Wissensartikel
17:19 Uhr, 27.05.2021

Die Marktkapitalisierung - gar nicht so simpel, wie es zunächst scheint

Man sollte meinen, es ist eine einfache Sache: Anzahl der Einheiten (Aktien, Kryptos, Edelmetalle etc.) * Kurs. Schon hat man die Marktkapitalisierung, synonym oft genannt: Börsenwert, Marktwert, „Marketcap“.

Die Marktkapitalisierung kann man z.B. für folgende hypothetische Überlegung nutzen: Angenommen, Unternehmen A möchte Unternehmen B aufkaufen, und vorausgesetzt der aktuelle Kurs wäre der Preis, der für alle Aktien zu bezahlen wäre: Wie hoch wäre dann der Gesamtwert?

Wenn Sie darüber im Netz lesen, werden Sie häufig auf Zusätze stoßen. Zum Beispiel:

  • „non diluted“: Man rechnet nur mit der derzeit ausstehenden Zahl an Aktien („unverwässert“).
  • „fully diluted“: Mit eingerechnet werden ausstehende Optionen, es wird dabei so getan, als würden sie ausgeübt („voll verwässert“).
  • „free float“: Nur Aktien, die sich nicht „in festen Händen“ befinden, werden eingerechnet. Dabei orientiert man sich an den gängigen Definitionen für den free float (z.B. bei uns: ab 3 % Anteil bei einer Adresse zählen die Aktien nicht mehr zum free float)
  • „circulating supply“: Dieser Begriff wird im Reich der Kryptowährungen genutzt. Dabei werden Coins, die sich z.B, in „Escrows“ (Treuhandaccounts) befinden, nicht mit eingerechnet.
  • „total supply“: Alle existierenden Coins werden eingerechnet. In einer sehr weiten Definition könnte man auch noch die Coins dazu zählen, die noch gar nicht „gemintet“ sind. (Beim Bitcoin wären das dann insgesamt knapp 21 Mio., im Vergleich zu 18,7 Mio. circulating supply).
  • Bei Edelmetallen kann man unterscheiden zwischen allem, was jemals gefördert wurde, oder auch die wirtschaftlich förderbaren Ressourcen, auch Reserven genannt, mit einbeziehen.

Man sieht – je nachdem was man argumentativ erreichen will, wird man eine unterschiedliche Basis nutzen. Die Angaben können auch verwirrend oder gar täuschend sein.

Ein gutes Beispiel dafür ist XRP, die Währung des Zahlungstransfer-Dienstleisters Ripple. Auf coinmarketcap, einer der wichtigsten Krypto-Seiten, wird der circulating supply mit 35,1 Mrd. Coins angegeben. Tatsächlich gibt es aber 100 Mrd. XRP, minus einige im Rahmen der Transfers „verbrannten“ Coins. Die Differenz steckt in Escrows, die Ripple gehören.

Somit läge die Marketcap von XRP deutlich höher, als es aktuell überall zu lesen ist.

Welche Betrachtung sinnvoller ist? Das ist umstritten. Im Aktienbereich wird mit der free float Marketcap nur sehr wenig argumentiert. Der Wert aller Aktien ist entscheidend – auch die sich in „festen Händen“ befinden, zumal sich das jederzeit ändern kann. Man will ja schließlich wissen: Wie viel ist das Unternehmen insgesamt wert?

Bei den Coins sind auf jeden Fall beide Informationen wichtig. Nur den circulating supply zu betrachten, führt in die Irre, den total supply zugrunde legen, macht den Markt größer (als er aktuell ist) – die bessere Analogie zum Aktienmarkt wäre es aber.

Argumentativ können beide Angaben missbraucht werden. Wieder am Beispiel Ripple: Will man XRP ganz oben in der Liste im Ranking sehen, dann wird man die 100 Mrd. Coins als Basis nutzen. Wer dagegen Aufholpotenzial ggü. anderen Währungen in den Vordergrund schieben will, der wird sich am circulating supply orientieren.

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Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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