Kommentar
07:12 Uhr, 06.10.2016

Zinswende: In der Fed beginnt die Lobbyarbeit

Wer etwas Großes verändern will, braucht Hilfe. Wer Hilfe will, muss andere überzeugen, dass die Veränderung gut ist und so beginnt nun die intensive Lobbyarbeit einiger Notenbanker, weil sie etwas verändern wollen.

Drei US-Notenbanker stimmten beim jüngsten Zinsentscheid gegen die Beibehaltung des aktuellen Zinssatzes. Sie wollten eine Zinsanhebung. Der Zinsschritt kam nicht, weil einfach noch nicht genügend Notenbanker überzeugt sind, dass eine Zinsanhebung wirklich gut ist. Der Konsens der US-Notenbank sagt immer noch: abwarten.

Soll diese Konsenshaltung verändert werden, dann braucht es gute Argumente. Um einen Zinsschritt im Dezember zu ermöglichen, ist viel Überzeugungsarbeit notwendig. So kam es am vergangenen Freitag zu einem eher seltenen Ereignis. Eric Rosengren, Vorsitzender der regionalen Notenbank von Boston, veröffentlichte auf der Homepage der Notenbank ein Statement.

In seinem Statement erklärt er, weshalb er gegen eine Beibehaltung des Zinssatzes gestimmt hat. Er will jetzt einen Zinsschritt, damit es zu keiner Rezession kommt. Dahinter stecken Jahrzehnte an Erfahrung und Daten. Die wichtigsten Punkte sind in der Grafik zusammengefasst.

Die Notenbank hat ein duales Mandat, Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Preisstabilität ist noch nicht erreicht. Die Inflation hält sich beharrlich unter der Zielmarke von 2 %. Rechnet man Rohstoffpreise heraus, dann sind die 2 % etwas greifbarer. Sie sind ebenso greifbar, weil sich die Lohnsteigerungen derzeit bei deutlich über 2 % einpendeln.

Inflation ist kein gutes Argument, um die Zinsen nicht anzuheben. Was als Argument bleibt, das ist die Beschäftigungslage. Die Notenbank schätzt, dass die Arbeitslosenrate, die der Vollbeschäftigung gleicht, bei 4,5 % liegt. Derzeit liegt die tatsächliche Rate bei 4,9 %. Sie hat also noch etwas Luft, um zu fallen, bevor Vollbeschäftigung erreicht ist.
Janet Yellen hat die weiterhin niedrigen Zinsen begründet, indem sie einen positiven Trend auf dem Arbeitsmarkt herausstrich. Die Partizipationsrate steigt wieder. Es kommen also wieder mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt zurück, die zuvor entmutigt gar nicht mehr nach Arbeit gesucht hatten. Kehren diese Menschen nun zurück, dann kann die Beschäftigung steigen, ohne dass die Arbeitslosenrate signifikant fällt.

Rosengren befürchtet, dass es sich um einen vorübergehenden Faktor handelt. Beginnt die Partizipationsrate wieder zu stagnieren, dann ist die Vollbeschäftigung innerhalb weniger Monate erreicht.
Vollbeschäftigung klingt zunächst wie eine gute Nachricht. Betrachtet man die Arbeitslosenrate im historischen Kontext, dann zeigt sich, dass nach Erreichen der Vollbeschäftigung die nächste Rezession nicht lange auf sich warten ließ. Der Grund dafür ist einfach. Ist Vollbeschäftigung erreicht, dann überhitzt die Wirtschaft. Eine Überhitzung führt zu Ungleichgewichten, die die Wirtschaft letztlich aus den Fugen geraten lässt.

Rosengren lobbyiert aus diesem Grund für einen möglichst zeitnahen Zinsschritt. Kommt es nicht dazu, dann ist die Chance groß, dass die Wirtschaft überhitzt. Eine Rezession lässt sich dann nicht mehr vermeiden. Um den Aufschwung nicht zu gefährden, müssen die Zinsen also jetzt steigen.

Andere Notenbanker, allen voran Lael Brainard, sieht die Sache vollkommen anders. Sie ist der Meinung, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben müssen. Ein Zinsschritt kann helfen, eine Überhitzung zu vermeiden, doch wirklich wissen kann man das nicht. Bereits ein kleiner Zinsschritt kann zu einer Rezession führen. Sie sieht die Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs höher, wenn die Zinsen jetzt angehoben werden. Da die Notenbank einem solchen Abschwung nichts entgegensetzen kann, weil die Zinsen bereits niedrig sind, darf der Aufschwung nicht abgewürgt werden. Das Risiko ist zu groß.

Mit diesen zwei absolut gegensätzlichen Positionen muss die Notenbank nun umgehen. Die einen wollen eine Zinsanhebung, damit der Aufschwung weitergeht, die anderen wollen keinen Zinsschritt, um die Erholung nicht zu gefährden. Viel weiter können Meinungen nicht auseinandergehen. Wer letztlich die Oberhand gewinnt, steht in den Sternen. Es zeigt jedoch, wie schwierig es für die Notenbanker ist, sich auf eine Linie zu einigen. Jeder lobbyiert für seine Überzeugung und tut dies auch öffentlich. Der Markt wird, so sehr er es sich wünscht, auch in den nächsten Wochen keine klare Linie vorfinden. Vermutlich wird sich der öffentliche Diskurs sogar noch verschärfen.

Dass die Zeichen immer mehr auf Zinserhöhung stehen, kann man nicht von der Hand weisen. Der Arbeitsmarktbericht für den Monat September ist noch ausständig, doch die Einkaufsmanagerindizes für das Gewerbe und für den Dienstleistungssektor sind wieder auf dem Durchmarsch nach oben. Das gilt insbesondere für den Dienstleistungssektor, der zwei Drittel der Wirtschaft ausmacht und für Notenbanker ausschlaggebend sein dürfte.

Clemens Schmale

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7 Kommentare

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  • Erasmus v. Baden
    Erasmus v. Baden

    ...schade, dass dies Blog´s immer mehr zu Sebstdarstellungsplattformen von einigen wenigen, nervenden Usern genutzt werden. Tip: Einfach mal fünfe grad sein lassen und Meinungen anderer akzeptieren, auch wenn sie für das selbstherrliche Eigenbild noch so abstruss erscheinen....

    15:29 Uhr, 06.10. 2016
  • Hoeli
    Hoeli

    "Vollbeschäftigung klingt zunächst wie eine gute Nachricht. Betrachtet man die Arbeitslosenrate im historischen Kontext, dann zeigt sich, dass nach Erreichen der Vollbeschäftigung die nächste Rezession nicht lange auf sich warten ließ. Der Grund dafür ist einfach. Ist Vollbeschäftigung erreicht, dann überhitzt die Wirtschaft."

    Was für ein dummes Argument von Herrn Rosengrün ist das denn!

    Eine Wirtschaft überhitzt doch nicht durch Vollbeschäftigung. Sie überhitzt durch zu schnelles, unkontrolliertes Wachstum (das sehr wahrscheinlich einhergeht mit Vollbeschäftigung).

    Ein unkontrolliertes Wachstum sehe ich in den USA aktuell nicht. Im Gegenteil. Die Prognose wurde gerade nach unten korrigiert. Weshalb das Argument einer nahenden Rezession auch Quark ist.

    Laber Rabarber...diese Notenbanker...tststs.

    Manchmal habe ich das Gefühl, dass man nur eine kreative Laberbacke sein muss, um heutzutage eine gewichtige Position ausfüllen zu können.

    10:56 Uhr, 06.10. 2016
  • Silberpapst
    Silberpapst

    Ich bin immer wieder erstaunt wie die FED in Ihrer eigenen Welt lebt. Vollbeschäftigung? Ein absoluter Witz. Ich selbst bin oft selbst vor Ort gewesen und sehe was da im Land der unbegrenzten Möglichkeiten passiert. Armut wo man hinschaut. Die Leute müssen 2 Jobs machen um über die Runden zu kommen (wenn sie denn überhaupt eine Arbeit bekommen) Haben sie keine Arbeit fallen sie aus der Statistik nach einiger Zeit. Das Gesundheitssystem ist ein flop, Amerika ist verschuldet wie noch nie und und und.... Ich bin einfach nur gespannt wie lange das noch gut geht. Warum Herr Trump eine gute Chance hat zu gewinnen ist kein Wunder. Aber das ist ein anderes Thema. In dieser Lage die Zinsen zu erhöhen ist Harakiri und geht eigentlich garnicht mehr.... Wir leben in spannenden Zeiten....

    08:33 Uhr, 06.10. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • tourguide
    tourguide

    Hallo Herr Schmalle, man könnte es auch so sagen: Wir bringen völlig gegensätzlich Argumente aus zwei Lagern. So kann man später immer sagen: wir haben recht gehabt. Außerdem wird so undurchbringbares Nachrichtendickicht gestaltet, wo keiner mehr durchsieht, nach dem Muster, wir haben unsere Pflicht erfüllt, was ihr daraus macht ist Eure Sache! Weiterhin muss auch, bevor man einen Zinsschritt durchführt, wissen ob alle Schuldner in der Lage sind die Zinsen zu stemmen. Und wir wissen auch, dass Rezessionen erwünscht sind. Nur dabei werden die Preise für Investitionen so niedrig, dass billig eingekauft werden kann! Die Akteure welche 2008 die Finanzkrise angeschoben hatten, waren sich ihrer Handlungen voll bewußt. Es musste eine Großbank sterben, entweder durch eine 1$ Übernahme, oder Konkurs. Das gleich Spiel wird im Augenblick mit der deutschen Bank und Volkswagen gespielt. Wir werden sehen wie es ausgeht. Übrigens hat Black Rock gerade wieder getönt, dass die europäischen Banken zu viele sind! Sie müssen damit rechnen, dass sie auch von internationalen Playern übernommen werden können!

    07:59 Uhr, 06.10. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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