Kommentar
08:06 Uhr, 28.07.2015

Abgesang auf China wird lauter

Es scheint ein Abschied auf Raten zu werden. Erst war der Aktienmarkt an der Reihe, nun droht die Wirtschaft zu folgen.

China hält die Welt in Atem. Erst brach der Aktienmarkt zusammen, dann machten die Regierung und die Notenbank mit haarsträubenden Rettungsaktionen auf sich aufmerksam. So merkwürdig die Aktionen waren, so abstrus ist auch das Resultat. Der Shanghai Composite hat sich mit großem Aufwand stabilisieren lassen, nachdem eine Flut neuer Regulierung umgesetzt und Stützungskäufen durchgeführt wurden. Geholfen hat das nur temporär. Ein Minus von über 8% zu Beginn dieser Handelswoche deckt weiteren Interventionsbedarf auf. Wir dürfen gespannt sein, was sich die Regierung für den Rest der Handelswoche einfallen lässt.

Nach dem Aktienmarkt befürchten nun viele Beobachter, dass die gesamte Wirtschaft eine Rettungsaktion braucht. Zu diesem Schluss kommen viele Analysten, weil der Einkaufsmanagerindex (PMI – Purchasing Manager Index) des verarbeitenden Gewerbes bedrohlich sinkt. Er notiert nun unter der Marke von 50, die als Grenze zwischen Expansion (über 50) und Abschwung (unter 50) gesehen wird.
Überbewerten darf man solche Schlagzeilen nicht. Der offizielle PMI steht mit 49,8 Punkten unter der Marke von 50, doch eine Abweichung von 0,2 Punkten ist nichts, was an eine Katastrophe erinnert. Der von der Bank HSBC erhobene Index zeigt ein ähnliches Bild. Er steht mit 48,2 Punkten tiefer als der offizielle Index.

Generell wird den offiziellen Daten aus China immer weniger getraut. Letztlich dürfte es für niemanden eine Überraschung sein, wenn die Daten an der einen oder anderen Stelle etwas geschönt sind. Vollkommen unzulänglich sind sie jedoch auch nicht. Die Daten passen grundsätzlich auch zu den von ausländischen Banken erhobenen Daten.

Die Grafik zeigt den PMI für das verarbeitende und nichtverarbeitende Gewerbe auf Basis der offiziellen Daten. Für das produzierende Gewerbe gibt es auch noch den HSBC Einkaufsmanagerindex seit Anfang 2012. Der HSBC und der offizielle Index laufen tendenziell parallel. Vielleicht ist das absolute Niveau der offiziellen Daten ein klein wenig zu optimistisch, doch unterm Strich stimmt zumindest die Tendenz sehr gut.

Die Zeitreihe zeigt, dass ein Indexstand von unter 50 wirklich keine Neuheit und auch keine Bedrohung ist. Der HSBC Index lag lediglich in 16 der letzten 43 Monate über der Marke von 50. Trotzdem wächst die chinesische Wirtschaft noch.

Ob die Wirtschaft mit 7% wächst, wie China unlängst für das zweite Quartal mitteilte, steht auf einem anderen Blatt. Das Wachstumsziel in diesem Jahr liegt bei 7%. Da ist es schon sehr bezeichnend, wenn die Daten genau dieses Wachstum zeigen.

Wie dem auch sei, die PMIs zeigen momentan nach unten. Die Industrieproduktion hingegen zeigt nach oben. Das passt nicht unbedingt zusammen. In Europa und den USA haben die Einkaufsmanagerindizes eine gewisse Prognosekraft und geben Aufschluss darüber, wohin es in den folgenden Monaten gehen könnte. In China ist die Sache anders. Hier läuft der PMI der tatsächlichen Entwicklung für gewöhnlich um einige Monate hinterher. Wenn Analysten aufgrund der aktuellen PMI Ergebnisse einen Einbruch des Wachstums und der Industrieproduktion prognostizieren, dann liegen sie höchstwahrscheinlich gewaltig daneben.

Ganz nebenbei darf man nicht vergessen, dass die Industrieproduktion zwar äußerst wichtig ist, aber auch der Servicesektor inzwischen eine signifikante Rolle spielt. Der Service PMI zeigt sich ziemlich robust. Mit etwas guten Willen kann man sogar den Beginn eines Aufwärtstrends erkennen. Das würde dann auch zum verordneten Wandel der Wirtschaft passen – weg von der starken Abhängigkeit der Produktion und des Exportes hin zu mehr Konsum und Dienstleistungen.

China hat viele Probleme und einige davon können die Wirtschaft in Schieflage bringen. Bis es soweit ist wird noch einige Zeit vergehen. Die aktuellen Abgesänge auf China sind laut, aber verfrüht. Das Donnern am Aktienmarkt verleitet dazu gleich das ganze Land im Kollaps zu sehen. Tatsächlich aber spiegelte der chinesische Aktienmarkt die Wirtschaft nie besonders gut wider. Der Crash am Aktienmarkt kann auch für die Wirtschaft Konsequenzen haben, doch sie sind sehr viel geringer als die meisten vermuten. Viel wichtiger als die Kurse selbst ist die Fähigkeit der Regierung die Wirtschaft zu lenken. Kann sie den Aktienmarkt nicht steuern (was sie im Idealfall ja eigentlich auch nicht tun sollte), kommen Zweifel daran auf, dass die Regierung einen Wirtschaftsabschwung verhindern kann.

Der Crash auf dem Aktienmarkt hat eine Signalwirkung. Die Kurse sind dabei schon fast nebensächlich. Doch selbst wenn man zu dem Schluss kommen muss, dass die Regierung die Wirtschaft nicht mehr effektiv lenken kann, dann ist das immer noch kein Grund für tiefe Sorgenfalten, denn momentan muss die Wirtschaft nicht gerettet werden. Sie expandiert noch mit einem ordentlichen Tempo. Der Markt ist weltweit besorgt und hegt große Befürchtungen. Sie sind jedoch vollkommen überzogen, ganz nach dem Motto: wer keine Probleme hat, der macht sich welche.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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