im Vergleich zu denen der entwickelten Märkte in der Regel jedoch zurück und schrecken manche Anleger ab.

In einer Studie der World Federation of Exchanges (WFE, weltweite Vereinigung regulierter Wertpapierbörsen) identifizierten Anleger Governance-Bedenken als besondere Herausforderung bei Anlagen in Schwellenländern. Einige gaben an, sie würden es vermeiden, in ein Unternehmen zu investieren, wenn sie Mängel in der Governance vermuteten. Eine besondere Herausforderung liegt in der Konzentration der Unternehmenseigentümer in den Schwellenländern. Umfangreiche Untersuchungen haben die Dominanz von Familien- und Staatsunternehmen in diesen Volkswirtschaften und das Potenzial, die Interessen von Minderheitsaktionären zu beeinträchtigen, aufgezeigt.

Ohne angemessene Garantien könnten die kontrollierenden Anteilsinhaber die Unternehmensressourcen leichter für ihre eigenen Zwecke und auf Kosten der Minderheiten einsetzen.

Im Laufe der Jahre haben sich manche Schwellenländer schneller entwickelt als andere, um ihre Governance-Defizite zu beheben. Diesbezüglich erkennen wir zwei Hauptantriebskräfte. Erstens die Weckrufe infolge von Wirtschaftskrisen und Unternehmensskandalen, die durch Governance-Fehler ausgelöst wurden.

Die asiatische Finanzkrise von 1997 war ein wichtiger Wendepunkt für Volkswirtschaften und Unternehmen, die übermäßige Kredite aufgenommen hatten, was zum Teil durch eine laxe Regierungsführung befeuert worden war. Die globale Finanzkrise 2008-2009 verstärkte die Gefahr von Schuldenexzessen und ineffizienter Aufsicht.

Zweitens ist es der Wunsch, in die wichtigsten Marktindizes einzusteigen und mehr Kapital anzuziehen. Für Volkswirtschaften, die eine Indexaufnahme im Visier haben, gehören Governance-Maßstäbe zu den Kriterien, die sie erfüllen müssen. Die Zugänglichkeit, Effizienz und Transparenz ihrer Finanzmärkte sowie die Stärke ihrer Regulierungssysteme sind nur einige Faktoren, die die Indexanbieter bewerten. Diesbezüglich zu beachten ist die Entscheidung von FTSE Russell aus dem Jahr 2018, Saudi-Arabien in den Index der Schwellenländer aufzunehmen. Die Marktreformen des Landes sowie die Bemühungen zur Verbesserung der Corporate Governance trugen dazu bei, dass das Land den Zuschlag erhielt.

Erkenntnisse aus turbulenten Zeiten: Asiatische Finanzkrise

Große Kapitalzuflüsse können Schwierigkeiten für Länder signalisieren, die schlecht gerüstet sind, um sie zu bewältigen. Die Märkte in Ostasien mussten dies Ende der 1990er-Jahre am eigenen Leib erfahren, als ihre übermäßige Abhängigkeit von kurzfristigen US-Dollar-Krediten den Grundstein für die asiatische Finanzkrise legte. Zu den vielfältigen, miteinander verknüpften Ursachen der Krise gehörte auch eine schwache Corporate Governance.

Die Banken hatten Engagements in überhitzten Branchen und Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil inmitten unzureichender Marktaufsicht, lockerer interner Kontrollen und einer Kultur der beziehungsbasierten Kreditvergabe aufgebaut. Solange das Kapital floss, sahen die Märkte an der Oberfläche gut aus. Ein plötzlicher Liquiditätsrückzug führte jedoch zu Insolvenzen und bürdete den Banken eine hohe Belastung durch notleidende Kredite auf.

Die asiatische Finanzkrise erwies sich als starker Katalysator für Governance-Reformen in den am stärksten betroffenen Volkswirtschaften. Südkorea zum Beispiel erlebte den Fall mehrerer großer familienkontrollierter Konglomerate, im Koreanischen Jaebols genannt. Komplexe Eigentumsstrukturen, konzerninterne Darlehen und Garantien sowie andere schlechte Praktiken ermöglichten es einigen Jaebols, unvernünftig Kredite aufzunehmen und zu investieren. Im Zuge der asiatischen Finanzkrise wurden um ihre Existenz kämpfende Jaebols zur Umstrukturierung gezwungen. Südkorea hat seinen Rahmen für die Finanzregelung und -aufsicht gestärkt und Maßnahmen zur Stärkung der Governance in Unternehmen eingeleitet.

Erkenntnisse aus turbulenten Zeiten: Globale Finanzkrise

Rund 10 Jahre nach der asiatischen Finanzkrise gerieten die Bankensysteme erneut unter Druck. Diesmal waren die Auswirkungen jedoch weitaus größer. Was 2007 mit einem Crash des US-Subprime-Hypothekenmarktes begann, führte bald zum Zusammenbruch großer US-amerikanischer und europäischer Finanzinstitute, die sich bei der Anlage in hypothekenbesicherte Wertpapiere überschuldet hatten. Die Panik erfasste bald das gesamte grenzüberschreitende Finanzsystem und löste eine Liquiditätskrise in den Industrie- und Schwellenländern aus. Ursache der Krise waren zahlreiche Lücken in der Governance, darunter ein schlechtes Risikomanagement bei Banken und eine nicht wirksame Regulierungsaufsicht.

Die globale Finanzkrise löste umfassende politische Reaktionen auf nationaler und globaler Ebene aus. So hat beispielsweise der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, der weltweit Maßstäbe für die Bankenregulierung setzt, ein Basel-III-Rahmenwerk vorgestellt, das die Resilienz der Branche stärken soll. Basel III erhöhte sowohl die Quantität als auch die Qualität der regulatorischen Eigenkapitalbasis der Banken und enthielt Anforderungen an ein solides Risikomanagement und angemessene Offenlegungen.

Obwohl die Krise nicht in den Schwellenländern begonnen hatte, löste sie aufseiten der politischen Entscheidungsträger in diesen Volkswirtschaften eine Dynamik aus, um noch bestehende Mängel in der Governance zu beheben.

Im nächsten Teil dieser Serie werden Sehgal und Ness die in vereinzelten Ländern erzielten Fortschritte betrachten und erklären, warum sie davon überzeugt sind, dass die Verbesserung der Governance zu einem strukturellen Thema geworden ist, das die Aktien der Schwellenländer antreibt.

1 Kommentar

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  • tschak
    tschak

    ES & the magic G, what else? 😊

    13:12 Uhr, 25.11. 2019