Kommentar
10:36 Uhr, 07.02.2012

Bedingungslose Kapitulation Griechenlands?

In der Griechenland-Krise wird die Sprache zunehmend militärisch. „Bedingungslos“ sollen die Griechen den Sparvorschlägen zustimmen, Merkel hätte am liebsten einen Sparkommissar. Den deuten die Hellenen wiederum in einen Gauleiter um. Die Gesprächsatmosphäre ist massiv vergiftet.

Man muss die griechische Seite bestimmt nicht in Schutz nehmen, jedenfalls was die Politik angeht. Lügen und statistische Fälschung zuhauf, und der Begriff Erpressung ist absolut angemessen für das, was seit Frühjahr 2010 abläuft. Die griechische Politik war sich immer sicher, dass Europa das Land nicht fallen lassen würde – nicht aus Mitgefühl, sondern schlicht aus Eigennutz. Es stand und steht viel auf dem Spiel, aber die europäische Burg scheint inzwischen befestigt. Die Eurozone ist auf eine Pleite Griechenlands vorbereitet, und das lassen Merkel und Sarkozy die Gegenseite heftig spüren. Ab jetzt nur noch zu unseren Bedingungen lautet die Devise, und diese Bedingungen sind hart. So hart, dass sie schon fast an Demütigung heranreichen, was pure Absicht sein dürfte. Aktuelles Beispiel ist das griechische Sonderkonto, das vorgeschlagen wurde. Darauf soll ein Teil der Einnahmen des Staates fließen, damit Zins und Tilgung der Staatsschulden gewährleistet sind. Diese entmündigende Maßnahme soll den Investoren wohl so etwas wie Sicherheit suggerieren, da der griechische Staat keinen Zugriff auf das Konto bekommt.

In Wirklichkeit ist das natürlich nicht viel mehr als eine Alibiaktion. Im April finden in Griechenland Wahlen statt, und egal was die Parteien heute dazu sagen: Am Ende kann niemand garantieren, dass die nächste Regierung auf dieses Sonderkonto ganz einfach keine Zahlungen mehr leistet. Die rechtliche Verbindlichkeit und vor allem die Durchsetzbarkeit einer Erklärung der Parteien, die nun zu treffenden Entscheidungen auch nach den Wahlen mitzutragen, ist mehr als fraglich.

Die neue Härte der EU hat auch noch einen anderen Hintergrund. Die vielzitierte Kettenreaktion bei einer Griechenlandpleite hat eine kleine hässliche Schwester im Falle einer Nichtpleite. Dann nämlich, wenn Griechenland einen Teilerlass der Schulden erhält und trotzdem ungestraft im Euro verbleiben darf. Ist das nicht möglicherweise die viel gefährlichere Variante einer Kettenreaktion – wenn die anderen Krisenstaaten auch einen schönen Haarschnitt wollen? Aus Portugal hört man da bereits leise Signale…

Also demonstriert die europäische Führungsriege äußerste Härte, auch um mögliche Griechenlandnachahmer abzuschrecken. In letzter Zeit hat sich in mir aber der Verdacht erhärtet, dass das eigentliche Ziel inzwischen der Euroaustritt Athens ist – trotz gegenteiliger Behauptungen. Das kostet zwar ordentlich Geld und die Konsequenzen sind nicht durchgängig berechenbar, da die Märkte nun mal ein komplexes System darstellen. Aber die EZB ist vorbereitet, die Regierungen sind vorbereitet – das große Experiment kann starten. Griechenland bleibt als Alternative zur Pleite und dem Euroaustritt eigentlich nur noch die bedingungslose Kapitulation. Trotz aller unbestreitbarer Probleme die ein Austritt mit sich bringen wird, dürfte für die Griechen der Neuanfang außerhalb der Eurozone der bessere Weg sein.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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