Kommentar
18:40 Uhr, 17.06.2022

Am Aktienmarkt ist Geduld gefragt - aber nicht mehr lange

Fast unbemerkt hat sich am Markt gerade ein Kaufsignal herausgebildet. Ein wenig Geduld müssen Anleger trotzdem noch mitbringen, wenn sie das Tief erwischen wollen.

Am Donnerstag geschah etwas, das man nicht jeden Tag sieht. Es setzte so etwas wie Panik und Kapitulation ein – endlich, möchte man fast sagen. Besonders bezeichnend dafür ist der Anteil an S&P 500 Aktien oberhalb der 50-Tagelinie. Dort herrscht Leere. Weniger als 5 % der Aktien konnten sich noch oberhalb dieses Durchschnitts halten. Im Tagesverlauf rutschte der Anteil sogar unter 2 %. Bei einer so geringen Marktbreite ist das Tief für gewöhnlich nicht mehr weit. Werte unter 5 % kann man als Kaufsignal interpretieren. Dabei gibt es jedoch einige Punkte zu beachten. Im Idealfall liegt nicht nur der Anteil in Bezug auf die 50-Tagelinie sehr tief, sondern auch der Anteil in Bezug auf die 200-Tagelinie. Hier fiel der Wert unter 12 %, blieb aber über 10 %. Wirklich Panik und Kapitulation findet man bei weniger als 10 %.


Das ist der erste Faktor, der noch zur Geduld mahnt. Ein anderer ist die zeitliche Divergenz zwischen Kaufsignal und endgültigem Tief. Grafik 3 zeigt den S&P 500 und jene Tage, an denen der Anteil in Bezug auf die 50-Tagelinie erstmals unter 5 % fiel. Ob im Jahr 1990, 2002, 2008, 2011 oder 2015, das Signal entstand nicht an dem Tag, an dem die Kurse ihr Tief erreichten.

Das Tief wurde mehrere Tage und teils erst mehrere Wochen später erreicht. Während der Finanzkrise trat das Signal erstmals am 7. Oktober 2008 auf. Das Tief erreichte der Markt erst im März 2009. Die Wahrscheinlichkeit für ein tieferes Tief im Laufe der nächsten Wochen ist relativ hoch.

Wer keine Geduld und Angst hat, am Ende eine Kaufchance zu verpassen, kann Aktien zwar kaufen, muss sich dann aber in den nächsten Wochen auf nervenaufreibende Zeiten einstellen. Nach dem Signal ist die Performance nach drei Monaten tendenziell negativ. Ausnahmen bildeten 2015 und 2018. Diese beiden Korrekturen sind jedoch kaum mit der aktuellen makroökonomischen Situation vergleichbar. Ebenso ist März 2009 nicht unbedingt ein guter Maßstab. Der Markt befand sich fast sechs Monate im Crashmodus. Notenbanken und Regierungen hatten die Lage wieder im Griff. Davon kann derzeit keine Rede sein.

Je weiter man in die Zukunft blickt, desto besser wird die Performance. Nach einem Jahr lag die bisherige Trefferquote bei 100 % und im Minimum bei 6 % Rendite, wenn man am Tag des Signals kaufte. 6 % auf Jahressicht war die niedrigste 12-Monatsperformance, wenn man im Oktober 2008 kaufte. Man brauchte gute Nerven, bis die positive Rendite erzielt wurde.


Das Umfeld ist heute sehr schwierig und Notenbanken werden dem Markt kaum zur Hilfe eilen. Damit gleicht das Umfeld eher einem wie 2002 oder 2008 und nicht 2011 oder 2018. Etwas Geduld sollte man noch haben. Nichtsdestotrotz ist es eine gute Nachricht, dass sich erste Kaufsignale ergeben. Statistisch sollte der Bärenmarkt damit zeitlich näher am Ende als am Anfang sein. Zeitlich näher am Ende bedeutet, dass nach fast sechs Monaten Korrektur das Tief weniger als sechs Monate entfernt sein sollte. Die Aussage gilt für die zeitliche Komponente und nicht für den endgültigen Kursverlust. Das Schlimmste kommt im Bärenmarkt häufig zum Schluss.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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