Wie der "König der Inflation" ein sagenhaftes Vermögen aufbaute
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Hugo Stinnes gehörte zu den großen Inflationsgewinnern der Weimarer Republik. Während ein Großteil der Bevölkerung unter den ständig steigenden Preisen litt, nutzte der Industrielle die hohen Inflationsraten, um ein immer größeres Firmenimperium aufzubauen.
Stinnes hatte erkannt, dass eine hohe Inflation Schuldnern nützt und Gläubigern schadet. Denn der reale (inflationsbereinigte) Wert von Schulden schrumpft durch die fortwährende Geldentwertung ständig. Stinnes, der auch als "König der Inflation" bezeichnet wurde, nutzte während der Inflation von 1914 bis 1923 ein einfaches Rezept für die Steigerung seines (auch bereits zuvor nicht unerheblichen) Wohlstands:
- Geld günstig leihen
- Sachwerte kaufen
- Wertsteigerung der Sachwerte abwarten
- Erträge der Sachwerte und Wertgewinn der Sachwerte als Sicherheit für neue Kredite nutzen und damit weitere Sachwerte erwerben
Ein Rezept für garantierte Gewinne?
Da die Wertsteigerungsrate der Sachwerte deutlich höher war als der für Schulden fällige Zinssatz, war das einfache Rezept nichts anderes als eine Gelddruckmaschine. Mussten für einen Kredit zum Beispiel nur 8 Prozent Zinsen gezahlt werden, während die Vermögenswerte verlässlich um 30 Prozent pro Jahr im Preis zulegten, konnten 22 Prozent der investierten Summe pro Jahr als Gewinn verbucht werden.
Zur Reinvestition der erzielten Gewinne musste der jeweilige Vermögenswert nicht verkauft werden. Zum einen produzierten die gekauften Unternehmen laufende und (wegen der Inflation) manchmal auch stark steigende Erträge, die in neue Vermögenswerte investiert werden konnten, zum anderen konnten die Wertsteigerungen der Vermögenswerte als Sicherheit für weitere Kredite genutzt werden.
„Erfindungsreiche Personen mit den notwendigen Verbindungen zu Banken, um sich ein Maximum an gewerblichen Krediten zu sichern; mussten nichts anderes tun, als das Geld ohne Verzögerung in Sachwerte zu investieren und einen gigantischen Wohlstand anzuhäufen. Das typische Beispiel (...) war Hugo Stinnes. (...) Er begann zufällig und in großer Zahl die unterschiedlichsten Geschäfte aufzukaufen, inklusive Banken, Hotels, Papiermühlen, Zeitungen und andere Verlage." (Zitat: Stolper, G. , “The German Economy”)
Das Firmenimperium war am Ende so groß, dass rund 1 % der deutschen Gesamtbevölkerung bei einem Unternehmen arbeitete, das Stinnes gehörte und Stinnes der größte private Arbeitgeber des Landes war.
Allerdings ist die „Gelddruckmaschine“ darauf angewiesen, dass die Zinsen verlässlich niedriger sind als die jährlichen Preissteigerungen der Vermögenswerte. Die Weimarer Republik bot dazu bereits lange vor der Hyperinflation des Jahres 1923 das ideale Umfeld: Von 1915 bis 1923 lagen die typischen Kreditzinsen in jedem Jahr niedriger als die Inflationsrate (der Verbraucherpreise) und erst recht niedriger als die Steigerungsrate der Vermögenspreise (z.B. von Firmenbeteiligungen oder Immobilien).
Stinnes für das Jahr 2022
Trotz einer auch aktuell hohen Inflation würde das Stinnes-Rezept aktuell wohl nicht funktionieren, denn es gibt gewichtige Unterschiede zur Phase der Hyperinflation in der Weimarer Republik:
- Die Inflation ist zwar aktuell hoch, von einer Hyperinflation wie in den 1920er Jahren sind wir derzeit aber dennoch sehr weit entfernt.
- Die Hyperinflation in der Weimarer Republik war letztlich politisch gewollt, weil die hohen Reparationen als Folge des Ersten Weltkriegs sonst nicht zu finanzieren gewesen wären und die politische Führung hoffte, sich durch die Inflation der Schulden entledigen zu können.
- Das Stinnes-Rezept funktioniert nur, wenn es neben der Verbraucherpreisinflation auch eine Vermögenswertinflation gibt. Der Preisanstieg der Vermögenswerte muss zudem höher sein als die Zinsen für Kredite. Denn nur dann kann die Wertsteigerung der bereits erworbenen Vermögenswerte als Sicherheit für neue Kredite dienen. Aktuell steigen viele Vermögenswerte nicht mehr, sondern verbilligen sich, wie auch ein Blick auf den Aktienmarkt zeigt.
Obwohl sich die Vermögenspreise aktuell in einer deflationären und nicht in einer inflationären Phase befinden, ist nicht ausgeschlossen, dass es in den kommenden Jahren zu einer Situation kommt, in der sich das Stinnes-Rezept wieder lohnen würde. Am Aktienmarkt könnte es dann auch zu einer sogenannten Katastrophenhausse (englisch: Crack-up-Boom) kommen, bei der wegen der hohen Inflation trotz desaströser wirtschaftlicher Aussichten auch die Aktienkurse explodieren, und zwar sowohl nominal als auch inflationsbereinigt. Der Grund dafür ist, dass Aktien als Inflationsschutz auch von Menschen erworben werden können, die keinen Zugang zu anderen Sachwerten haben. Aktien sind letztlich Anteile an Unternehmen und damit "indirekte Sachwerte", die ebenfalls vor einer ruinösen Geldentwertung schützen. Sowohl in der Weimarer Republik als auch in späteren Hyperinflationsphasen wie in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach in Simbabwe legten die Aktienkurse meist deutlich stärker zu als die Verbraucherpreise und auch als der Goldpreis, obwohl Gold häufig als Inflationsschutz gepriesen wird.
Ein unrühmliches Ende
Hugo Stinnes starb im Jahr 1924 an den Folgen einer Gallenblasenoperation. Das Firmenimperium geriet nach der Währungsreform 1924 in Zahlungsschwierigkeiten und kollabierte rund ein Jahr nach dem Tod des Industriellen. Die Erben von Stinnes konnten nur einen kleinen Teil des aufgehäuften Vermögens retten.
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Das ist ein interessanter Gedanke. Allerdings steigen die Verbraucherpreise inzwischen auf recht breiter Front und es ist nicht mehr nur Energie, die teurer wird. Die Vermögenspreise hingegen fallen derzeit, allerdings darf man nicht vergessen, dass sie schon in den vergangenen Jahren rasant gestiegen sind. Die Vermögenspreisinflation wurde letztlich bereits in den vergangenen Jahren vorweggenommen, man sieht dies ja an den hohen Immobilienpreisen und den (teilweise immer noch) recht hohen Bewertungen am Aktienmarkt. Klar ist aber auch, dass sich auf Dauer Verbraucherpreise und Vermögenspreise wohl nicht in unterschiedliche Richtungen entwickeln werden.
Ich habe mal ein verrückten Gedanken.
Wenn alle Assets (Immobilien, Anleihen, Aktien, Rohstoffe, EM …) im Preis fallen kann es doch keine Inflation sein. Im Umkehrschluss befinden wir uns also in einer Deflation, die Geldmenge und deren Umlaufgeschwindigkeit nehmen ab. Die Preise steigen “nur“ wegen der Angebotsknappheit bei Energie. Wenn dem so ist, dann sind Zinserhöhungen nutzlos und kontraproduktiv. Man muss das Energieangebot erhöhen und damit die Preise drücken.
Das ist Quatsch, oder?