Kommentar
19:39 Uhr, 22.08.2016

Bahnbrechende Rede von Janet Yellen?

Beim Treffen der Notenbanker in Jackson Hole diese Woche wird Janet Yellen am Freitag mit einer Rede aufwarten. Die Erwartungen an diese Rede sind hoch.

Die Erwartungen an Yellens Rede sind hoch, weil von ihr nicht weniger erwartet wird, als einen klaren Hinweis darauf zu geben, ob bzw. wann die nächste Zinserhöhung kommt. Die Rede ist die Chance der nächsten Wochen, den Markt vor der Sitzung der Notenbank im September auf die Entscheidung einzustimmen.

Diese Erwartungen können eigentlich nur enttäuscht werden. Die Vorgänger von Yellen besuchten das Symposium in Jackson Hole mit großer Begeisterung und ließen oftmals klare Tendenzen durchblicken. Janet Yellen handhabt das bisher anders. Im vergangenen Jahr war sie gleich gar nicht vor Ort.

Ohnehin bekleckern sich die US-Notenbanker zur Zeit nicht mit dem Ruf, dass sie klare Hinweise geben. Jeder Notenbanker hat so seine eigene Meinung, äußert sie von Zeit zu Zeit, widerspricht seinen Kollegen, stimmt ihnen ein anderes Mal wieder zu usw. Der neueste Geniestreich kam vergangene Woche: ein Notenbanker outete sich sowohl als Taube (für lockere Geldpolitik) als auch als Falke (für eine straffere Geldpolitik). Wer da den Durchblick bewahrt, dem gebührt großer Respekt.

Yellen wird am Freitag höchstwahrscheinlich keine bahnbrechende Rede halten, sondern ganz unaufgeregt die Vor- und Nachteile beider Sichtweisen (für und wider Zinsanhebung) präsentieren. Das liegt wohl einerseits daran, dass sie Jackson Hole bisher nicht als Plattform gesehen hat, um die zukünftige Geldpolitik zu bestimmen und andererseits daran, dass die Notenbank immer noch keine Ahnung hat, wie es der Wirtschaft wirklich geht.

Einige Notenbanker haben den Verdacht, dass es der Wirtschaft besser geht, als die meisten denken. Das Wirtschaftswachstum zeigt das derzeit nicht an, doch dafür gibt es gute Gründe (geringes Produktivitätswachstum und nahezu Vollbeschäftigung). Man sollte sich also nicht von den niedrigen Wachstumszahlen blenden lassen.

Ungefähr ein Drittel der derzeitig stimmberechtigten Notenbanker vermuten, dass sie der Zielerreichung (Inflation von 2 % und Vollbeschäftigung) sehr nahe gekommen sind. Zinserhöhungen sind demnach bald angebracht, um dann nicht, wenn das Ziel tatsächlich erreicht ist, stark auf die Bremse treten zu müssen.

Es handelt sich bisher nur um eine Vermutung, dass die Ziele bald erreicht sein könnten. Genaueres weiß man nicht. Die Wirtschaftsdaten sind teilweise widersprüchlich. Es gibt aber immerhin einen Datensatz, der nun etwas Licht ins Dunkel bringt. Der von der regionalen Chicagoer Notenbank erhobene National Activity Index (CFNAI) zeigt eine Belebung an.

Die heute veröffentlichten Daten weisen für Juli einen Wert von 0,27 auf. Das ist gut.

Der Index funktioniert folgendermaßen: der Durchschnittswert beträgt 0. Positive Werte zeigen ein Wirtschaftswachstum über dem Trend an und negative Werte zeigen ein unterdurchschnittliches Wachstum an. Derzeit deutet der Index einen Rebound an (Grafik 1). Das Wachstum dürfte sich demnach wieder beschleunigen. Das ist ein sehr willkommenes Zeichen, nachdem das erste Halbjahr besonders schwach ausfiel.

Wachstum und Beschäftigung sind nur die eine Seite der Medaille. Die Fed will auch die andere Seite sehen – Inflation. Auch hier gibt der CFNAI Auskunft. Notiert der Index drei Monate lang oberhalb von 0.7 Punkten, so ist mit erhöhter Inflation zu rechnen. Steigt der Index über 1 und verharrt dort drei Monate lang, muss man von strukturell höherer Inflation ausgehen.

Das sind die zwei Messages mit denen Yellen am Freitag ins Rennen gehen kann: das Beschäftigungsziel liegt in greifbarer Nähe wie die aktuell zu erwartende Wachstumsbeschleunigung andeutet, dafür ist das Inflationsziel immer noch nicht in Sicht. Das sind zwei Fakten, die keinen klaren Hinweis auf einen Zinsschritt im September geben können, dafür vielleicht für Dezember. Unter diesen Umständen wird die Rede von Yellen vermutlich eher langweilig.

Clemens Schmale

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11 Kommentare

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  • Silberpapst
    Silberpapst

    Vollbeschäftigung? Wer glaubt denn eigentlich noch diese manipulierten Daten ausser der FED selbst. Ich rufe mal daheim an um festzustellen, ob derjenige Arbeitslos ist oder nicht. Nimmt keiner ab so ist er ja ganz sicher arbeiten lach.... Dabei sind diese gerade unterwegs mit Ihren Lebensmittelmarken, die sie bekommen haben, weil sie arbeitslos sind. Oder sie malochen in Ihrem 2. oder 3. Job, weil sie nicht über die Runden kommen.

    Lange Rede kurzer Sinn: Die FED kann die Zinsen nicht anheben, da bin ich ebenso der Meinung ! Es geht ja auch nicht das plötzlich das Allzeithoch im Dow und im Nasdaq gefährdet ist !

    10:35 Uhr, 23.08. 2016
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Ich denke, die FED wird auch eine genaue Vorstellung davon haben, wer die Wahlen gewinnen soll. Eine gute Stimmung ist da vielleicht wichtiger als gute Wirtschaftszahlen. Für eine Krisenatmosphäre zu sorgen, wäre sicher die leichteste Übung, wenn das den Erwartungen der Bankbonzen entgegen käme. Jackson Hole ist traditionelles Cowboy-Gebiet. Schnelle Schüsse aus der Hüfte sollten also niemanden überraschen.

    08:49 Uhr, 23.08. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Nahezu Vollbeschaeftigung?In USA? Ich frage mich ernsthaft was die ueber 40 Mio. Foodstampbezieher zu diesen Rechentrapezkuensten sagen wuerden. Mann, Mann, was eine gigantische Luege.

    07:45 Uhr, 23.08. 2016
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Je länger die Fed die Märkte an der Nase herumführen kann, desto besser - aus ihrer Sicht. Deshalb sind diese ganzen Nebelkerzen selbstverständlich Teil ihrer "Strategie".

    Wie auch die Kommentare hier zeigen, verfängt dies mittlerweile immer weniger. Der Tag der Entscheidung rückt näher, denn es bleibt dabei:

    Die Fed kann die Zinsen überhaupt nicht anheben.

    01:08 Uhr, 23.08. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Oliver Dolezel
    Oliver Dolezel

    Sie wird das sagen was den Positionierungen der Commercials zugute kommt...

    00:39 Uhr, 23.08. 2016
  • Oliver Dolezel
    Oliver Dolezel

    Es ist unglaublich wie "nicht bahnbrechend" diese Rede wird. Gerade fällt mir wirklich überhaupt rein gar nichts unbahnbrechenderes ein als diese Rede. :D :D :D

    00:38 Uhr, 23.08. 2016
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Bahnbrechende Rede? Daß wird von den Big Playern keiner mehr erwarten. Die FED kommt mittlerweile nicht einmal mehr beim Leiter der Sparkassenzweigstelle glaubhaft rüber.

    Bahnbrechendes wird allerdings passieren, wenn die grossen Akteure beginnen, ihr nicht mehr vorhandenes Vertrauen in die FED in konkrete Marktentscheidungen umzusetzen.

    23:00 Uhr, 22.08. 2016
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    "Wer da den Durchblick bewahrt, dem gebührt großer Respekt." Ich habe eher den Eindruck, dass genau dies beabsichtigt wird. Die FED will sich damit nur Zeit kaufen, da sie unschlüssig ist, wie es weiter gehen soll.

    22:43 Uhr, 22.08. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    In Wirklichkeit hängt der Zinsentscheid von wesentlich mehr Faktoren ab, und das verschweigt die Fed gänzlich. Man soll sich von der Fed nicht mehr für dumm verkaufen lassen . So ein schwaches und nichtsagendes Geplappere seit vielen Quartalen ist erschreckend.

    Die einerseits guten Arbeitsdaten , passen mit der Wirklichkeit nicht zusammen . Immer mehr Firmenpleiten in den USA und viele viele Millionen die Essensmarken brauchen um über die Runden zu kommen , trotz Job. Thats great oder nicht !

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/08/22/rezession-kuendigt-sich-an-us-insolvenzen-steigen-deutlich/

    Machen wir uns nichts vor , die Fed mag von einem Wolkenkratzer im 100. Stock in New York herunterblicken uns sagen " Es passt eh alles " .

    In Wirklichkeit wird sich die USA und auch die Welt bei der immer grösser werdenden Schere zwischen arm und reich Gedanken machen müssen was da in Zukunft auf uns zu kommt !

    20:19 Uhr, 22.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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