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15:05 Uhr, 24.02.2009

Bewährungsprobe für Russland

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Von Magister Dieter Kerschbaum, ERSTE-SPARINVEST KAG, der Fondsgesellschaft der Erste Group Bank und der österreichischen Sparkassen.

Der Absturz der Rohstoffpreise, die Ausbreitung der Wirtschaftskrise und der Krieg in Georgien haben der russischen Wirtschaft 2008 schwer zu schaffen gemacht. Ausländische Investoren, die den Wirtschaftsboom in den vergangenen fünf bis zehn Jahren maßgeblich stimuliert hatten, brachten ihre Gewinne ins Trockene und zogen Kapital von den Börsen ab. Infolge des dramatisch gesunkenen Ölpreises könnte das Budgetdefizit in diesem Jahr bis zu acht Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen. Der Rubel verlor seit August des Vorjahres um rund 35 Prozent an Wert. Daher wundert es nicht, dass das Licht am Ende des Tunnels derzeit kaum wahrgenommen wird.

Über die vergangenen Jahre hindurch wurden Länder wie Brasilien, Russland, Indien und China nicht mit dem Begriff „Entwicklungsländer“ assoziiert, sondern mit Begriffen wie Aufschwung, Wachstum und Dynamik. Von mancher Seite wurde die These vertreten, dass sich die Emerging Markets von der Abschwächung der Weltwirtschaft und damit auch von Amerika abkoppeln könnten. Die Finanzkrise hat uns eines besseren gelehrt. Zwar gehören die hohen Wachstumsraten vorerst der Vergangenheit an, an den langfristig positiven Aussichten für die gesamte CEE Region hat sich nichts geändert. Der Nachholbedarf bei der Infrastruktur, beim Konsum oder bei der Etablierung eines Bankwesens nach westlichem Standard bleibt die nächsten zwei Jahrzehnte bestimmend.

2009: Nullwachstum prognostiziert

Die meisten volkswirtschaftlichen Kennzahlen liefern derzeit wenig Grund für Optimismus. Durch die internationale Kreditkrise sind die Kapitalströme in das 142 Millionen Einwohner-Land mit seiner riesigen Fläche von mehr als 17 Millionen Quadratkilometern ins Versiegen geraten. Nach Jahren hohen BIP-Wachstums werden der niedrige Ölpreis und die Wirtschaftslaute die russische Wirtschaft in diesem Jahr bestenfalls stagnieren, wenn nicht sogar schrumpfen lassen. Ursprünglich ging die Regierung für dieses Jahr von einem Durchschnittspreis von 91 Dollar je Fass aus. Derzeit liegt er aber nur bei gut 40 Dollar. War man in den vergangenen Jahren BIP-Wachstumsraten zwischen fünf und zehn Prozent gang und gäbe, so prognostiziert die russische Zentralbank für 2009 lediglich ein Nullwachstum. Die Industrieproduktion ist allein im Dezember um 10,3 Prozent geschrumpft.

In die Abwärtsspirale mitgezogen wurde auch der Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenrate ist über sieben Prozent gesprungen und damit so hoch wie zuletzt 2005. Der Preisanstieg bewegt sich konstant über zehn Prozent, sodass der russischen Zentralbank nichts anderes übrig blieb, als die Zinsen vor wenigen Tagen auf aktuell 13 Prozent zu erhöhen. Die Ratingagentur Fitch hat am 4. Februar das Rating von Russland auf BBB (von BBB+) gesenkt. Da sich die Luft zwischen der großteils einkommensschwachen Bevölkerung und der finanziell nach wie vor gut situierten Oberschicht verschärft, können soziale Unruhen nicht ausgeschlossen werden. Wie schnell ein Konflikt in eine gewaltsame Auseinandersetzung münden kann, dafür lieferte der bewaffnete Konflikt mit Georgien den Beweis: Und der Gaskonflikt mit der Ukraine demonstriert, wie sehr manche westeuropäische Länder von russischen Energiequellen anhängig sind.

Licht und Schatten

Das vordergründig düstere Bild hat auch hellere Facetten: Die Lage der russischen Wirtschaft stellt sich verglichen mit dem Krisenjahr 1998 als wesentlich stabiler dar. Dank des bis zur Jahresmitte 2008 kontinuierlich gestiegenen Öl- und Gaspreise verfügt Russland immer noch über Devisenreserven von aktuell 385 Mrd. Dollar. Mit dieser „Kriegskasse“ verfolgt die Zentralbank eine Politik der kleinen Schritte in Bezug auf die Abwertung des Rubel. Nun hält sie die Landeswährung in einem breiten Band zu einem Währungskorb aus Euro und Dollar mit einer oberen Grenze von 41 Rubel. Der schwache Rubel kommt zwar den Exporteuren zugute, ist aber Banken und Unternehmen, die im Laufe der Jahre hohe Auslandsschulden angehäuft haben, weniger dienlich.

Die Politik, wie immer man auch zu ihr stehen mag, vermittelt dem Ausland ein Bild der Stabilität, die man in den 90-er Jahren vergeblich gesucht hatte. Vladimir Putin steht schon seit einem Jahrzehnt an der Spitze des Staates, zuerst als Präsident, nun als Ministerpräsident und vielleicht in einigen Jahren wieder als Präsident. Die Zusammenarbeit mit dem als „Liberalen Reformer“ geltenden Präsidenten Dimitri Medwedew wird anders als bei den verantwortlichen Akteuren in der Ukraine als harmonisch und konstruktiv wahrgenommen.

2010 wieder auf Wachstumskurs?

Nach dem zu Jahresbeginn offen ausgetragenen Gasstreit mit der Ukraine, der auch auf Westeuropa abgefärbt hat, strebt der Kreml nun eine Verbesserung der Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union an. Dies könnte Investoren dazu bewegen, nach und nach wieder Kapital in die Hand zu nehmen, um die ins Stocken geratenen Projekte voran zutreiben. Die russische Zentralbank geht davon aus, dass die Wirtschaft nach dem erwarteten „Durchhänger“ im heurigen Jahr, schon 2010 wieder auf den Wachstumskurs einschwenken wird. Das BIP sollte 2010 auf 3,8 Prozent steigen, sofern die Prognosen nicht revidiert werden müssen.

In dieses Bild passt eine Umfrage der Economist Intelligence Unit, die im Auftrag des Kreditversicherers Atradius im November 2008 durchgeführt wurde: Nach Ansicht von 300 Vorständen, Geschäftsführern und leitenden Angestellten von CEE-Unternehmen stehen die Länder der Region in diesem Jahr vor ihrer Bewährungsprobe. 40 Prozent der befragten Unternehmen sehen mäßige Auswirkungen durch die Kreditkrise, 30 Prozent große bzw. sehr große. So groß die Sorgen über die derzeitigen Instabilitäten an den Finanzmärkten sind, so optimistisch sind die Einschätzungen für die langfristigen Wachstums- und Wirtschaftsperspektiven auf den Märkten Mittel- und Osteuropas. Im Laufe der kommenden drei Jahre rechnen die meisten Unternehmer mit einem Umsatzwachstum von über sechs Prozent. Neun von zehn Befragten sehen in den nächsten Jahren steigende Gewinne.
Attraktive russische Staats- und Unternehmensanleihen
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Es lohnt sich ein Blick auf die Finanzmärkte, denn sowohl die Renten- als auch die Aktienmärkte warten mit nicht täglich vorhandenen Ertragschancen auf: Russische Staatsanleihen rentieren derzeit zwischen sieben und acht Prozent und damit um vier bis fünf Prozentpunkte über den Renditen vergleichbarer Euro-Staatsanleihen. Dank der niedrigen Staatsverschuldung verfügt das Land über erhebliche Devisenreserven, die den kleinen Malus durch die Rating-Abstufung abfedern. An den Kreditmärkten werden Titel mit erstklassiger Bonität wie Gazprom oder VTB mit historisch hohen Risikoaufschlägen von acht bis zehn Prozent gehandelt. Einige Investoren haben den Braten bereits gerochen: Die Preise für russische Unternehmensanleihen sind seit Jahresbeginn bereits um rund 14 Prozent angezogen, Wenn an den Märkten für Unternehmensanleihen die Zuversicht Oberhand gewinnt, sind weitere Kursgewinne vorprogrammiert.

Börse Moskau: Günstiges KGV von drei bis vier

Ein noch viel größeres Potenzial bergen die Aktienmärkte in sich. Der russische Börsenindex RTS hat seit Mai 80 Prozent an Wert verloren. Mit einem KGV von drei bis vier zählt die Börse Moskau zu den billigsten Aktienmärkten weltweit. Der amerikanischen Ölriese Exxon Mobil bringt mit 388 Mrd. Dollar eine höhere Marktkapitalisierung in die Waagschale als alle im RTS gelisteten Unternehmen zusammen. Und die Unternehmen notieren deutlich unter Buchwert, sofern diese Gewinnprognosen halten.

Fazit: Wenn man die Lage der russischen Finanzmärkte betrachtet, zeigen sich Parallelen zum Krisenjahr 1998. Die Aussichten auf eine Erholung sind aber nicht so schlecht, wie das Bild, welches die Schlagzeilen vermitteln. Investoren, die sich an den Aktien- und Anleihenmärkten engagieren möchten, sollten solide gemanagte und breit diversifizierte Investmentfonds heranziehen.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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