Brasilien: Politische Unruhe und wirtschaftliche Probleme
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Brüssel (GodmodeTrader.de) - Am 28. Oktober wird es in Brasilien zu einer Stichwahl um das Amt des Präsidenten kommen. Die aktuelle Situation in der stärksten Volkswirtschaft Südamerikas ist geprägt von politischer Unruhe und wirtschaftlichen Problemen. Der Ausgang der Stichwahl wird von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens sein, wie Marian Heller, Portfoliomanager im Asset Management der BKC, in einem aktuellen Interview, das GodmodeTrader freundlicherweise von der BKC zur Verfügung gestellt wurde, erklärt.
Wie beurteilen Sie den Zustand der brasilianischen Wirtschaft?
Heller: „Nicht alle Kennzahlen in Brasilien sind schlecht: Die Auslandsverschuldung ist relativ gering, die Inflation niedrig und das Leistungsbilanzdefizit in den letzten Jahren deutlich zurückgekommen. Allerdings muss das brasilianische Volk derzeit schmerzlich erfahren, dass nicht dauerhaft zulasten der Zukunft regiert und gelebt werden kann. Der jüngste Abschwung an den Rohstoffmärkten ging einher mit der schwersten Rezession in der Geschichte des Landes.“
Was sind die größten Herausforderungen für den Wahlsieger?
Heller: „Wer die Stichwahl am 28. Oktober gewinnt, wird sich der Herkulesaufgabe stellen müssen, lange überfällige Strukturreformen unter massivem Gegenwind der Bevölkerung und der Opposition umzusetzen. Hierzu zählen die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und vor allem die bei der Bevölkerung verhasste Reform des Pensionssystems. Ohne Erfolg an dieser Front werden Pensionsaufwendungen jährlich um ca. 0,3 Prozent des BIP wachsen und somit Kürzungen bei Gesundheit, Bildung und öffentlichen Löhnen erforderlich machen. Neben den strukturellen Themen wie Reformbedarf und Korruption ist vor allem das massive Haushaltsdefizit (minus 7,8 Prozent des BIP für 2017, Tendenz weiter steigend) besorgniserregend. Die daraus resultierende wachsende Staatsverschuldung hatte bereits 2017 mit 73 Prozent des BIP ein Niveau erreicht, bei dem es historisch für ein Schwellenland extrem schwierig ist, ohne radikale und schmerzhafte Rosskur zu gesunden. Werden hier nicht zeitnah Fortschritte erzielt, droht ein Teufelskreis weiter ansteigender Refinanzierungskosten durch erhöhte Länderrisikoprämien, u.a. aufgrund von Ratingherabstufungen. Diese stellen eine nachhaltige Finanzierung des schnell wachsenden und besorgniserregend hohen Schuldenberges in Frage.“
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie bei einem Wahlsieg Fernando Haddads?
Heller: „Es ist fraglich, ob Fernando Haddad die notwendigen Strukturreformen angehen würde. Er hat sich u.a. für die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und für die Aufhebung der verfassungsrechtlich verankerten Ausgabengrenze ausgesprochen. Selbst wenn er die öffentlichen Ausgaben in nennenswertem Maße reduzieren möchte, ist mit massiven Gegenwind von seiner eigenen Partei zu rechnen, die als Bollwerk gegen Wirtschaftsreformen gilt.“
Was erwarten Sie von Jair Bolsonaro im Falle eines Wahlsieges?
Heller: „Das überraschend klare Abschneiden von Bolsonaro in der ersten Runde erhöht die Siegchancen in der Stichwahl deutlich und dürfte sehr positiv für brasilianische Assets sein. Mit seinem Wahlsieg verbindet sich die Hoffnung auf die Implementierung dringend nötiger Strukturreformen und ein entschlossenes Vorgehen gegen Korruption und Kriminalität, welche die wirtschaftliche Entwicklung bremsen. Jair Bolsonaro gibt zu, wenig von Wirtschaft zu verstehen und ist in der Vergangenheit auch nicht als Reformer aufgefallen. Die Wahl seines Wirtschaftsberaters, des international anerkannten Ökonomen und Bankers Paulo Guedes, hat ihm jedoch Vertrauen bei Investoren eingebracht. Bolsonaros Team hat – anders als Haddad – die wirtschaftlichen Herausforderungen klar benannt. Inwieweit die richtige Identifizierung der Probleme nach einem möglichen Wahlsieg in nachhaltige Reformen übersetzt werden kann, ist derzeit in keiner Weise verlässlich prognostizierbar.“
Was ist notwendig, um Brasilien wieder zu stärken?
Heller: „Helfen würde dem Land eine Erholung der Rohstoffmärkte, aber ohne ein deutliches Bekenntnis zu Strukturreformen werden Ratingabstufungen und eine weitere Erosion des wirtschaftlichen Vertrauens nicht zu verhindern sein. Dies würde die derzeitige Polarisierung weiter verschärfen.“
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