Bewertungen am europäischen Aktienmarkt teilweise verzerrt
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- FTSE 100Kursstand: 6.810,00 Pkt (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
London (GodmodeTrader.de) – Eine steigende Anzahl von Anleihen weist negative Renditen auf. Auf ihrer Suche nach positiven Erträgen stehen Investoren daher vor immer größeren Herausforderungen. Philip Webster, Director European Equities bei BMO Global Asset Management, erklärt in einem aktuellen Marktkommentar, warum es dadurch zu Verzerrungen an den Finanzmärkten kommt und welche Konsequenzen dies für europäische Aktien hat. Den Aufstieg so genannter Bond Proxies, also von defensiven Aktien, die in einer Niedrigzinsphase als Ersatz für Anleihenengagements dienen sollen, sieht Webster kritisch.
„Angesichts geringer oder negativer Renditen auf realer und nun auch nominaler Basis suchen immer mehr Anleger Trost in Bond Proxies. Es ist einigermaßen nachvollziehbar, dass Aktien aus dem Basiskonsumgüter- und Versorgungssektor, die jeweils höhere Renditen als vergleichbare Bonds bieten, gegenüber Aktien aus anderen Bereichen als sicherer gelten. Dennoch befinden sich Aktien und Anleihen nach wie vor an sehr unterschiedlichen Punkten im Risiko-Ertrags-Spektrum. Bond Proxies genießen daher einen Vertrauensvorschuss, der eigentlich nicht gerechtfertigt ist“, sagt Philip Webster. Daher müssten sich Anleger die Frage stellen, was sie bereit sind, für die Wahrnehmung einer Anleihen-ähnlichen Sicherheit zu zahlen.
Webster betont, dass die Marktbewertungen zurzeit das Risiko-Ertrags-Verhältnis nicht angemessen widerspiegeln. Manche Stimmen sprächen sich angesichts historisch niedriger Anleiherenditen und Zinsen und trotz der kontinuierlichen Neubewertungen für Käufe im Aktiensegment aus. So sei beispielsweise kürzlich in einem Artikel der Financial Times die Frage aufgeworfen worden, ob es sich Investoren überhaupt noch leisten könnten, nicht in Bond Proxies investiert zu sein. Aussagen wie diese hätten die Diskussion angeheizt, und obwohl es zahlreiche Warnsignale gebe, würden die Aktienpreise dies nicht reflektieren. „Unsere Bedenken stützen sich auf die drei Grundsätze unserer Investmentphilosophie: Qualität, Management und Bewertung. Wir sind überzeugt davon, dass vor jedem Hintergrund der gezahlte Preis hinsichtlich der generierten Erträge fundamental ist“, so Webster.
Dem Portfoliomanager zufolge ist Nestlé ein gutes Beispiel für diese Entwicklung. Während die Erwartungen für den Gewinn je Aktie von Februar 2012 bis August 2016 immer weiter sanken, stieg im gleichen Zeitraum der Aktienkurs an. Dabei weist Webster darauf hin, dass noch weitere Faktoren wie Wechselkurs oder Akquisitionen auf diese Zahlen wirken. „Grundsätzlich gilt, dass der Aktienkurs nicht von den Erträgen, sondern von Neubewertungen angetrieben wird. Für ein Wachstum des Kurs-Gewinn-Verhältnisses im mittleren einstelligen Prozentbereich, müssen Anleger das 22-Fache der diesjährigen Erträge zahlen. Um es ganz deutlich zu machen: Nestlé ist höher bewertet als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen zehn Jahren, obwohl Absatz- und Ertragswachstum unter dem historischen Trend liegen.“ Der Fall Nestlé sei symptomatisch für die gegenwärtige Marktsituation, weil sie das Bedürfnis zeige, eine vermeintlich sichere Anlage in Form eines Bond Proxy zu halten. Das treffe eben nicht nur auf Nestlé, sondern auf eine Vielzahl weiterer Unternehmen zu, deren Wachstum sich verlangsame, während gleichzeitig die Kurse stiegen. „Unserer Ansicht nach handelt es sich dabei um eine Entkopplung von den zugrunde liegenden Fundamentaldaten“, betont Webster.
Wann Value-Aktien wieder in Mode kommen, könne am Markt laut Webster niemand beantworten, weil es weiterhin eine Rotation in Marktsegmente gebe, in denen die Aktienkurse sich von den Fundamentaldaten entkoppelt hätten. Die Geschichte habe gezeigt, dass das Platzen von Anlageblasen gewöhnlich nur eine Frage der Zeit sei. „Als Vertreter eines fundamentalen Stockpicking-Ansatzes hat sich unsere Philosophie und der Investmentprozess allerdings nicht geändert – wir gehen dort Positionen ein, wo wir Qualitätsaktien finden, die unterbewertet sind oder die nicht mehr in der Anlegergunst stehen. Zudem achten wir bei unserer Analyse auf die richtige Balance von Risiko und Ertrag sowie eine gewisse Sicherheitsmarge“, erklärt Webster.
Derzeit setzt er verstärkt auf Aktien von Firmen aus der Finanzbranche, die über eine gute Kapitalbasis verfügen und attraktive Dividendenrenditen aufweisen. Die Papiere von Handelsbanken, der Deutschen Börse, der ING Group, der Swedbank und UBS werden voraussichtlich profitieren, wenn sich das Sentiment für diesen Sektor wieder ins Positive wendet. „Von unserer Investmentphilosophie sind wir weiterhin voll und ganz überzeugt. Selbst wenn es momentan nicht in Mode ist, den Fokus auf Value-Aktien und Fundamentaldaten zu richten, wird das nicht für ewig anhalten. Und dann möchten wir auf der richtigen Seite stehen“, schließt Webster.
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