Kommentar
16:16 Uhr, 12.04.2022

China ist in der Sackgasse

Gerade noch wurde ein höheres Wachstumsziel ausgegeben, nun schlägt die Pandemie wieder zu. Ein Ziel muss aufgegeben werden, entweder Wachstum oder die Pandemiestrategie.

Bisher ist China überraschend gut durch die Pandemie gekommen. Es gab zu Beginn viele Zweifel, ob die niedrigen gemeldeten Fallzahlen der Realität entsprechen können. Ein Land mit mehr als 1,3 Mrd. Einwohnern soll weniger als 100.000 Infektionen gehabt haben. Das wirkt gar optimistisch.

Nun sind zwei Jahre vergangen und China meldet mehr als 25.000 Neuinfektionen pro Tag. Einige Fälle, vor allem zu Beginn der Pandemie, sind zweifellos nicht entdeckt und gemeldet worden. Dennoch erscheint es spektakulär, dass nun so hohe Fallzahlen gemeldet werden, obwohl die Regierung etwas ganz anderes haben will.

Zugegeben, wenn man eine Stadt wie Shanghai in den Lockdown schickt, lässt sich das nur mit steigenden Fallzahlen rechtfertigen. Genau dieser Lockdown ist ein Problem. Die Regierung hält bisher an ihrer „dynamischen Null-Covid-Strategie“ fest und das, nachdem sie erst vor kurzem ein höheres Wachstumsziel ausgab. Der aktuelle Trend bei den Neuinfektionen (Grafik 1) lässt daran zweifeln, dass dies durchzuhalten ist.

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Die Regierung muss sich früher oder später für einen neuen, breitflächigen Lockdown entscheiden oder die Strategie ändern. Die Wachstumsziele sind im ersten Fall nicht zu halten. Es wird zwar von zusätzlichen Konjunkturmaßnahmen gesprochen, doch die Details sind vage. Es zeigt sich ein ungewohnter Schlingerkurs.

Derweil werden die Lieferketten erneut unterbrochen. Offiziell arbeitet der Hafen von Shanghai hocheffizient. Schiffsdaten zeigen hingegen, dass über 300 Schiffe darauf warten, Ladungen zu löschen oder aufzunehmen. Dieser Stau am Hafen von Shanghai ist vergleichbar mit dem am Suezkanal vor einem Jahr als der Kanal durch das Containerschiff Ever Given blockiert war. Da der Lockdown noch nicht beendet ist, könnte der Stau den vor dem Suezkanal in wenigen Tagen in den Schatten stellen.

Das hilft weder der Welt noch China. Nach mehr als drei Monaten im neuen Jahr ist klar, dass die Wirtschaft ganz und gar nicht wächst, wie sie soll. Zu allem Überfluss wurde ein Wachstumsziel ausgegeben, welches über dem potenziellen Wachstum des laufenden Jahrzehnts liegt (Grafik 2).

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Es müssen Wunder geschehen, um dies zu erreichen, vor allem aber muss China die Null-Covid-Strategie aufgeben. Dies gilt nicht nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Entgegen der bisherigen Unterstützung des Kurses der Regierung wird gegen die Politik demonstriert. Die Bevölkerung ist unzufrieden und geht auf die Straße. Zugegebenermaßen waren die Proteste in Europa deutlich größer. Noch ist die Unzufriedenheit eine Randerscheinung.

Dennoch sind soziale Unruhen das letzte, was die Regierung gebrauchen kann. Jeder weitere Lockdown-Tag ist eine Gefahr. Schon wird spekuliert, dass in einigen Provinzen die Nahrungsmittelproduktion in Schwierigkeiten kommt. Es fehlt an Arbeitskräften, Saatgut und Dünger. Spätestens bei Lebensmittelknappheit hört die Zurückhaltung auf.

Die Sackgasse, in die sich Peking hineinmanövriert hat, ist eine problematische. Ein Fehlschlag wird sich in diesem Jahr nicht vermeiden lassen, sei es die Verfehlung der wirtschaftlichen Ziele oder die Aufgabe der Covid-Strategie.

Beides kommt ungelegen. Präsident Xi Jinping hatte die Amtszeitbegrenzung 2018 aufheben lassen und will sich im Herbst zum Präsidenten auf Lebenszeit küren lassen, indem er eine dritte und unbegrenzte Amtszeit antritt. Jeglicher Fehlschlag gefährdet das Vorhaben, in die Geschichtsbücher einzugehen.

Ohnehin stellt sich die Frage, ob das Vorhaben das Interesse des Einzelnen nicht über das der Allgemeinheit stellt und damit Chinas Erfolgsmodell hinfällig wird. Der implizite Pakt (Wohlstandsvermehrung, dafür Einheitspartei) droht 2022 zu brechen, sei es, weil die Covid-Strategie beibehalten wird oder der Wohlstandsgewinn stockt. Mit jedem weiteren Tag der Unentschlossenheit spitzt sich jedenfalls die wirtschaftliche Lage zu. Der Dienstleistungssektor steckt bereits in der Rezession (Grafik 3).

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Ob wirtschaftlich, politisch oder gesellschaftlich, China könnte in diesem Jahr noch zu einem neuen Krisenherd werden.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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