Kommentar
08:09 Uhr, 05.08.2015

Achtung Warnsignal! Leerverkäufe ziehen an

Die US Märkte glänzen nicht gerade durch überbordende Stärke. Im Vergleich zu manchem europäischen Index halten sie sich jedoch gut – noch.

Das Wall Street Journal berichtete am Wochenende, dass die Zahl an Leerverkäufen zuletzt deutlich zugenommen hat. Aktuell sind 2,43% aller S&P 500 Aktien leerverkauft. 2,43% aller Aktien ist eigentlich nicht sehr viel, doch im Vergleich zu den Vorjahren ist es eine hohe Zahl.

Zuletzt wurden Ende 2012 mehr Aktien geshortet. Für den Gesamtmarkt gilt das ebenso wie für den S&P 500. Grafik 1 zeigt den Prozentsatz aller leerverkauften Aktien der New York Stock Exchange. Für die Zeit von Mitte 2010 bis Juni 2011 gibt es leider keine öffentlich zugänglichen Daten, aber man kann sich den Verlauf des Short Interest sehr gut vorstellen.

Der Anstieg des Short Interest ist auffällig und beschleunigt sich seit Anfang 2015. Es sieht ganz so aus als würden Marktteilnehmer nicht ausnahmslos an steigende Kurse glauben und sichern sich unter anderem über Shortpositionen ab. Einige Beobachter gehen inzwischen soweit zu sagen, dass nur noch eine Hand voll Aktien gekauft werden und der Rest geshortet wird. Das ist natürlich eine maßlose Übertreibung. Dennoch kann man den Anstieg der Leerverkäufe nicht ignorieren.
Die Zahlen sind trotz ihrer Offensichtlichkeit mit ein klein wenig Vorsicht zu genießen. Grafik 1 zeigt den Vergleich von Dow Jones und dem Short Interest seit 1987. Grafik 2 zeigt das gleich nur in dem Zeitraum von 1958 bis 1987. Beide Grafiken haben vor allem eines gemeinsam: über die Jahre hinweg steigt das Short Interest an. In turbulenten Zeiten ist es höher als in ruhigen Zeiten, wenn die Kurse nur eine Richtung (nach oben) kennen, doch die langfristige Tendenz zeigt immer nach oben.

Ende der 80er Jahren wurden Short Interest Hochs von 0,5% erreicht. Es wurden also 0,5% aller Aktien leerverkauft. Heute liegt die Quote nur noch selten unter 3%. Seit Jahrzehnten steigt die Zahl leerverkaufter Aktien an, unabhängig von der jeweiligen Marktphase. Dieser Trend ist alles andere als neu. Er gilt seit es Daten gibt.

Die New Yorker Börse veröffentlicht seit 1931 Short Interest Daten. 1932 kam es in einem Monat einmal zu Leerverkäufen im Ausmaß von 0,3% aller ausstehenden Aktien. Das war ein Rekord, der sehr lange nicht mehr erreicht wurde. Für gewöhnlich belief sich der Anteil der Leerverkäufe auf nicht einmal 0,1%.

Der generelle Trend zu höheren Short Interest ist sicherlich damit begründbar, dass es heute einfacher ist, Aktien leerzuverkaufen. Im Prinzip steht diese Möglichkeit jedem Trader zur Verfügung, der einen ordentlichen Broker hat. Noch vor wenigen Jahren konnten Kleinanleger eigentlich so gut wie gar nicht short gehen, zumindest nicht direkt, sondern nur über Hebelzertifikate.

Für die Entwicklung des Short Interest ist innerhalb kurzer Zeitfenster auch die Rückkauftätigkeit von Unternehmen relevant. Kauft Apple in einem Monat z.B. um 2 Mrd. USD eigene Aktien auf, dann reduziert sich die Zahl handelbarer Aktien gleich einmal um 16,5 Mio. In den letzten Jahren hat sich die Zahl zur Verfügung stehender Aktien zeitweise reduziert. In einigen Monaten steigt die Zahl dann wieder sprunghaft an, z.B. wenn große Unternehmen wie Facebook an die Börse gehen. Kurzfristig kann das Short Interest nach oben tendieren, wenn Unternehmen viele Aktien zurückkaufen und keine Börsengänge oder Kapitalerhöhungen stattfinden.

Unterm Strich täuschen alle diese Faktoren nicht darüber hinweg, dass die Leerverkäufe seit Anfang 2015 stark zunehmen. Es ist seit 2011 etwas zu beobachten, was es schon vor den Bärenmärkten 2000 und 2008 zu sehen gab. Es kommt zu einem Rounding Bottom über mehrere Jahre. Dieser Boden wird relativ schnell aufgelöst und es kommt zu einem signifikanten Anstieg, noch bevor die Kurse an der Börse anfangen zu fallen. Ist die Geschichte ein brauchbarer Maßstab, dann werden die kommenden Monate alles andere als gemütlich.

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4 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Interessanter Beitrag. Es ist schon seit geraumer Zeit eine gute Idee, antizyklisch ein paar Cashbestände aufzubauen, anstatt den "steigenden Kursen" hinterherzuträumen. Dass da etwas Großes anrollt, das sieht man mittlerweile sogar ganz ohne rosarote Brille...

    Die kommenden zwei bis drei Jahre dürften sehr interessant werden...

    10:21 Uhr, 05.08.2015
  • RoccosBlaueKrawatte
    RoccosBlaueKrawatte

    kapitalflucht deluxe, aber nicht in anleihen. der dax ruft!

    10:19 Uhr, 05.08.2015
  • shark
    shark

    Sehr guter Beitrag Hr.Schmale

    ,Short Interest ist natürlich ein wichtiger Indikator!

    08:33 Uhr, 05.08.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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