Wissensartikel
12:50 Uhr, 05.09.2023

Grossman-Stiglitz-Paradox: Warum effiziente Märkte unmöglich sind

Die Praxis zeigt es immer wieder: Die Märkte sind alles andere als effizient. Das Grossman-Stiglitz-Paradox erklärt auch theoretisch, warum völlig effiziente Märkte in der Realität unmöglich sind.

Erwähnte Instrumente

  • VinFast Auto Ltd.
    ISIN: SGXZ55111462Kopiert
    Kursstand: 29,495 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
    VerkaufenKaufen

Die Hypothese der effizienten Märkte besagt, dass alle verfügbaren Informationen in den Preisen von Finanzinstrumenten bereits enthalten sind, wodurch es schwierig ist, systematisch überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen.

In der Praxis gibt es unzählige Gegenbeispiele, die zeigen, dass die Märkte in der Realität zumindest zeitweise und bei bestimmten Basiswerten alles andere als effizient sind. Zwei besonders markante Beispiele sind:

  • Der Eistee- und Limonadenhersteller Long Island Iced Tea änderte den Firmennamen auf dem Höhepunkt der Bitcoin-Euphorie im Jahr 2017 in Long Blockchain ab. Diese Namensänderung, zusammen mit der (später nicht umgesetzten) Ankündigung, die eigenen Aktivitäten auf den Blockchain-Bereich ausdehnen zu wollen, führte zu einem Kursanstieg von in der Spitze mehr als 500 Prozent.
    Grossman-Stiglitz-Paradox-Warum-effiziente-Märkte-unmöglich-sind-Oliver-Baron-stock3.com-1
  • Die Aktien des vietnamesischen Elektroautoherstellers VinFast stiegen nach ihrem Börsendebüt an der Nasdaq vor rund drei Wochen so stark an, dass der Börsenwert des Unternehmens zeitweise höher war als der von Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz zusammen. Dabei lieferte VinFast im ersten Halbjahr 2023 nur 11.300 Fahrzeuge an die Kunden aus. Volkswagen brachte es konzernweit auf 5,1 Mio., BMW auf 1,2 Mio. und Mercedes-Benz auf 1,0 Mio. Fahrzeuge. Zusammen lieferten die drei deutschen Autobauer rund 650 Mal so viele Fahrzeuge aus wie VinFast, waren aber trotzdem weniger an der Börse wert als der vietnamesische Konkurrent.
    VinFast-Aktie
    Statischer Chart
    Live-Chart
    Chart in stock3 Terminal öffnen
    • ()
      L&S
      VerkaufenKaufen

Die Beispiele zeigen, dass die Märkte in der Realität alles andere als effizient sind und zumindest zu gewissen Zeiten und bei bestimmten Basiswerten zu völlig irrationalen Kursbewegungen und Bewertungen neigen.

Dass völlig effiziente Märkte in der Realität nicht existieren können, zeigt das sogenannte Grossman-Stiglitz-Paradox, das schon 1980 von den Wirtschaftswissenschaftlern Sanford J. Grossman und Joseph E. Stiglitz in ihrem Artikel "On the Impossibility of Informationally Efficient Markets" vorgestellt wurde.

Das Paradox besteht aus folgenden Argumenten:

  • Die Hypothese der effizienten Märkte besagt, dass alle verfügbaren Informationen bereits in den Preisen von Wertpapieren eingepreist sind. Dies bedeutet, dass keine Anleger systematisch höhere Renditen erzielen können als der Markt selbst, da sie keine zusätzlichen Informationen haben, die noch nicht im Preis reflektiert sind.
  • Die Sammlung, Analyse und Verwendung von Informationen sind jedoch mit Kosten verbunden. Um Informationsvorteile zu erlangen, müssen Anleger Zeit und/oder Geld investieren, um Daten zu sammeln, auszuwerten und daraus Handelsentscheidungen zu erzeugen.
  • Wenn die Märkte vollständig effizient und alle Informationen bereits in den Kursen enthalten wären, gäbe es für Anleger keine Anreize, in die Sammlung und Auswertung von Informationen Zeit und Geld zu investieren, da sie keine zusätzlichen Gewinne daraus ziehen könnten. Wenn jedoch niemand mehr in die Sammlung und Auswertung von Informationen investiert, können die Märkte auch nicht effizient bleiben bzw. sein, da keine neuen Informationen in den Preisen reflektiert würden.

Das Grossman-Stiglitz-Paradox zeigt also, dass es einen inhärenten Widerspruch zwischen der Idee der Markteffizienz und den Anreizen für Anleger gibt, in die Sammlung und Nutzung von Informationen zu investieren. Zwar haben Computer und das Internet die Sammlung und Auswertung von Informationen deutlich erleichtert und die Kosten, die dafür nötig sind, stark gesenkt. Aber mit gewissen Kosten bleiben diese Tätigkeiten dennoch verbunden. Selbst wenn eine Künstliche Intelligenz (KI) Anlageentscheidungen trifft, führt dies zu Kosten, da die KI Energie in Form von elektrischem Strom benötigt.

Fazit: Damit ein Markt völlig effizient ist, müssen zu jedem Zeitpunkt sämtliche relevanten Informationen im Preis enthalten sein bzw. neu auftretende Informationen eingepreist werden. Diese Einpreisung von Informationen geschieht aber nicht von selbst und ist auch nicht kostenlos. Das kontinuierliche Einpreisen neuer Informationen geschieht nur, weil (meist professionelle) Anleger mit gutem Know-how und technischer Ausstattung sowie niedrigen Transaktionskosten mit diesem Einpreisen neuer Informationen Geld verdienen können. Sie kaufen Wertpapiere, die sie angesichts neuer Informationen für unterbewertet halten und verkaufen Wertpapiere, die sie angesichts ihres Informationsstandes für überbewertet halten. Wäre der Markt völlig effizient, würde es sich für diese Marktteilnehmer nicht mehr lohnen, Informationen einzupreisen und der Markt würde innerhalb kurzer Zeit wieder ineffizient werden (was dann wieder kurzfristige professionelle Marktteilnehmer auf den Plan rufen würde, die den Markt wieder in Richtung Effizienz bewegen). Weil die Informationsauswertung nicht kostenlos ist, ergibt sich ein Gleichgewichtszustand, der sich dadurch auszeichnet, dass die allerbesten Marktteilnehmer zwar immer noch eine Überrendite erzielen können, weil sie schneller oder besser darin sind, neue Informationen einzupreisen, dass der Markt insgesamt für die Mehrzahl der Marktteilnehmer aber doch einem effizienten Markt sehr ähnlich ist.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Riccardo90
    Riccardo90

    Es gibt doch nichts schöneres als Paradoxien :D

    12:57 Uhr, 05.09.2023
    1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

Mehr über Oliver Baron
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanalyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten