„Aktienanleger atmen dünnere Luft“
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Silkeborg (GodmodeTrader.de) – Der Aktienmarkt ist kein Formel-1-Rennen, in dem die letzte Runde laut und deutlich eingeläutet wird. Die Frage, wann Aktien ihren Scheitelpunkt erreichen, ist in der Praxis schwer zu beantworten. Allerdings lässt sich analysieren, wie wirtschaftliche und finanzielle Faktoren kurz vor einer Wende der Entwicklung aussehen, wie Ib Fredslund Madsen, Chefstratege der dänischen Jyske Bank Gruppe, in einer Analyse zur aktuellen Lage an den globalen Aktienmärkten schreibt.
Ein wirtschaftlicher oder finanzieller Aufschwung sterbe nicht an Altersschwäche. Vielmehr beendeten typische Negativfaktoren wie hartes Eingreifen von Zentralbanken, zahlreiche Insolvenzfälle oder platzende Finanzblasen eine Hausse. Davon sei 2017 nichts existent gewesen. In diesem Jahr aber werde man das Radar feinfühlig ausrichten, um die ersten möglichen Vorboten einer kommenden negativen Entwicklung frühzeitig erkennen zu können. Denn: Aktienanleger würden es 2018 schwerer haben als im Vorjahr, heißt es weiter.
„Wären Aktien günstig bewertet, wäre das rechtzeitige Erkennen potenzieller Gefahrensignale weniger entscheidend, da die grundsätzliche Bewertung auf Anlegerseite wäre. Ein teures Aktienumfeld indes verlangt zusätzliche Aufmerksamkeit. Wer sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Aktien ihren Scheitelpunkt erreicht haben könnten, sollte untersuchen, wie bestimmte wirtschaftliche und finanzielle Faktoren kurz vor einer Wende der Entwicklung aussehen“, so Madsen.
- 1. Noch schnellere Kurssteigerungen („das letzte Hurra!“): Vor dem Scheitelpunkt zeigten die Kursbewegungen häufig etwa sechs Monate vorher einen letzten Ruck nach oben (wenn selbst die skeptischsten Anleger noch etwas von dem Geldregen abbekommen wollten). Im Schnitt seien in den letzten sechs Monaten vor Beginn eines Abschwungs Kurssteigerungen von etwa 16 Prozent zu beobachten (das sagten die Zahlen der sechs wichtigen Wendepunkte seit 1980). In den drei Monaten vor einer solchen Wende lägen diese Kurssteigerungen bei durchschnittlich acht Prozent. In den zurückliegenden sechs Monaten seien beispielsweise US-Aktien um mehr als 13 Prozent gestiegen, in den letzten drei Monaten um 7,8 Prozent. Mit anderen Worten: Die Kurssteigerungen könnten zwar noch etwas steiler ausfallen. Allerdings hätten diese vor dem Höchststand 1990 und 2007 nur bei acht Prozent gelegen, so dass das Potenzial damit praktisch ausgeschöpft wäre. Das sehe zwar noch nicht ganz nach einem absoluten Höhepunkt aus, aber wir seien jetzt näher an den Spitzenbedingungen als Anfang Dezember 2017, heißt es weiter.
- 2. Die Bewertung sei hoch: „Langfristige Modelle für die Preisfestsetzung signalisieren ganz deutlich einen aktuell hoch bewerteten Aktienmarkt. Das gängigste Maß für die Bewertung ist der Forward-KGV, gemessen als der erwartete Gewinn in den nächsten zwölf Monaten. Dieser beläuft sich bei einem Scheitelpunkt im Durchschnitt (für S&P 500) auf 18 und wächst in den sechs Monaten davor um knapp 2,0 Punkte. Derzeit liegt der KGV bei 18,2, allerdings mit einer Steigerung um nur 0,5 in den letzten sechs Monaten. Das sieht nach einem absoluten Höhepunkt aus“, so Madsen.
- 3. Auf dem Kreditmarkt blinkten frühzeitig die Warnlampen: In acht der letzten neun Fälle eines Wendepunkts auf dem Aktienmarkt sei es zu einer Vergrößerung der Kreditspanne zwischen US-Hochzins- und Staatsanleihen gekommen. Sieben Monate vor einem absoluten Höhepunkt sei die Kreditspanne um durchschnittlich 137 Basispunkte gewachsen. Seit Februar 2017 aber schrumpfe die US-High-Yield-Spanne. Erst in letzter Zeit sei es zu einem Anstieg von etwa 25 Basispunkten gekommen. Das sehe nicht nach einem absoluten Höhepunkt aus, heißt es weiter.
- 4. Der Aktienmarkt erreiche seinen absoluten Höhepunkt in der Regel vor einer Rezession: „Wie frühzeitig der Aktienmarkt die Anzeichen einer Rezession erkennt, ist höchst unterschiedlich. Bei den letzten vier Rezessionen in den USA betrug der Vorlauf höchstens elf Monate. Die Wahrscheinlichkeit für eine US-Rezession schwankt von Modell zu Modell (das der US-Notenbank zeigt derzeit eine neunprozentige Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den kommenden zwölf Monaten). Rückblickend traten Probleme auf dem Aktienmarkt immer dann auf, wenn die Wahrscheinlichkeit bei über 20 Prozent lag. Das sieht nicht nach einem absoluten Höhepunkt aus“, so Madsen.
- 5. Immer häufiger werde von einem Paradigmenwechsel gesprochen: Oft würden vor einem Wendepunkt neue Paradigmen entwickelt, wie „IT-Aktien unterliegen keinen Konjunkturschwankungen“ Ende der 1990er Jahre. Diese würden als Argumente für weitere Kurssteigerungen kurz vor dem Scheitelpunkt verwendet. Heute zeigten Anleger aber offenbar eine langfristige Skepsis, beispielsweise bei einer geringen Produktivitätsentwicklung, schlechteren demographischen Zahlen oder einer nicht haltbaren chinesischen Kreditblase. Das führe zu einem gewissen Argwohn gegenüber Kurssteigerungen. Das einzige, was man derzeit möglicherweise als Paradigmenwechsel bezeichnen könnte, ist die Beschreibung niedriger Zinsen als eine der Ursachen für ein Aussetzen der normalen Bewertung von Aktien, „weil es keine Alternative zur Aktie gibt“. Es sei zwar richtig, dass die niedrigen Zinsen zu einer höheren Risikobereitschaft geführt hätten und Anleihen keine hohen Gewinne böten. Bei einem Konjunkturabschwung wären Staatsanleihen aber weiterhin eine Alternative zu Aktien. Das sehe nicht ganz nach einem absoluten Höhepunkt aus, heißt es weiter.
„Auf Grundlage der oben genannten Indikatoren für einen absoluten Höhepunkt lautet das beste Fazit derzeit wohl: Der Wendepunkt ist wahrscheinlich noch nicht erreicht, dürfte aber nicht mehr lange auf sich warten lassen. Unser Hauptszenario für 2018 ist daher eine passende Schlussfolgerung für Anleger angesichts der Wendepunktanalyse: Wir erwarten ein zweigeteiltes Wirtschaftsjahr. Im ersten Teil könnten risikobehaftete Vermögenswerte wie Aktien weiterhin gestützt werden, im zweiten Teil jedoch die Risiken zunehmen. Dabei müssen die beiden Teile nicht zwangsläufig gleich groß sein. Selbstverständlich sind geringfügige Rückschläge auf dem Markt möglich, ohne dass dabei gleich von einem nahen Erreichen des Wendepunkts die Rede ist. Im Gegenteil ist die Wahrscheinlichkeit hierfür sogar relativ hoch, da beim US-Aktienindex S&P 500 seit September 2016 nicht ein einziger täglicher Rückgang um mehr als zwei Prozent beobachtet wurde (Stand: 10. Januar 2018), was ausgesprochen ungewöhnlich ist“, so Madsen.
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