Kommentar
08:47 Uhr, 25.09.2015

Zurück zur Normalität: Ein Phantom?

In diesen Tagen geht es um alles oder nichts. Es geht darum, ob die Welt den Weg zurück zur Normalität findet oder ob dieser Weg für viele weitere Jahre versperrt bleibt.

Im Vorfeld der Zinsentscheidung der US Notenbank vergangene Woche wurde die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt zwischen einem Viertel und einem Drittel gesehen. Als die Entscheidung dann so kam wie vom Markt erwartet, war die Enttäuschung groß. Das nährt den Verdacht, dass der Markt vielleicht doch eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt annahm.

Die Wahrscheinlichkeiten berechnen sich aus den Fed Funds Futures. Je weniger Zeit bis zu einem Entscheid bleibt, desto unsicherer ist die errechnete Wahrscheinlichkeit. Insofern sollte man auf die berechneten Ergebnisse nicht sein ganzes Vermögen wetten. Welche Wahrscheinlichkeit es auch immer war, die Zinsentscheidung war ein Weckruf.

Die Notenbank hätte die Zinsen anheben können. Die makroökonomischen Daten hätten das problemlos zugelassen. Trotzdem tat sie es nicht. Der Markt interpretierte das so: die Fed zögert, weil sie die weltweite Entwicklung für zu bedrohlich hält. Turbulenzen gab es auch schon vor dem Zinsentscheid. Der Markt crashte, weil keiner wusste, wie es um China wirklich steht. Inzwischen geht es aber nicht mehr nur allein um China. Fed Chefin Yellen führte in der Pressekonferenz aus, dass sich ihre Sorgen auf ein sehr viel größeres Feld erstrecken.

Das war für den Markt neu. Ängste werden wach. Es ist vielleicht nicht das Basisszenario, aber insgeheim wird befürchtet, dass sich die Welt in eine neue Abschwungphase bewegt. Eine Horrorvorstellung, ist doch die letzte monumentale Krise noch keine 7 Jahre vergangen.

Die Hoffnungen auf eine Normalisierung zerschlagen sich gerade. Ob daraus tatsächlich eine neue Krise erwächst, sei dahingestellt. Die Befürchtungen sind jedenfalls real und mehr noch, was können Notenbanken überhaupt noch tun, um die nächste Krise zu verhindern?

Das absolute Worst-Case-Szenario ist doch letztlich eine neue Krise, die noch beginnt, bevor die Geldpolitik zu einer Normalisierung zurückgefunden hat. Notenbanken haben ihre Möglichkeiten ausgeschöpft. Was bleibt dann noch für den nächsten Abschwung?

Wie angespannt die Lage ist zeigt Grafik 1. Dargestellt ist die Entwicklung der Zentralbankbilanzen weltweit. Dominant sind die bekannten, großen Notenbanken, allen voran die Fed, die EZB und die Bank of Japan. Wenn es jedoch um die Größe der Bilanz geht, dann schlägt die chinesische Notenbank alle. Die Bilanz ist mit gut 5 Billionen Dollar deutlich größer als die der US Notenbank.

Im Vergleich zu China, Japan, den USA und der Eurozone wirken die übrigen Zentralbankbilanzen winzig. Der Eindruck täuscht ein wenig. Abseits der großen Währungsräume wurden die Zentralbankbilanzen keinen Deut weniger stark aufgeblasen als bei uns. Die großen vier Notenbanken haben ihre Bilanzen zwischen 2005 und 2010 um den Faktor 3,8 erweitert. Alle anderen Notenbanken haben ihre Bilanzen um den Faktor 4,06 aufgeblasen. Darin enthalten ist auch die Bilanz der Schweizer Notenbank. Lässt man diese außen vor, dann liegt der Faktor ebenfalls bei 3,8.
Das Quantitative Easing wurde vor allem in den USA, Japan und in Europa diskutiert, doch letztlich stehen andere Notenbanken den großen 4 in nichts nach. Die ganze Welt befindet sich in einem Zustand des Quantitative Easing. Da darf man sich nichts vormachen.

Setzt sich der Trend wie bisher fort, dann erreichen die Notenbanken im Jahr 2020 (Grafik 2) eine Bilanzsumme von ca. 23 Billionen USD. Heute sind es knapp 19 Billionen. Das entspricht einem Anteil an der Wirtschaftsleistung von 29%. In 5 Jahren könnte der Anteil auf 33% steigen.

Bei dem Erfolg, den die Notenbanken bisher hatten, wird auch die ungebremste Erweiterung der Bilanzen keine Wachstumsbeschleunigung bringen. Gut möglich, dass sich das globale Wachstum bis 2020 auf 2% abschwächt.

Notenbanken wollen ein solches Szenario durch geldpolitische Lockerung nicht nur verhindern, sie wollen auch zurück zu einem Szenario von 2005 als die Welt mit über 6% wuchs. Für Notenbanken und Anleger ist das die Normalität, die sie wieder sehen wollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine solche Normalität überhaupt noch einmal erleben ist gering.

Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass sich die Weltwirtschaft auf eine neue Krise wie 2008/09 zubewegt. Notenbanken und Anleger sollten allerdings auch nicht mehr dem Phantom der Normalität aus den Jahren 2005 bis 2007 hinterherjagen. Die Zeit vor 2008 war außergewöhnlich. Viele Faktoren begünstigten das hohe Wachstum. Dazu gehörte ein weltweit überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum, ein enormer Anstieg der arbeitsfähigen Bevölkerung, Unterkapazitäten und niedrige Verschuldungsgrade.

Heute ist die Ausgangslage eine vollkommen andere. Die Bevölkerung wächst nach wie vor, doch der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung schrumpft weltweit. Staaten und Haushalte sind überschuldet und weltweit gibt es Überkapazitäten. Unter diesen Umständen ist kein überdurchschnittliches Wachstum zu erwarten. Es wäre schon Alchemie unter diesen Bedingungen eine neue Boomphase einleiten zu können.

Anleger und Notenbanken müssen akzeptieren, dass es eine neue Normalität gibt. Diese besteht aus niedrigen Zinsen und langsamen Wachstum bis die Überkapazitäten abgebaut sind. Diese bauen sich nicht von alleine ab. Es muss eine Marktbereinigung geben. Diese wird jedoch von den Notenbanken verhindert. Die Konsequenz: mageres Wachstum auf Sicht vieler Jahre.

Wir haben letztlich die Wahl zwischen einer langen Phase niedrigen Wachstums oder einer Marktbereinigung. In dieser würde die Welt durch eine Phase der Deflation, der Schrumpfung und hoher Arbeitslosigkeit gehen. Das will niemand. Es wäre aber die Grundlage für den Kapazitätsabbau. Erst danach ist wieder hohes Wachstum vorstellbar.

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4 Kommentare

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    Die Frage ist, ob negative Zinsen (z.B. in Höhe von -3%) das Thema heilen würde. Es ist dann davon auszugehen, dass das Zentralbankgeld, dass derzeit nicht in den Geldkreislauf gelangt (kein Tansmissionsmechanismus) direkt in die Realwirtschaft gehen würde. Die Inflation würde dann abgehen wie schmitz Katze. Das könnte eine Lösung sein - die Frage ist nur, ob man die Inflation wieder eingedämmt bekommt.

    Eine andere Möglichkeit wäre Geld zu verteilen - z.B. direkte Überweisung von EZB an jeden Bundesbürger in Höhe von 10.000 EUR.

    Sofern solche Maßnahmen nicht ergriffen werden, werden wir dahinsiechen wie Japan mit dem Ergebnis, dass das System in 10, 20, 30, 40 oder 50 Jahren implodiert.

    09:49 Uhr, 25.09.2015
  • sewiet13
    sewiet13

    Clemens: "This is a bunch of bull..."!

    Seit mehreren Jahren geht diese Scheisse!

    ES WIRD NIE!!!!! ZU EINER NORMALISIERUNG KOMMEN!!!

    ..bevor es nicht richtig kracht. Da geht KEIN WEG DARAN VORBEI, ausser durch Versklavung und Krieg.

    08:57 Uhr, 25.09.2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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