Kommentar
14:12 Uhr, 21.06.2019

Anleger lassen sich (noch) nicht aus der Ruhe bringen

Die Gelassenheit der Anleger ist bewundernswert. Hoffen wir, dass sie anhält, vor allem, wenn sich Zentralbanken einmal einen Tag lang nicht melden und Zinssenkungen ankündigen. Die Zeichen stehen ja eigentlich auf Sturm und die Notenbanken kündigen auch keine Zinssenkungen an, weil alles so rosig ist.

So gibt es für 10-jährige US-Anleihen nur noch magere 2 % Zinsen. Gefühlt standen sie „gestern“ noch bei 3 %. Der Anleihemarkt hat also eine klare Meinung zur Wirtschaft. Das gilt insbesondere für Europa. In Deutschland rentieren Anleihen mit einer Laufzeit bis 15 Jahre im negativen Bereich. Da kann man selbst bei geschlossenen Augen keine blühenden Wiesen hinter der nächsten Ecke erwarten.

Es gibt aber auch einen Teil des Anleihemarktes, der ein ganz anderes Signal sendet. Hochverzinsliche Anleihen, Junk Bonds, sind die ersten, die fallen, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten drohen. Ist ein Unternehmen bereits hoch verschuldet und im Ramschbereich, kann ein Abschwung einer solchen Firma schnell den Rest geben.

Das gilt vor allem dann, wenn sie in bestimmten Segmenten tätig ist. Viele Ramschanleihen kommen aus dem Rohstoffsektor. Daher ist es schon etwas verwunderlich wie gut sich Junk Bonds halten (Grafik 1). Der Kurs verläuft generell parallel zu den Ölpreisen. Seit einigen Wochen ist das nicht mehr der Fall. Junk Bonds steigen, der Ölpreis fällt.


Das Zinsniveau für Junk Bonds bleibt damit positiv. Anleger geraten nicht in Panik und verkaufen. Zuletzt kauften sie die Anleihen sogar noch in die Höhe. Das führte dazu, dass die Zinsdifferenz zu Staatsanleihen sogar noch kleiner wurde (Grafik 2). Der Spread sinkt, doch der Chicago Fed National Activity Index fällt.

Für gewöhnlich bewegen sich Spread und Aktivitätsindex Hand in Hand. Das ist seit einiger Zeit nicht mehr der Fall. Es erinnert ein wenig an die Zeit von 2006 und 2007. Damals zeigte der Chicago Fed Index Probleme frühzeitig auf. Die Spreads wurden dennoch immer kleiner.

Ein ähnliches Szenario ist auch heute denkbar. Oder die Erwartung einer wirtschaftlichen Abschwächung ist überzogen. Es gibt sogar noch eine dritte Möglichkeit. Anleger suchen so verzweifelt nach Zinsen, dass sie das kleine bisschen Extra der Junk Bonds noch schnell abgreifen, solange es vorhanden ist.

Was am Ende wirklich der Wahrheit entspricht, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch nicht. Die Divergenzen sind jedoch merkwürdig und geben zu denken. Eine solche Gelassenheit, ja geradezu Naivität ging langfristig selten gut.

Sie ist aber auch nicht vollkommen unnatürlich. Da der Markt erst Ende 2018 korrigierte, ist die Negativität erst einmal draußen. Das Sentiment, das Ende 2018 negativ war, ist jetzt positiv. Es braucht viel, um es zu drehen. Daher kann man die aktuelle Gelassenheit durchaus als Ruhe vor dem Sturm ansehen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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