Kommentar
08:18 Uhr, 21.05.2015

China: Der Versuch, am Megawachstum festzuhalten

China kämpft gegen den Abschwung. Notenbank und Regierung werden dabei kreativ. Geholfen hat es bisher nicht.

China versucht durchzugreifen und mit vielerlei Mitteln die Wirtschaft wieder anzuschieben. Im vergangenen Jahr begannen die Maßnahmen mit einer Zinssenkung. Dieser Zinssenkung folgten zwei weitere. Zuletzt wurde der Reservesatz für Banken um einen Prozentpunkt nach unten geschraubt. Bei gleichbleibenden Reserven können chinesische Banken jetzt mehr Kredit vergeben.

Mehr Kredit zu vergeben ist der Zentralbank und Regierung ein großes Anliegen. Das Kreditwachstum ist für westliche Verhältnisse zwar hoch, schwächt sich für chinesische Verhältnisse allerdings deutlich ab. Anfang 2015 zog das Kreditwachstum wieder etwas von 13 auf 13,5% an, liegt damit jedoch unter dem mehrjährigen Durchschnitt von 15%.

Ein Hemmnis für mehr Kredit ist die Schuldenkrise der Lokalregierungen. Diese Krise wird wohl gelöst, indem die Lokalregierungen ihre Kredite durch Anleihen ablösen. Diese Anleihen sollen von Banken gekauft werden. Das wollen diese eigentlich gar nicht. Es wird ihnen allerdings schmackhaft gemacht, indem sie diese Anleihen als Sicherheiten bei der Zentralbank hinterlegen können, um sich Geld zu besorgen. Das Geld, welches mit diesen Sicherheiten beschafft wird, soll einen niedrigeren Zins haben als die gewöhnlichen Refinanzierungen. Das ist im Prinzip eine weitere, versteckte Zinssenkung, die dazu führt, dass es in China zukünftig wohl zwei Zinssätze geben wird.

Trotz dieser enormen Anstrengungen kann von einem Aufwärtstrend noch keine Rede sein. Eine Baustelle, der Immobilienmarkt, scheint sich zu entspannen. Die Preise sinken nicht mehr. Dafür wird weniger gebaut. Das wiederum lastet auf dem Wirtschaftswachstum, da das Bauwesen ein wichtiger Treiber des Wachstums war.
Da die Wirtschaft trotz der expansiven Geldpolitik nicht richtig in die Gänge kommt, wurde schnell eine Arbeitsmarktreform auf den Weg gebracht.

Es ist absolut beeindruckend, in welchem Tempo die chinesische Regierung und die Notenbank Anpassungen vornehmen. Das wäre bei uns undenkbar. Die Regierung beschloss Ende April Unternehmen steuerlich zu begünstigen, die Arbeitslose einstellen. Stellt ein Unternehmen einen Jobsuchenden ein, der mehr als 6 Monate keine Arbeit hatte, dann gibt es Steuerbegünstigungen. Das wurde einfach so an einem Nachmittag beschlossen und wird nun umgesetzt. In den meisten europäischen Ländern würde ein solcher Vorschlag wahrscheinlich erst einmal ein halbes Jahr debattiert werden, bevor er in einem komplizierten Kompromiss verpackt beschlossen wird.

In China geht das alles sehr viel einfacher und schneller. So wurden gleich mehrere Änderungen beschlossen. Unternehmensgründungen sollen vereinfacht werden. Dazu gibt es nun kaum noch geographische Beschränkungen. Bis zu der Reform gab es je nach Sektor bestimmte Einschränkungen, wo Unternehmen gegründet werden konnten und wo nicht. Lokalregierungen sollen zudem ungenutzte Gebäude Unternehmensgründern zur Verfügung stellen. Ebenso gibt es für Start-Ups einen garantierten Gründungskredit von 100.000 Yuan.

Die Regierung fühlt sich ebenfalls für das Wohl der Familien zuständig. Arbeitet kein Erwachsener in einer Familie, so soll der Staat dafür sorgen, dass mindestens eine Person einen Job bekommt.

Die Regierung gibt Gas. Das muss sie auch. Das Wachstum der Industrieproduktion ist Anfang 2015 auf ein Niveau zurückgefallen, welches zuletzt in tiefsten Krisenzeiten Ende 2008 gesehen wurde (Grafik 1). Im April ist die Industrieproduktion wieder leicht gestiegen. Nach einem großangelegten Turnaround sieht es jedoch noch nicht aus. Sollte sich der Trend fortsetzen, dann wird die chinesische Industrie so langsam wachsen wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Ein Problem ist der Rückgang der Investitionen in Sachanlagen (fixed assets). Das Wachstum ging auch im April zurück und liegt seit mehreren Monaten konsequent unter den Erwartungen (Grafik 2). Die Investitionen in Sachanlagen werden sich dieses Jahr, wenn der Trend so weiter geht, auf 7% abschwächen.

Besonders deutlich zeigt sich der Abschwung, wenn man das Wachstum der Geldmenge M2 betrachtet (Grafik 3). Das Geldmengenwachstum gilt als ein guter Vorlaufindikator für Wachstum. Geht es nach dem vorherrschenden Trend, dann dürfte das vierteljährliche Quartalswachstum bis Jahresende unter 1% fallen. China würde dann in diesem Jahr nicht wie geplant 7% wachsen, sondern eher 5,5%.

Zu guter Letzt entwickeln sich die Währungsreserven recht auffällig. Zum ersten Mal seit 1993 gehen sie substantiell zurück (Grafik 4). Insgesamt liegen die Reserven 250 Mrd. USD tiefer als vor einem Jahr. Ein Grund dafür dürften die Interventionen der Notenbank auf dem Devisenmarkt gewesen sein. Die Notenbank stützt die Währung. Der chinesische Remnibi müsste sich eigentlich abschwächen, bedenkt man, dass die Zinsen gesenkt wurden, aber das wird nicht zugelassen.
Kapital flieht aus China. Angesichts der moderaten Aussichten macht das Sinn. Die Währung müsste sich abschwächen, doch die Zentralbank stemmt sich dagegen. Wie lange sie das tun wird ist unklar. Gerüchten zufolge will China seine Währung bis Jahresende frei konvertierbar machen. Vorstellen kann ich mir das persönlich nicht, aber wissen kann man es nie. China hat schon häufiger große Reformen relativ schnell umgesetzt. Sie sind da etwas weniger zimperlich als in anderen Ländern.

In China ist momentan sehr viel los. Das zeigt unter welchem Druck die Regierung steht die Lage zu stabilisieren. Es geht letztlich um nichts weniger als eine „harte Landung“ der Wirtschaft zu verhindern. Trotz aller Bemühungen darf man nicht ausschließen, dass die chinesische Wirtschaft für die Regierung eine Nummer zu groß geworden ist, um sie erfolgreich und schnell genug steuern zu können.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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