Kommentar
10:00 Uhr, 18.02.2015

Bargeld: Die letzte Bastion

Eine Bastion ist ein Vorsprung in einem Festungswall, der es den Kanonieren ermöglicht die Hauptmauer zu verteidigen, selbst wenn sich die anrennenden Horden schon am Blinden Fleck, nämlich unmittelbar vor der Anlage befinden, wo sie von der Brustwehr aus nicht mehr einsehbar sind.

2015. Die Zinsen haben die „Zero Lower Bound“, die Nullzinsuntergrenze erreicht und teilweise sogar schon überwunden, aber noch existiert eine allerletzte Verteidigungslinie, welche die Zinssätze daran hindert nachhaltig in den negativen Bereich zu fallen, nämlich Bargeld.

Diese archaische Bastion selbst, kam über die letzten Jahre immer stärker unter Beschuss. Ökonomen wie zum Beispiel Kenneth Rogoff oder Miles Kimball wollen sie ganz abschaffen, um den Notenbanken mehr Spielraum zu eröffnen, Politiker schränken den Verkehr immer stärker ein, um gegen Steuerhinterziehung oder Kriminalität vorzugehen, und im Silicon Valley hält man diese Form der Bezahlung – weil nicht mit der eigenen Technik kompatibel - für grundsätzlich unzeitgemäß.

Allen Angriffen zum Trotz erlebt Bargeld in seiner berühmtesten Form – nämlich dem US-Dollar, derzeit aber ein Revival (Grafik 1). Seit ungefähr dem Jahr 2010 ist zu beobachten, dass das Wachstum von Bargeld im Umlauf wieder seinen langfristigen Trend aufnimmt, nachdem die Attraktivität von Cash in den Jahren nach der Jahrtausendwende eher gelitten hatte.

Untersucht man dieses Phänomen etwas genauer, dann fällt auf, dass die gesteigerten Zuwachsraten ganz hauptsächlich von der Nachfrage nach 100-Dollar-Scheinen befeuert werden.
Noch vor 15 Jahren waren 100-Dollar-Scheine im Wert von etwas unter 400 Milliarden US-Dollar im Umlauf, heute sind es schon 900 Milliarden Dollar. Die relative Bedeutung der großen Banknote im Vergleich mit kleineren Stückelungen stieg im entsprechenden Zeitraum von rund 67% auf 77% (Grafik 2).

Es kann nur darüber spekuliert werden, warum der Bedarf nach den Noten so steil anwächst, denn ihre Bedeutung ist im Bezahlalltag eher marginal. Laut einer Fed-Studie (siehe Link) werden nur 1,2% der Einkäufe im Wert von über 100 Dollar überhaupt in Bar abgewickelt. Wer auf der anderen Seite trotzdem mit einem 100-Dollar-Schein bezahlt, kauft damit eher Kleinigkeiten im Wert von durchschnittlich $32 ein.

Die geringe Relevanz der Note bei der Zahlungsabwicklung lässt zumindest die Vermutung naheliegend scheinen, dass sie wieder zunehmend als alternativer, weil bankensystemunabhängiger, Wertspeicher gesehen wird.

Einschränkend zu den statistischen Daten sei erwähnt, dass 65% der 100-Dollar-Scheine außerhalb der USA zirkulieren, denn es gibt weltweit nur wenige Wertaufbewahrungsmittel, die es mit dem Greenback aufnehmen können. Weiß ja jeder Diktator.

www.bostonfed.org/economic/rdr/2014/rdr1403.pdf

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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