Fundamentale Nachricht
14:55 Uhr, 21.08.2017

Bleibt der Euro weiterhin stark?

Für die kommenden Monate dürfte Natixis-Chefökonom Philippe Waechter zufolge keine weniger akkommodierende Geldpolitik seitens der EZB zu erwarten.

Erwähnte Instrumente

  • EUR/USD
    ISIN: EU0009652759Kopiert
    Kursstand: 1,1782 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Frankfurt (GodmodeTrader.de) – Mit einem aktuellen Kurs von 1,18/1,19 US-Dollar ist der Euro zu einer teuren Währung geworden. Das europäische Zahlungsmittel hat jedoch auch gegenüber sämtlichen anderen Währungen zugelegt, wie Philippe Waechter, Chief Economist bei Natixis Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Sein effektiver Wechselkurs habe ein Niveau wie zuletzt Ende 2014. Daher könne man nicht mehr sicher sein, dass der Euro an Wert verlieren werde. Das erschwere die Aufgabe der EZB, da ein starker Euro eine Inflationsrückführung begünstige, wodurch die Wahrscheinlichkeit sinke, dass die Inflation im Euroraum sich dem von der Zentralbank gesetzten Ziel von zwei Prozent annähere, heißt es weiter.

Zu dieser Situation könne man zunächst drei Beobachtungen machen. „Erstens: der schnelle Anstieg des Eurokurses legt eine restriktive Geldpolitik nahe. Die Geldpolitik ist bereits zunehmend restriktiver geworden und der Standpunkt der EZB muss ihr Ziel einer Akkommodierung langfristig unterstützen, um mögliche Erwartungen hinsichtlich eines Kurswechsels nicht zu fördern. Die zweite Beobachtung lautet, dass ein starker Euro zum äußerst hohen Außenhandelsüberschuss der Eurozone passt. Der Kursverlust des Euro war zu diesem Überschuss nicht kompatibel. Die letzte Beobachtung ist der schwache Dollar. Sein effektiver Wechselkurs ist der niedrigste seit Ende 2016: Amerika geht es aktuell nicht gut“, so Waechter.

Ausgehend von diesen drei Beobachtungen könne man drei Erklärungen ableiten, welche hielfen, diese Kursschwankung zu verstehen. Die erste Erklärung sei eine politische. Ende 2016 erwarteten viele Investoren einen eher schwachen Euro. Der Hauptgrund hierfür habe möglicherweise in den sehr unterschiedlichen politischen Aussichten der USA und der Eurozone gelegen. Der Wahl Donald Trumps und seinem ehrgeizigen Haushaltskurs zur Stimulierung der Konjunktur hätten die Risiken des Populismus gegenüber gestanden, denen der alte Kontinent ausgesetzt gewesen sei, heißt es weiter.

„Die damals anstehenden Wahlen in Österreich, den Niederlanden und besonders in Frankreich ließen wenig Zweifel daran, dass in einem dieser Länder eine der populistischen Anti-Euro-Parteien an die Macht kommen würde. Angesichts des Risikos eines Auseinanderbrechens der Eurozone entschieden sich die Investoren dafür, auf die potentiellen Verbesserungen der Konjunkturaussichten der USA durch eine schnell restriktivere Geldpolitik zu setzen. Alles sprach dafür, dass der Dollar stabil bleiben und der Euro sogar unter Parität fallen würde. Dieses Szenario trat jedoch nie ein“, so Waechter.

Das Weiße Haus verfüge aktuell über praktisch keine Wirtschaftspolitik und der Konjunkturzyklus schwächle trotz der äußerst niedrigen Arbeitslosenquote. Diese Situation sei für Historiker äußerst interessant: sechs Monate, nachdem ein neuer Präsident in das Weiße Haus eingezogen sei, gebe es immer noch keinen Hinweis auf einen wirtschaftspolitischen Kurs. Das sei eine Katastrophe und wahrscheinlich so in der Geschichte noch nie vorgekommen. In der Eurozone dagegen seien nun alle populistischen Parteien aus Machtpositionen verdrängt worden, heißt es weiter.

„Das Risiko einer zerbrechenden Eurozone ist mittlerweile sehr gering, da die Europäer sich für Europa entschieden haben. Das haben die jüngsten Wahlen gezeigt, insbesondere in Frankreich, aber auch in den zahlreich durchgeführten Umfragen. Das politische Gleichgewicht hat sich innerhalb von nur sechs Monaten enorm verändert. Es gibt keine politischen Gründe für einen schwachen Euro und gleichermaßen auch keine politischen Gründe für einen starken US-Dollar mehr“, so Waechter.

Die zweite Erklärung resultiere aus der ersten. Die von Macron und Merkel ergriffenen politischen Maßnahmen seien auf den Wunsch ausgerichtet, die Institutionen der Eurozone zu stärken, um diese nachhaltiger und effizienter zu machen. Die Eurozone wirke wie ein potentiell stabiles Gebiet. Gleichzeitig entstehe im Vereinigten Königreich Instabilität, da die Brexit-Verhandlungen zunehmend unsicherer erschienen. Auch in den USA, wo die US-Bundesregierung sich im Konflikt mit Bundesstaaten befinde und wo man beobachten könne, wie die Regierung von ihren Zusagen abrücke sowie eine manchmal aggressive Haltung gegenüber Handelsabkommen einnehme, wie z. B. bei den jüngsten Drohungen in Richtung China, bestehe eine wesentliche Instabilität. Mit der EZB steche die Eurozone als ein Hort politischer Stabilität und finanzieller Ruhe hervor. Dies sei ein wichtiger Aspekt für Investoren und stärke die europäische Währung, heißt es weiter.

„Die dritte Erklärung resultiert aus der Geldpolitik. Die US-Notenbank wirkte zögerlicher in puncto höheren Zinssätzen. Das Gleichgewicht zwischen der Fiskalpolitik und der Geldpolitik ist ein anderes, als zu Beginn des Jahres erwartet. Wenn die Finanzpolitik keine Anreize zur Unterstützung der Wirtschaftsaktivität bietet, dann muss die Politik der Fed weiterhin akkommodierend sein. In der Eurozone besteht dagegen ein stabiles Wachstum, das sogar noch weiter an Tempo zulegen könnte. Investoren bereiten sich daher nun darauf vor, dass die akkommodierende Geldpolitik irgendwann ein Ende finden wird. Diese Einschätzung wurde von der wahrscheinlich übertriebenen Interpretation von Mario Draghis Kommentaren beim EZB-Forum in Sintra untermauert, wo er über die kommende Normalisierung der Währungspolitik sprach“, so Waechter.

Obwohl der EZB-Präsident seine Anmerkungen später zurückgenommen habe, sei damit in der Eurozone ein wichtiger Schritt getan worden. Wenn das Wachstum anhalte, werde die EZB irgendwann eine restriktivere Haltung einnehmen müssen, und dieser Zeitpunkt sei nicht mehr so weit entfernt, wie vormals angenommen. Dieser neue Unterschied bei den Erwartungen an die Geldpolitik deute auf eine künftig etwas stärkere europäische Währung hin, heißt es weiter.

„Vom politischen Standpunkt aus gesehen wirkt die Eurozone also positiver: mit mehr Einheit, höherer Kohärenz und zudem höherer Stabilität als die USA. Diese Verschiebung stellt eine langfristige Veränderung dar, da eine drastische Veränderung Donald Trumps über die kommenden Monate unwahrscheinlich erscheint und gleichzeitig der Glaube an einen stärkeren Zusammenhalt der Eurozone immer größer wird. Daher ist für die kommenden Monate keine weniger akkommodierende Geldpolitik seitens der EZB zu erwarten. Es scheint tatsächlich eher das Gegenteil einzutreten, um den stabilen Aufschwung der Eurozone nicht zu behindern“, so Waechter.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten