Fundamentale Nachricht
08:02 Uhr, 21.04.2017

Bitte keine Politik!

Ein Plädoyer von Didier Le Menestrel, Chairman von La Financière de l’Echiquier, für Europa und warum wir seinen Gründungsgedanken nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Erwähnte Instrumente

  • CAC 40
    ISIN: FR0003500008Kopiert
    Kursstand: 5.077,91 Pkt (Euronext Paris) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Paris (GodmodeTrader.de) – Am 21. November 1620, einige Tage bevor sie zum ersten Mal Fuß auf amerikanischen Boden setzten, unterzeichneten die 102 Passagiere der Mayflower auf ihrer Flucht vor Jakob I., König von England und Irland, einen Vertrag, der das Fundament einer neuen Welt bilden sollte. Der Mayflower Compact als Vorläufer der US-amerikanischen Verfassung kennzeichnet die Geburtsstunde einer neuen demokratischen Gesellschaft, die auf der Freiheit und dem Respekt für die Überzeugungen eines jeden Einzelnen beruht, wie Didier Le Menestrel, Chairman von La Financière de l’Echiquier, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Zwei Jahrhunderte später habe sich Alexis de Tocqueville als besonnener Beobachter während seines Aufenthaltes im noch jungen Amerika die Frage nach den potenziellen Hindernissen für die Demokratie gestellt. Zwei Gefahren erschienen ihm dabei besonders eklatant: Einerseits die Vereinheitlichung des Einzelnen derart, „dass das Menschengeschlecht stehenbleibt und sich selber beschränkt, dass der Geist sich ewig wieder und wieder über sich selbst beugt, ohne neue Ideen hervorzubringen“ sowie andererseits die Schaffung eines „vorsorglichen und milden“ Despotismus, den eines Wohlfahrtsstaates, in dem die Bürger ihre Freiheit aufgäben und der in sämtliche Bereiche ihres Lebens eingreife, heißt es weiter.

„Es ist angebracht, die Präsidentschaftswahlen in Frankreich mit den Augen von Alexis de Tocqueville zu betrachten, da der Populismus immer mehr erstarkt und diese Wahl außerdem den Zustand unserer Demokratie infrage stellt. Offensichtlich besteht die Hauptmethode, mit der die Kandidaten die Wahl gewinnen möchten, in der Anhäufung neuer Versprechungen in allen Bereichen. Und bei dieser großen nationalen Versteigerung wird weiterhin ein Staat angepriesen, der alles kann – und das sofort. Eine solche Vorgehensweise wurde nicht erst gestern erfunden und ist der Grund, weswegen heute jedes französische Kind mit einer Last von 30.000 Euro öffentlicher Schulden geboren wird“, so Le Menestrel.

Bei der französischen Bevölkerung treffe dieser Sirenengesang jedoch zunehmend auf taube Ohren: Einige Tage vor dem ersten Wahlgang gebe die Mehrheit der Franzosen an, einen leeren Stimmzettel abgeben zu wollen. Vor drei Jahren hätten 25 Prozent der Franzosen diese Absicht bekundet, heute seien es bereits über 40 Prozent, die dies ernsthaft in Betracht zögen. Ein Ausdruck der Ratlosigkeit der Wählerschaft angesichts der ihr zur Verfügung stehenden Optionen, heißt es weiter.

„Die Prophezeiungen von Tocqueville scheinen sich auf eklatante Weise im Herzen unserer europäischen Demokratien zu bewahrheiten. Es ist dringend notwendig, den ‚vorsorglichen Staat‘ von einem Teil seiner Last zu befreien. So besteht laut Tocqueville die wichtigste Aufgabe einer guten Regierung darin, ihren Bürgern nach und nach beizubringen, wie sie ohne sie auskommen. Zusätzliche Schichten schaffen keine Erleichterung, sie erhöhen die Last nur zusätzlich. Im Gegenteil spricht alles für leichtere Strukturen und die Wiedereroberung sämtlicher Freiheiten ihrer Staatsbürgerschaft durch die Franzosen selbst. Wir müssen den Vereinigten Staaten hier zugutehalten, dass sie ihren Gründungsmythos nie aus den Augen verloren haben und permanent die Frage nach der korrekten Rolle des Staates im Leben eines jeden Einzelnen gestellt wird“, so Le Menestrel.

Vor genau 60 Jahren hätten auf dem alten Kontinent sechs Länder die Römischen Verträge unterzeichnet, mit denen die EWG und damit der gemeinsame Markt geschaffen worden seien. Eine einfache, visionäre und zugleich noble Idee auf der Grundlage der Freiheit und mit dem Zweck, die Zusammenarbeit und den Frieden zwischen den Nationen zu stärken. Eine Idee, welche die Europäer nach und nach mit großer Mehrheit befürwortet hätten – und deren Prinzip unser Leben wahrhaftig verändert habe, heißt es weiter. „Wie kann man heutzutage zum Beitritt motivieren, wenn sich Europa von der Idee seines ursprünglichen Pakts entfernt und stattdessen damit abmüht, Normen über die Größe von Gurken oder Hühnereiern zu etablieren? Genug der Normen. Nie war es so wichtig wie heute, den Geist von Rom oder der Mayflower wieder aufleben zu lassen“, so Le Menestrel.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten