Fundamentale Nachricht
08:35 Uhr, 26.02.2016

„Bär ohne Eigenschaft"

Rationale Anleger sollten nach Meinung von Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH, auf die Bewertungen der Aktien achten, das Rezessionsrisiko richtig einschätzen und sich einen langen Zeithorizont bewahren.

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  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 9.331,48 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

München (GodmodeTrader.de) - Im neuen Börsenblatt ruft Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH, den offiziellen Bärenmarkt an den Aktienmärkten aus. Auf der Suche nach den Gründen für die Kursverluste plädiert er dafür, das Rezessionsrisiko im Markt richtig einzuschätzen und auf die Geschäftsmodelle zu achten.

Der Zusammenhang zwischen Börse und Meinungen ist eng. Manchmal ist er auch zu eng, wenn die Anleger händeringend eine Geschichte suchen, um das zu rechtfertigen, was sie tun. Der aktuelle Kursverfall ist schwer zu begreifen. „Es ist, als handle es sich um einen Krach ohne Eigenschaften“, beschreibt von Wallwitz den aktuellen Bärenmarkt.

Von seinem Höchstkurs im April 2015 ist der DAX um knapp 30 Prozent gefallen, seit Jahresanfang sind es knapp 20 Prozent. „Damit werden die für dieses Jahr geschätzten Gewinne etwa elf Mal gezahlt (KGV) und die Dividendenrendite liegt bei 3,8 Prozent. Geht man davon aus, dass die Gewinne, wie in einer ordentlichen Rezession üblich, um 20 Prozent fallen, haben wir ein KGV von 13,7 und eine hohe Dividendenrendite. Denn Dividenden werden nicht leicht gekürzt“, erläutert von Wallwitz. Der langjährige Durchschnitt des KGV liegt etwa bei 12,5. Die Bewertung des DAX liegt damit aktuell unter dem Durchschnitt und die Dividendenrendite deutlich darüber. Die Aktienmärkte sind also etwa so bewertet, wie es in einer Rezession zu erwarten wäre.

Aber sind wir in einer Rezession? Von Wallwitz meint: „Die Aktienkurse sagen ja, die üblichen Indikatoren sagen nein.“ So sind beispielsweise die Produktion und Auftragseingänge bei dem amerikanischen Einkaufsmanager-Index (für das zyklische verarbeitende Gewerbe) sehr solide. Die Unternehmensgewinne, soweit sie schon abschließend für das Jahr 2015 berichtet wurden, sind im Rohstoffbereich miserabel. Aber der Rest der Wirtschaft verzeichnet leicht steigende Gewinne. Und auch der GDPnow-Indikator der Atlanta Fed sieht die gegenwärtigen Bedingungen als konsistent mit einem jährlichen Wachstum von 2,5 Prozent an. Aus diesen Fakten lässt sich also keine Rezession herauslesen.

Die Erklärung für die gegenwärtigen Kurse scheint in folgendem Dreischritt zu liegen: „Erstens entwöhnen sich die Anleger gerade von dem billigen Geld und der mehr oder weniger expliziten Versicherung der Zentralbanken, man werde die Aktienmärkte zur Not stützen. Seit Alan Greenspan gehörte die Pflege der Märkte zum Repertoire der Zentralbanker. Frau Yellen scheint sie aber ihrer eigenen Vernunft überlassen zu wollen“, sagt von Wallwitz. „So paradox es klingt, die Börsen sind nach dem endgültigen Ende der Finanzkrise riskanter geworden: Ihnen fehlt der Rückhalt durch die Zentralbanken.“

„Zweitens haben viele Anleger festgestellt, dass einige ihrer Aktien doch sehr teuer geworden sind und zwar weit teurer, als es die Gewinnentwicklung gerechtfertigt hätte.“ Dies trifft insbesondere auf Wachstumswerte zu, die in einer stagnierenden Welt mit einer Prämie bewertet wurden, die sie nun wieder einbüßen.

Und drittens führen diese Verkäufe ab einem bestimmten Punkt zu immer neuen Verkäufen und es etabliert sich eine Spirale nach unten. Von Wallwitz erklärt: „Es wird zum Verhaltensmuster, dass es immer richtig ist, jeden Aufschwung mit Verkäufen zu begrüßen. Und mit jedem neuen Abschwung werfen immer neue Aktionäre das Handtuch. Teils weil sie nicht mehr zusehen wollen, teils weil sie sich zuvor übernommen haben und nun finanziell am Ende sind. Dadurch verursachen sie einen neuen Abschwung, der wiederum neue Verkäufe provoziert und so weiter, bis keine Verkäufer mehr da sind und irgendjemand feststellt, dass es der Wirtschaft eigentlich gut geht und dass die Aktien billig geworden sind.“

Wo und wann dieser Bärenmarkt zu Ende sein wird, entzieht sich der Kenntnis jeden Anlegers. „Wer rational ist, sollte auf die Bewertungen der Aktien sowie den Zustand der Bilanzen und der Geschäftsmodelle achten, das Rezessionsrisiko richtig einschätzen und sich einen langen Zeithorizont bewahren“, rät von Wallwitz.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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