Auf das Wachstum achten, aber die Inflation im Blick behalten
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Die Märkte blieben in den letzten Wochen in einer gewissen Bandbreite, da sie versuchen, die Richtung der Geldpolitik, das Wirtschaftswachstum und den Inflationsverlauf einzuschätzen, was durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas weiter erschwert wird. Wir rechnen weiterhin mit einer milden Rezession in den USA im ersten Halbjahr 2024. Die Ausrichtung auf höhere Zinsen für längere Zeit und angespannte finanzielle Bedingungen, zusammen mit den folgenden Hauptfaktoren, geben uns weiterhin Anlass zur Sorge über die globalen Wirtschaftsaussichten:
- Die Unklarheit über die Geldpolitik, Erwartung einer geldpolitischen Pause. Der Anstieg der Renditen hat zu einer weiteren Straffung geführt, und die Zentralbanken könnten jetzt eine Pause einlegen. Der Erfolg bei der Inflationsbekämpfung dürfte letztlich ihre Politik bestimmen. Der Nahostkonflikt erhöht die Unsicherheit hinsichtlich der Inflation (Ölpreise).
- Die Fiskalkapazitäten sind in den USA und Europa begrenzt. Die fiskalische Seite sollte in nächster Zeit nicht in der Lage sein, die Schwäche auf der Konsumentenseite, die bereits unter Druck gerät, vollständig auszugleichen.
- Ersparnisse und Arbeitsmärkte. Bislang haben Reserven bei Ersparnissen und angespannte Arbeitsmärkte den Konsum gestützt. Wenn es jedoch zu Entlassungen kommt und das Lohnwachstum sinkt, würde der Konsum darunter leiden.
- Schwächung der Unternehmen. Die Konkurse in den USA nehmen zu. Auch kleine Unternehmen, die eine Schlüsselkomponente der Wirtschaft sind und für ihren Finanzierungsbedarf auf die Banken angewiesen sind, stehen unter Druck.
- Chinas struktureller Schuldenabbau deutet darauf hin, dass die Wachstumsverlangsamung durch den Rückgang des Kapitaleinsatzes bedingt sein wird. Wir rechnen nicht mit einem einmaligen politischen Paket, sondern mit schrittweisen Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft.
Bei einer insgesamt vorsichtigen Sichtweise sehen wir Chancen unter folgenden Aspekten:
- Anlageklassen-übergreifende Perspektive: Das wirtschaftliche Umfeld und die Bewertungen sprechen für eine positive Haltung zur Duration, wobei aber ein gewisser Druck durch die Inflation besteht. Duration ist ein Maß für die Zinssensitivität von Anleihen. Wir bleiben positiv eingestellt gegenüber US-Staatsanleihen und folgen einer konstruktiveren Sichtweise für Europa, auch am kurzen Ende der Zinskurve. Bei Aktien sind wir in Bezug auf Industrieländer vorsichtig, haben aber Japan angesichts der inländischen Erholung auf neutral hochgestuft. Bei den Währungen könnten Bedenken hinsichtlich der US-Inflation und der längerfristig höheren US-Zinsen dem Dollar kurzfristig Auftrieb geben. Daher sind wir gegenüber ausgewählten asiatischen Währungen und dem niedrig verzinslichen Schweizer Franken taktisch positiv eingestellt. Wir bleiben jedoch dabei, dass ein Umschwenken der US-Notenbank Fed mittelfristig zu einer Dollarschwäche führen würde. Auch bei Öl zur Diversifizierung folgen wir einer konstruktiven Sichtweise. Und wir sind der Meinung, dass Investoren die Absicherung ihrer Portfolios verstärken sollten.
- Anleihen: Nach einem starken Anstieg der Renditen dürften Staatsanleihen langfristig gute Aussichten bieten. Angesichts des Risikos einer Konjunkturabschwächung sind wir der Meinung, dass Anleihen zur Diversifizierung geeignet sein werden. Kurzfristig ist die Situation jedoch heikel und hängt von den eingehenden Daten ab, was uns veranlasst, flexibel zu sein. Für die USA sind wir positiv gestimmt, für Kerneuropa neutral und für Japan zurückhaltend. Bei den Unternehmensanleihen halten wir an unserer leicht positiven Einschätzung fest, die auf hohe Qualität ausgerichtet ist, wie etwa bei Anleihen mit Investment Grade-Rating, wo wir keinen oder nur begrenzten Spielraum für eine Verschlechterung der Fundamentaldaten sehen. Insgesamt ist es nach unserer Auffassung sehr wichtig, zu differenzieren.
- Aktien: Wir sind gegenüber den USA, insbesondere den großen Unternehmen, und bei europäischen Aktien vorsichtig, und gegenüber Japan neutral. Die Märkte bewegen sich von der Unternehmensrhetorik hin zu konkreten Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis. Eine Wachstumsverlangsamung macht uns zwar vorsichtig in Bezug auf die konjunkturelle Zyklizität, aber innerhalb der Zyklizität sollte unseres Erachtens differenziert werden: Chancen bieten Unternehmen, die von langfristigen Themen (zum Beispiel Elektrifizierung oder Near Shoring, also der Verlagerung von Geschäftsaktivitäten ins nahegelegene Ausland) profitieren würden. Die Outperformance von Value – also wertorientierten Aktien – gegenüber Growth – also wachstumsorientieren Aktien – ist unserer Ansicht nach ein langfristiges Phänomen, aber uns gefallen Titel mit Preismacht, starken Marken bzw. Urheberrechten und geringer Zyklizität.
- Schwellenländer: Sie bieten attraktive Renditen, aber man muss aus unserer Sicht selektiv vorgehen und sich für die besten Unternehmen und Länder entscheiden, die Produktivitätswachstum erzielen können. Hartwährungs- und Unternehmensanleihen bieten gute Renditechancen, und innerhalb dieser Bereiche gefällt uns der Hochzinsbereich, wir achten aber auf Qualität. Bei Anleihen in Lokalwährung sind wir aufgrund des starken US-Dollars momentan selektiv. Bei den Aktien sind wir China gegenüber neutral eingestellt und glauben, dass die Maßnahmen der Regierung den Abschwung abmildern sollen. Wir sehen Potenzial in Indien und Brasilien sowie in anderen lateinamerikanischen Ländern.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.