Kommentar
08:08 Uhr, 16.03.2017

Zum Glück gibt es die EU

Die EU steht bei den wenigsten hoch im Kurs. Es gibt aber auch durchaus gute Seiten, die sich vor allem im Umgang mit den USA zeigen werden.

Die USA wollen ihre Handelsbeziehungen neu ordnen. Es geht dabei vor allem um die Reduktion des enormen Handelsbilanzdefizits der USA. Dieses liegt – je nach aktuellem Ölpreis – bei 600 bis 800 Mrd. Dollar pro Jahr. Das ist gigantisch und intuitiv versteht man: da stimmt etwas nicht.

Das, was da nicht stimmt, hat wenig mit dem zu tun, was die USA vorhaben. Sie schieben das Defizit anderen Ländern in die Schuhe. Die Schuld wird in China und Deutschland gesucht. Mexiko steht natürlich ebenso auf der Liste der Sünder, doch China und Deutschland haben im Gegensatz zu Mexiko nicht nur einen Überschuss mit den USA, sondern auch mit dem Rest der Welt. Mexiko hat insgesamt mit dem Rest der Welt ein Defizit.

China und Deutschland streiten sich seit Jahren um die Krone des Exportweltmeisters. Zwischen 2006 und 2010 gewann sie eindeutig China. Grafik 1 zeigt den Überschuss in Dollar. Nach 2010 holte sich Deutschland die Krone zurück, musste sie aber 2015 wieder abgeben. 2016 wurde sie zurückerobert.

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Der deutsche Exportüberschuss wächst seit über 10 Jahren. 2001 gab es noch ein Defizit. Inzwischen werden 300 Mrd. an Waren und Dienstleistungen mehr exportiert als importiert. Das ist ein Rekord, der bereits in absoluten Zahlen beeindruckend ist. In relativen Zahlen ist die Sache sogar noch viel eindeutiger. Grafik 2 zeigt den Überschuss in Prozent der Wirtschaftsleistung. Hier liegt Deutschland schon lange vor China.

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Der Überschuss steht seit Jahren in der Kritik. Die Kritik ist nicht ganz unberechtigt, doch was soll man tun, wenn Deutsche gerne sparen (der Überschuss ist über mehrere Ecken auf die hohe Sparquote zurückzuführen)? Es macht ja wenig Sinn, dass die hohe Sparquote der Bevölkerung durch hohe Defizite des Staates ausgeglichen werden, wenn es keinen Grund dafür gibt. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig und das Wachstum solide. Da macht man keine Defizite, sondern Überschüsse – schlechte Zeiten kommen früher oder später bestimmt.

Deutschland könnte mehr tun, um den Überschuss abzubauen. Das muss nicht über höhere Staatsschulden gehen. Es gibt andere Wege. Wie effektiv diese sind, sei dahingestellt, denn solange der Euro von der EZB nach unten gedrückt wird, sind die meisten Maßnahmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Deutschland, auch wenn es einige Vorschriften gibt, die den Export begünstigen und den Import erschweren, ist alles in allem recht fair. Von China kann man das nicht immer behaupten. So manche Industrie wird stark subventioniert und erhält so unlautere Wettbewerbsvorteile. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb die USA gerade vor allem über China herziehen.

Doch auch Deutschland muss sich Kritik aus den USA gefallen lassen. Das Land galt als Kandidat für die Liste der Währungsmanipulatoren... Zuletzt startete der Chef des Handelsrates Peter Navarro einen Versuch Deutschland in die Ecke zu drängen. Er wollte verlangen, dass die USA mit Deutschland über einen Deal verhandeln, der den Überschuss abbaut.

Die USA stellen sich das so vor: sie ignorieren alle Regeln, die sie selbst verhandelt haben. Dazu gehören auch die Regeln der Welthandelsorganisation. Anstatt auf multilateraler Ebene zu verhandeln, wollen sie nur noch bilateral verhandeln. Da die USA die größte Wirtschaft der Welt sind, erhoffen sie sich davon durch ihre schiere Größe andere Länder einschüchtern zu können.

Mit Japan funktionierte dies in den 90er Jahren, was eine Abwertung der Währung verhinderte. Dies trug maßgeblich zum verlorenen Jahrzehnt bei. Trump selbst spricht zwar von fairem Handel, doch was er damit meint, ist klar: wir wollen profitieren, wir diktieren die Regeln und ihr haltet euch daran.

Neuster Versuch diese Idee umzusetzen ist fast schon bizarr. Navarro will mit jedem Land jede Produktgruppe durchgehen, um dort für Ausgleich zu sorgen. Importieren die USA z.B. mehr Weißwürste aus Deutschland als sie nach Deutschland exportieren, soll das verhandelt werden. Viel Glück!

Wie dem auch sei, die USA wollen nicht fairen Handel, sie wollen die Handelsbedingungen anderen Ländern diktieren. Das ist der einzige Grund für bilaterale Verhandlungen. Sie können mehr Druck ausüben. In diesem Fall lobt man sich die EU. Die Vorstöße der USA gegenüber Deutschland wurden gleich abgewehrt: die EU ist Gesprächspartner in Handelsfragen, nicht ein einzelnes Land.

Da hat Deutschland absolut Recht. Sollen sich die USA durch den Brüssler Moloch verhandeln. Bis sie da durch sind, ist die Amtszeit längst vorbei. Alles bleibt beim Alten.

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1 Kommentar

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  • netzadler
    netzadler

    sehe ich auch so, die hohe sparneigung...preussische tugenden, schwäbsiche Hausfrau blabla...ist mit ein grund.

    allerdings trägt die währung einen großen teil dazu bei. dazu kommen dann noch dinge wie unterirdische Geburtenrate, massenburnout und Ausbeutung im unteren lohnbereich.

    Deutschland taugt nicht als vorbild.....zu geldgeil

    wenn man Europa halten will, muss Deutschland seinen materiellen Wohlstand aufgeben, dass wird sowieso über kurz oder lang erzwungen werden, egal ob Europa zerfällt oder nicht.

    Deutschland kann natürlich krieg führen, um seine Position zu verteidigen

    und noch was zu Europa...war lustig, gestern die Kommentare der berliner und brüsseler kasperköppe bei twitter zu lesen. die haben nicht geschnallt, was in Holland los ist. völlig zersplitterte parteienlandschaft, viel spass bei der Regierungsbildung und grüße aus der Weimarer republik. Holland ist nach links gerückt, dann müsste man ja bei R2G auch fein applaudieren (weil Hauptsache afd ist weg).

    Demokratie ist zäh und ineffizient, aber von dieser Tatsache lebt das Establishment halt sehr gut und möchte das gern so beibehalten

    08:47 Uhr, 16.03.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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