Anleihen – die unbekannten Wesen
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Anleihen sind für die meisten Anleger ein unbekanntes Wesen. Wer auf Anleihen setzt, kauft meistens "einfach" ein paar Bundesanleihen und kümmert sich kaum um Details. Und wer Anleihen für langweilig und uninteressant hält, beschäftigt sich damit ohnehin nicht. Dabei sind Anleihen – richtig eingesetzt – ein wichtiger Depotbaustein bei der Langfristanlage.
Ein spektakuläres Beispiel
Und von wegen langweilig und renditeschwach! Dazu gleich mal ein spektakuläres Beispiel: dem Vergleich einer Anleihe mit dem DAX. Wer jetzt die Nase rümpft und denkt: "Was kann denn eine Anleihe gegen den DAX ausrichten?", ist in guter Gesellschaft. Das haben alle Trader so oder ähnlich gesagt, die ich darauf spontan in einer nichtrepräsentativen Umfrage angesprochen habe. Und auch ich habe so gedacht – bevor ich auf den folgenden Chart gestoßen bin:
Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD, eigenen Berechnungen
Dieser zeigt im oberen Teil eine 30-jährige Bundesanleihe (blau) und den DAX (rot). Die Bundesanleihe wurde Ende 1998 mit einem Zins von 4,75 % emittiert und stieg aufgrund der stetig fallenden Zinsen ähnlich stetig.
Anleihe schlägt DAX!?
Der DAX erlebte hingegen etliche Tiefen und ein paar Höhen, sodass er den Anlegern über fast 24 Jahre (!) nicht viel mehr eingebracht hat als diese "langweilige" Bundesanleihe: Noch im September 2022 betrug der "Renditevorsprung" des DAX nur mickrige 0,2 Prozentpunkte pro Jahr. Erst in den vergangenen gut zwei Jahren ließ er den "Langweiler" hinter sich.
Da sage noch einer, Anleihen seien langweilig! Langweilig gelten sie unter anderem deswegen, weil sie im Vergleich zu Aktien sehr wenig schwanken. Im unteren Chartteil sind zur Illustration die laufenden Jahresvolatilitäten von DAX und Anleihe gegenübergestellt: Die Anleihen-Volatilität beträgt im Durchschnitt nur rund 40 % der Volatilität des DAX. Anleihen sind also nervenschonend und können lukrativ sein!
Extrem: Anleihelaufzeiten und Zinszyklen sind (sehr) lang
Aber mal ganz ehrlich: Welcher Privatanleger hätte vor 20 Jahren eine 30-jährige Bundesanleihe gekauft und erwartet, damit den DAX zu schlagen? Eine solche Langmut bringt kaum jemand auf. Zumal es ja auch ganz anders hätte kommen können. Und das ist auch das größte Problem bei Anleiheinvestments: Nicht nur die Laufzeiten von Anleihen mit auskömmlichen Zinsen sind in der Regel sehr lang, sondern auch die Zinszyklen.
Letzteres verdeutlicht sehr eindrucksvoll der folgende Chart der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen:
Quellen: Robert Shiller, VWD
Seit 1871 – also in mehr als 150 Jahren – gab es gerade einmal 2,5 übergeordnete Zinszyklen (siehe Pfeile)! Wobei der jüngste womöglich gerade erst seinen zweiten Teil – den Anstieg – begonnen hat…
Unter solchen Bedingungen ein "Timing" hinzukriegen – also die richtige Anleihe zum richtigen Zeitpunkt zu kaufen und zu verkaufen – ist natürlich extrem schwierig. Und aufgrund der langen Zinszyklen kann man nicht einfach auf den nächsten warten. Hinzu kommt noch ein ganz profanes Problem bei Anleihen: die Kursschwankungen.
Wie sicher sind Anleihen wirklich?
Anleihen gelten zwar gewöhnlich als "sicher", aber sie bergen doch einige Risiken: erstens das Bonitäts- bzw. Ausfallrisiko, zweitens das Inflationsrisiko und drittens das Zinsänderungsrisiko (um nur die wichtigsten zu nennen). Das Ausfallrisiko kann man durch Wahl verlässlich zahlender und solventer Schuldner (Staaten, Großkonzerne) mindern, das Inflationsrisiko ist im Normalfall zumindest gut abzuschätzen. Das Zinsänderungsrisiko ist aber trotz der langen Zinszyklen erheblich.
Problematisch ist dabei, dass aufgrund der Zinsänderungen die Kurse der Anleihen schwanken und konträr zum Zins- bzw. Renditeverlauf. Steigende Renditen bewirken also fallen Anleihekurse und umgekehrt. Und je nach (Rest-)Laufzeit der Anleihe fallen die Kursrückgänge schon mal so kräftig aus, dass selbst hohe Zinsen davon "aufgefressen" werden. Doch gibt es einen Lichtblick.
Denn Anleihen werden (in der Regel) zum Nennwert (100) zurückgezahlt – und zwar unabhängig vom jeweiligen Zinsniveau. Das bedeutet: Am Ende der Laufzeit haben sich alle Kursverluste wieder in Luft aufgelöst. Damit können Anleger selbst einen größeren Zinsanstieg problemlos aussitzen – sie müssen die Anleihe einfach nur bis zur Fälligkeit halten.
Worauf es ankommt
Anleihe-Investoren, die ja wahlweise als risikoscheu, sicherheitsorientiert, konservativ usw. gelten, sind natürlich von Kursverlusten nicht amüsiert. Nach Möglichkeit halten sie daher ihre Anleihen bis zu Fälligkeit, sodass zwischenzeitliche Kursverluste irrelevant sind. Die Krux dabei ist aber, dass die langen Laufzeiten in der Regel die höchsten Renditen bringen. Aber wer will schon zehn Jahre auf eine neue Anlagemöglichkeit warten – und dann auch noch Gefahr laufen, dass die Zinsen dann ungünstig sind?
Wie bei Aktien ist also auch bei Anleihen eine Diversifikation sinnvoll. Sie kann und muss aber natürlich anders aussehen als bei Aktien. Der Vorteil dabei ist aber, dass dieser Prozess relativ gut "automatisierbar" ist – denn wir brauchen ja nicht alle paar Tage auf die Kurse zu schielen, sondern können uns auf die Fälligkeitstermine beschränken. Wie das genau funktioniert, dazu in einem nächsten Beitrag mehr.
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So geht es mir auch: irgendwie seltsam die Dinger, und man denkt sich: sie werden ja doch gegen Aktien underperformen, und dann schwankt der Zins auch noch…und der Kurs auch, was für einen Sicherheitsbaustein im Depot ja irgendwie doof ist. Und das alles dafür, dass man ein wenig mehr als beim Tagesgeld kriegt. Dann doch lieber Dividendenaktien/ETFs, sind auch einfacher zu verstehen. So spielt es sich zumindest in meinem Kopf ab. Sie sind bestimmt sinnvoll. Anleihen-ETFs eventuell? Aber irgendwie konnte ich mich bisher nicht dazu durchringen.