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09:08 Uhr, 19.11.2012

Athen: Möglicher 2. Schuldenschnitt entzweit Ökonomenwelt

Frankfurt/ Berlin/ Athen/ Brüssel (BoerseGo.de) - Nach Einschätzung von EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen ist ein drittes Hilfspaket für das schuldengeplagte Griechenland unausweichlich. „Wir sollten die Finanzierung für die Jahre 2013 und 2014 jetzt (...) aufstellen“, sagte Asmussen dem ZDF. Es sei aber nicht zu erwarten, dass sich Griechenland 2015 und 2016 wieder Geld an den Finanzmärkten leihen könne. „Das heißt, es wäre dann ein Anschlussprogramm erforderlich“. Allein mit Krediten sei dem Land aber nicht geholfen, meint Asmussen. „Das schließt zwar die Finanzierungslücke, erhöht aber gleichzeitig die Schulden des Landes“, betonte er. Um den Schuldenstand nicht zu erhöhen, kämen ein Schuldenrückkauf oder eine Senkung der Zinsen auf die ausstehenden Kredite infrage.

Unzweifelhaft ist, dass Athen mit neuen Krediten auf lange Sicht nicht geholfen ist. Immer mehr Ökonomen gelangen deshalb zu der Auffassung, dass die Kreditgeber Griechenlands an einem Schuldenschnitt für Athen nicht mehr vorbeikommen werden. Athen werde es niemals schaffen, seine Schulden auf ein tragfähiges Niveau zurückzuführen, lautet die Befürchtung. Inzwischen ist um diese Frage eine lebhafte Diskussion unter Wirtschaftsfachleuten entstanden. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger etwa hält einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland für alternativlos. „Ohne einen solchen Schnitt wird das Land nicht wieder auf die Beine kommen", sagte er der „Welt am Sonntag“. Der Schnitt sei das kleinere Übel, weil Griechenland sonst noch viele Jahre am EU-Tropf hängen werde. Die Kosten einer Halbierung der griechischen Schulden lägen in etwa in der Größenordnung, die Deutschland pro Jahr durch die niedrigen Zinsen einspare.

Ins gleiche Horn stößt der künftige Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Clemens Fuest. „Ein Schuldenschnitt für Griechenland ist unumgänglich“. Die Frage sei nur noch, wann dieser Schritt komme, sagte Fuest der „Welt am Sonntag“. Auch der Chefvolkswirt der DiBa-Bank, Carsten Brezski, glaubt nicht daran, dass ein Schuldenschnitt ausbleiben kann. „Die Griechen werden es einfach niemals schaffen, ihre Schulden auf ein tragfähiges Niveau, was irgendwann mal definiert wurde als 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, zurückzuführen. Aber dieser Schuldenschnitt wird jetzt nicht in den nächsten ein, zwei Jahren passieren, so der Ökonom im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.

Der Chef des Euro-Rettungsfonds, Klaus Regling, hält einen Schuldenerlass der Euro-Staaten für Griechenland hingegen für bedenklich. „Ein öffentlicher Schuldenschnitt ist etwas ganz Außergewöhnliches, den kann es nur in extremen Ausnahmesituationen geben“, sagte er dem „Handelsblatt“ vom Montag. Für den Präsidenten des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, wäre ein zweiter Schuldenschnitt fatal. Straubhaar sagte im Südwestrundfunk, der Schuldendruck auf Griechenland müsse aufrechterhalten werden. Falls die Schulden reduziert würden, bedürfe es aus griechischer Sicht weniger Anstrengungen, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Zudem könnten weitere Länder wie Spanien den gleichen einfachen Weg wählen und ebenfalls einen Schuldenschnitt verlangen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte von Athen hingegen die konsequente Umsetzung der Reformpläne. Die griechische Regierung habe ihr Reformpaket nur beschlossen, aber eben noch nicht umgesetzt, sagte Schäuble am Sonntagabend in der ARD. Alle Mitgliedsstaaten der Euro-Zone hätten gesagt, dass auch nach ihrer Rechtsordnung „man nicht gleichzeitig Kredite gewähren kann, Garantien übernehmen kann, und für die Kredite, die man gewährt hat, einen Schuldenschnitt machen kann. Das ist ausgeschlossen“, so Schäuble. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) als Hauptgläubiger lehne dies definitiv ab.

Im Frühjahr hatten Griechenlands private Gläubiger auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen und somit auf gut 100 Milliarden Euro verzichtet. Die öffentlichen Gläubiger Griechenlands waren von diesem ersten Schuldenschnitt ausgenommen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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