Fundamentale Nachricht
12:03 Uhr, 18.03.2016

Brex… in!

Wirkungsvoller Wirtschaftsliberalismus braucht Frieden, Stabilität und unbehinderten Verkehr von Menschen und Gütern, meint Didier Le Menestrel, Chairman von La Financière de l’Echiquier.

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Paris (GodmodeTrader.de) – Wir schreiben den 23. Juni 2016. Die Briten haben sich gerade für den Austritt aus der Europäischen Union ausgesprochen. Nach wochenlangen leidenschaftlichen Debatten ist der berühmte „Brexit“ Realität geworden. Wir sind weit von dem angekündigten Jubel entfernt: In den Londoner Straßen geht es gewohnt geschäftig zu, aber auch nicht mehr. Es gibt Siege, die einen bitteren Beigeschmack haben. Beiderseits des Ärmelkanals schaut keiner über seinen Tellerrand hinaus. Zehntausende kluge französische Köpfe – Finanzflüchtlinge – beginnen damit, sich eine neue steuerlich oder beruflich annehmbare Bleibe zu suchen. Der Pariser Immobilienmarkt zittert, wie Didier Le Menestrel, Chairman von La Financière de l’Echiquier, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

In Luxemburg dagegen würden die Champagnerkorken knallen. Und zwar nicht nur, weil der 23. Juni Nationalfeiertag sei. Nein, gefeiert werde vor allem das fortwährende Wirtschaftswunder eines kleinen Landes mit etwas mehr als 300.000 Einwohnern, das plötzlich durch die Aussicht auf britische Manager gestärkt werde, die gezwungen seien, ihr gesamtes Know-how in der Vermögensverwaltung über das Großherzogtum zu verkaufen. Dieser kleine Science-Fiction-Exkurs habe bereits begonnen, die Fantasie der Leitartikler anzuregen. In den nächsten Wochen werde man zweifellos mehr davon hören, je näher der Countdown rücke. Die Marktakteure dagegen sprächen keine großen Worte, seien aber stets zum Handeln bereit und zögerten schon heute nicht, auf den unsicheren Ausgang des Referendums zu verweisen, um damit ihr schwankendes Verhalten teilweise zu rechtfertigen. Dies sei ein weiteres Element, das die Misstöne an den Finanzmärkten verstärke, heißt es.

„In diesem letzten Punkt möchte ich darauf hinweisen, dass die aktuelle Volatilität nicht außergewöhnlich ist. Die Marktteilnehmer sind versessen auf diese ständige Instabilität und zahlreiche Produkte leben und nähren sich allein vom Preis der Vermögenswerte. In einem weltweiten wirtschaftlichen Umfeld, in dem das Wachstum dauerhaft unter drei Prozent liegen wird und in dem den Wirtschaftslokomotiven der letzten Jahre – China, erdölfördernde Länder und Schwellenländer – die Luft ausgeht, treten Zweifel und Ängste im Handumdrehen an die Stelle von Optimismus und Anlegerlaune. Eine solche Marktkonstellation, bei der die Akteure nicht mehr wissen, für welche Anlageklasse sie sich entscheiden sollen, ist nicht selten in der Wirtschafts- und Börsengeschichte. Die Inflation der 1970er Jahre, die Finanzexzesse in den 1980er Jahren oder die geldpolitischen Strategien des folgenden Jahrzehnts sorgten bei Investoren – je nachdem, wie die von allen Seiten verbreiteten alarmierenden Nachrichten lauteten – für mehr als eine unruhige Nacht“, so Le Menestrel.

Die dauerhafte Realität habe jedoch anders ausgesehen: Der beständige Rückgang der Zinssätze, die weltweit steigende Zahl an Konsumenten, der freie Güter- und Personenverkehr seien der Anlass für äußerst angsteinflößende Szenarien gewesen. Letztendlich habe das Geschehen an den Märkten nur wenig Bedeutung und die hier umherschwirrenden Meldungen seien oftmals irreführend. Es seien nicht die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Austritts aus der Europäischen Union, die beunruhigend seien, sondern vielmehr die Symbolkraft, die ein solcher möglicher Brexit habe. Ein wirkungsvoller Wirtschaftsliberalismus brauche Frieden, Stabilität und einen unbehinderten Verkehr von Menschen und Gütern. Der weltweit zunehmende Nationalismus und der Versuch, sich auf sich selbst zu besinnen, dürften sich nicht auf das überzeugende Vorbild eines Volkes berufen, das in der Vergangenheit für seinen Pragmatismus und seine Fähigkeit anerkannt gewesen sei, schwierige Entscheidungen zu treffen, heißt es weiter.

„Gestehen wir unseren britischen Freunden diese in Europa einmalige Besonnenheit zu, die für sie geltenden Regeln in Frage zu stellen. Die Tatsache, dass durch dieses Referendum die Mängel an der derzeitigen Organisation der Europäischen Union in den Mittelpunkt gerückt werden (Definition der Grenzen, Haushalt, Regulierung), bringt allen etwas, sofern Einigkeit in Bezug auf folgende wesentlichen Punkte besteht: „Der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa für die Zivilisation leisten kann, ist unerlässlich für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen.“ Das Vereinigte Königreich sei ein Freund, dem wir nicht gerne allzu oft begegnen, da er die Gabe habe, uns unverblümt die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Sicherlich ein lästiger Freund, den es Jahr für Jahr zu ertragen gelte. „Aber wir nennen ihn weiter ‚Freund‘ und fordern ihn auf, sich an unseren Tisch zu setzen, denn wir wissen in unserem Innersten, dass wir ohne ihn nicht in gleicher Weise vorankämen“, so Le Menestrel.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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