Kommentar
06:41 Uhr, 12.01.2016

2016 wird richtig volatil!

Wenn sich Analysten über eines einig sind, dann das: 2016 wird volatil. Nach den ersten Handelstagen des Jahres kann man dem nur zustimmen, aber wird das das ganze Jahr so weitergehen?

Als Hauptgrund für die Annahme erhöhter Volatilität in diesem Jahr wird vor allem ein Aspekt genannt: die Zinserhöhungen der US Notenbank. Persönlich sehe ich dieses Thema nicht unbedingt als bestimmend für 2016 an. Nach zwei Jahren Vorbereitung auf den ersten Zinsschritt kam die Zinsanpassung im Dezember für niemanden unerwartet. Doch das interessiert nicht.

Persönlich gehe ich davon aus, dass es vollkommen unerheblich für die Volatilität ist, ob die US Zinsen bis Ende 2016 auf 1 % oder nur auf 0,75 % angehoben wurden. Zinsen und Volatilität haben wenig miteinander zu tun. Die Grafik zeigt die Fed Funds Rate und die Volatilität des S&P 500. Die blau markierten Bereiche zeigen Phasen von steigenden Zinsen.

Man muss sehr lange suchen, um haltbare Argumente für die Aussage zu erhalten, dass steigende Zinsen mit höherer Volatilität einhergehen. In über 65 Jahren war die Schwankungsbreite in der Zeit am höchsten, als die Zinsen sanken. Als die Zinsen zwischen 2004 und 2007 stiegen gab drei Jahre lang eine sehr niedrige Schwankungsbreite.

Mit etwas gutem Willen kann man aus der Grafik und einer Analyse der Daten sogar zu dem Schluss kommen, dass steigende Zinsen mit niedrigerer Volatilität einhergehen. Persönlich halte ich auch das für wenig haltbar, auch wenn einige Argumente finden kann, die dafür sprechen. Zinsen steigen grundsätzlich, wenn es der Wirtschaft gut geht und das Wachstum stabil ist. Ein Aufschwung sollte sich auch in Aktienkursen wiederfinden.

Umgekehrt kann man argumentieren, dass die Zinsen sinken, wenn sich eine Rezession anbahnt. Niedriges oder negatives Wachstum mit sinkenden Unternehmensgewinnen waren noch nie eine gute Perspektive für Aktien.

Generell sind die Unterschiede zwischen Volatilität im Umfeld steigender Zinsen und sinkender Zinsen zu gering, um belastbare, statistische Signifikanz abzuleiten. Mit anderen Worten: der Zusammenhang zwischen Zinsen und Volatilität ist praktisch null.

Volatilität ist ein Ausdruck für Unsicherheit. Unsicherheit entsteht, wenn Anleger neue Entwicklungen nicht einschätzen können. Von diesen Entwicklungen gibt es in diesem Jahr ausreichend. Die Lage im Nahen Osten ist angespannt wie lange nicht und was in China wirtschaftlich vorgeht, weiß wahrscheinlich nicht einmal die Einheitspartei selbst. Ganz nebenbei erhöhen sich die Friktionen in der EU. Die Flüchtlingskrise hat für die EU richtig Sprengkraft. Die Gemeinschaft wird teilweise infrage gestellt.

Keine dieser drei Entwicklungen lässt sich abschätzen. Am Ende kann es sich bei allen um "viel Lärm um nichts" oder - wenn sich die Befürchtungen realisieren - um wahre Schockereignisse handeln. Ich halte es noch für möglich, dass sich innerhalb des ersten Quartals eine klare Tendenz herauskristallisiert. Dabei geht es um die Variante "viel Lärm um nichts." Vielleicht ist das Zweckoptimismus.

Anlegern fällt es momentan sehr schwer sich eine Meinung zu bilden, wohin die Kurse mittelfristig gehen werden. Genau das ist das Wesen der Unsicherheit, die die Kurse fallen lässt. Viele Analysten haben unter der aktuellen Unsicherheit gleich wieder 2008 und eine neue Krise vor Augen. Realistischerweise muss man jedoch festhalten, dass so existentielle Krisen wie 2008 nicht jedes Jahrzehnt vorkommen, sondern vielmehr einmal in 50 bis 100 Jahren. Das schließt eine neue, dramatische Krise nicht aus, doch sie ist unwahrscheinlich.

Jeder Anleger muss selbst entscheiden, was er für wahrscheinlicher hält - neue Krise oder eine gesunde Marktbereinigung. Wenn man sich entschieden hat, sollte man dieser Einschätzung mittelfristig folgen, denn egal ob die Kurse letztlich wieder steigen oder wegbrechen, eines ist klar: hin und her macht Taschen leer.

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